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Interview mit Coping-Tipps
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Cancer Ghosting: Wie Nadine mit Yoga gegen Geister vorgeht

Cancer Ghosting? Kennt Nadine nur zu gut. Denn manche Freund:innen lösen sich in Luft auf, als das Wort Krebs fällt. Doch mit der Yoga-Matte in der Hand findet sie nicht nur Frieden, sondern auch eine dicke Portion Stärke.   

Yoga und Coping  

Das Leben nach dem Krebs hat für Nadine einiges verändert. Sie plant nicht mehr zu weit im Voraus. Stattdessen lautet ihre Devise: Lebe im Moment. „Ich gehe in kleinen Schritten, und das tut mir gut.“  

Sie hat auch für sich gelernt, das Leben entspannter zu sehen. „Ich rege mich nicht mehr so viel und gerne über Kleinigkeiten auf.“ Ihrem Körper schenkt sie seitdem auch noch mehr Liebe. Gesunde Ernährung, viel Bewegung und Achtsamkeit. Sie hört darauf, was ihr Körper ihr sagt.  

Nadine in einer Yoga-Pose.
Statt zur Rehabilitation geht es für Nadine ins Yogaretreat. Dort kann sie am besten regenerieren. (Foto: Privat)

Yoga: Nadines Geheimtipp gegen Negativität 

Diese Mentalität spiegelt sich auch in der größten Wendung ihres Lebens wider: Yoga. Was als sanfte Neugier begann, wurde zu einer Leidenschaft, die ihr nicht nur körperlich, sondern auch seelisch durch die schwersten Zeiten half. „Allein die Yoga-Philosophie mit vielen Reflexionsfragen hat mir durch die Zeit geholfen.“ 

Yoga wurde zu Nadines Copingmechanismus, Stille nach dem Sturm zu finden, seien es die Turbulenzen der Krebsbehandlung oder die stumme Abwesenheit von einst nahestehenden Freund:innen.  „Zurück zu meinem Körper finden und bei mir ankommen“, beschreibt sie die Wirkung der Achtsamkeitssportart 

 

„Zurück zu meinem Körper finden und bei mir ankommen.“
Nadine Herber

Yoga wurde zu Nadines Copingmechanismus, Stille nach dem Sturm zu finden, seien es die Turbulenzen der Krebsbehandlung oder die stumme Abwesenheit von einst nahestehenden Freund:innen.  „Zurück zu meinem Körper finden und bei mir ankommen“, beschreibt sie die Wirkung der Achtsamkeitssportart 

Schon früh kreuzten Yoga und Meditation ihren Weg. Zunächst mit 16. Obwohl das Leben sie zeitweise wieder voneinander entfernte, fanden sie schließlich zurück zueinander. „In unterschiedlichen Lebensphasen habe ich immer wieder gemerkt, wie gut es mir tut“, reflektiert Nadine. Diese Erkenntnis führte sie schließlich dazu, selbst den Kurs für die Yogaausbildung zu machen – zunächst für sich.  

„Yoga und ich hatten schon immer eine On-Off-Beziehung.“ 

Der Krebs hat da dazwischengefunkt. „Ich habe das Ziel gehabt, wenn ich mit der Therapie durch bin, die Yogaausbildung zu machen.” Nach ihrem Klinikaufenthalt hat das Warten endlich ein Ende und sie spezialisiert sich zusätzlich auf Krebspatient:innen. Jetzt ist sie seit mittlerweile sechs Jahren als Yogalehrerin für Menschen mit und ohne Krebs tätig. „Krebspatient:innen sind aber mein Herzensprojekt.“  

Kleine Fluchten – Coping  

Neben Yoga und dem Rückhalt ihrer Familie findet Nadine heute Stärkung in der Natur oder mit ruhigen Beschäftigungen wie Malen oder Gartenarbeit. “Allgemein einfach Dinge, bei denen ich mich mit mir selbst beschäftigt habe.” Das Handy lässt sie gerne weit weg, um die Ruhe zu genießen.  

Nadine mit ihrer Tochter
Für Nadine war es sehr wichtig, den Krebs nicht vor ihrer Tochter zu verstecken. (Foto: Privat)

„Es ist wichtig für mich, sich mit Dingen zu beschäftigen, die einem Spaß machen, die das Herz zum Leuchten bringen.” Eine Erkenntnis, die sie enthusiastisch mit ihren Yoga-Gleichgesinnten teilt. „Finde etwas, wofür du brennst“, ermutigt sie in ihren Kursen. Und hilft so anderen, ihren eigenen Weg zu finden. 

Nach der Geisterstunde 

Obwohl Nadine durch ihre Erfahrungen ein wenig zurückgezogener lebt und vorsichtiger geworden ist, endet ihre Geschichte nicht mit der Überwindung des Cancer Ghostings. Es ist vielmehr der Beginn eines neuen Kapitels. Sie lebt im Hier und Jetzt, genießt jeden Moment und lässt sich nicht mehr von den kleinen Dingen des Alltags aus der Ruhe bringen.  

Doch das Wichtigste, was sie uns lehrt, ist vielleicht, dass es in Ordnung ist, loszulassen. Loslassen von Menschen, die nicht für dich da sind, von Plänen, die nicht mehr zu dir passen, und von allem, was dir nicht mehr dient. Denn am Ende des Tages zählt nicht, wie viele Freund:innen du auf Instagram oder Facebook hast, sondern wen du um zwei Uhr morgens anrufen kannst. 

Links und Quellen: 

Titelbild: Privat

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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