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Mit Kindern über den Tod sprechen
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Das kleine Einmaleins des Sterbens

Oma liegt im Sterben. Die Kinder bekommen das mit. Gerade erst in die Welt geschlüpft, muss ihnen erklärt werden, warum ein Familienmitglied bald nicht mehr da ist. Jetzt stellt sich die Frage, wie mit Kindern darüber reden? Wie vorbereiten? Und wie trauern sie? Ein Ratgeber, um nicht länger von der Regenbogenbrücke sprechen zu müssen.

Hier ein paar irritierende Ausdrucksweisen bzw. beschönigende Umschreibungen, die du in der Kommunikation mit deinen Kindern zum Thema Tod lieber vermeiden solltest und wie du’s besser machen kannst:

Klar. Als Kind, ganz logische Schlussfolgerung: Aha, Schlaf und Tod sind ident. Einschlaf- oder Schlafstörungen können die Folge sein oder die Angst, dass es selbst oder ein Geschwister- bzw. Elternteil im Schlaf verschwindet oder nicht mehr aufwacht.

Sag lieber „Opa ist friedlich gestorben“. Diese Formulierung betont den friedlichen Aspekt des Todes. Wie schön, wenn man so sterben darf!

Für Kinder ist das erstmal eine große Enttäuschung. Papa ist gegangen, ohne Tschüss zu sagen? Ja und dann warten sie auf dessen Rückkehr. Keine gute Idee.

Wie wärs mit Papa ist gestorben. Das bedeutet, dass sein Körper nicht mehr funktioniert und er nicht mehr bei uns sein kann.“

Es kann für junge Kinder sehr schwierig sein, diese Aussage mit der Tatsache der Beerdigung in Einklang zu bringen. Wie kann man gleichzeitig im Grab und im Himmel wohnen?

Was wäre stattdessen mit „Mama ist gestorben und wird nicht mehr bei uns sein. Auch wenn wir sie sehr vermissen werden, wird sie immer einen besonderen Platz in unseren Herzen haben.“

Bei dieser Erklärung scheint ja alles zu passen. Naja, nicht ganz. Sie kann bei deinem Kind Verunsicherung und Angst vor Krankheiten auslösen. Es ist wichtig, zu erklären, dass nicht jede Krankheit zum Tod führt, sondern dass es Krankheiten gibt, die so schwer sind, dass Menschen daran sterben können.

Du könntest auch sagen: „Tante Petra ist gestorben, weil ihr Körper sehr schwach war. Sie ist jetzt an einem friedlichen Ort, wo sie keine Schmerzen mehr hat.“

Verlieren kann man einen Gegenstand. Die erste Reaktion von jungen Kindern, wenn sie das hören? Erstmal Oma suchen. Klar! Etwas Verlorenes lässt sich durch Suchen schließlich wieder finden, das muss dann bei toten Menschen auch so sein, oder? Leider nein.

Sag doch stattdessen lieber folgendes: „Oma ist leider gestorben. Ihr Körper funktionierte nicht mehr und sie konnte nicht mehr bei uns sein. Aber die Erinnerungen an sie und die Liebe, die sie uns gegeben hat, werden immer in unseren Herzen bleiben.“

Leider war das so. Aber es ist möglich, dass es bei Kindern die Phantasie auslöst, dass jeder Mensch, der im Krankenhaus liegt, dort auch stirbt. Wenn dein Kind selbst einmal ins Krankenhaus muss, kann das große Ängste auslösen.

Versuche lieber klar zu kommunizieren, dass Mama krank war: „Mama ist gestorben, weil sie sehr krank war und ihr Körper nicht mehr stark genug war.“

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Warum ist Papa weggegangen? Hat er uns nicht mehr lieb? (Foto: Canva/Ron Lach)

4. Anschnallen, bitte!

Sei der Sicherheitsgurt, der dein Kind in der Gefühlsachterbahn festschnallt und auffängt, wenn die Kurve plötzlich vertikal bergab geht und hinter der nächsten ein nicht einsehbarer Looping wartet. Besonders in Zeiten des Verlusts, brauchen Kinder Sicherheit und Routine.

Versuche deshalb klare Strukturen und eine vertraute Umgebung aufrechtzuerhalten, um ein Gefühl von Stabilität zu fördern. Auch wenn das Kartenhaus gerade in sich zusammengefallen ist.

5. Fragen über Antworten über Fragen

Sei bereit. Sei bereit, bombardiert zu werden. Bombardiert mit Fragen, bei denen du dich möglicherweise selbst erst auf die Suche nach Antworten begeben musst. Kinder wollen die Welt um sich herum verstehen. Erkläre sie ihnen. Sei geduldig. Betrachte ihre Neugier als etwas Positives.

Vielleicht hilft es auch dir, gemeinsam mit deinem Kind über dieses ungreifbare Ereignis namens Tod zu philosophieren und möglicherweise auch deine eigene Trauer über einen verstorbenen Menschen zu verarbeiten.

6. Weißt du noch? Damals?

Ein vertrauter Mensch, eine Bezugsperson, ein Bruder, ein Vater, eine Oma ist plötzlich nicht mehr da. Von einem Tag auf den anderen. Eine geliebte Person mit ihren individuellen Fähigkeiten, Eigenarten, Gerüchen und Besonderheiten. Der:die aufmerksamste Zuhörer:in, kreativste Geschichtenerzähler:in, weltbeste Keksbäcker:in, schlechteste Autofahrer:in, allerallerbeste Umarmer:in der Welt.

Umso schöner ist es, wenn man gemeinsam versucht, positive Erinnerungen an die verstorbene Person zu teilen. Ermutige Kinder dazu. Das kann helfen, den Fokus auf die schönen Momente zu lenken und den Verlust als Teil eines reichen Lebens zu betrachten.

Wichtig ist hier, dass du dir und deinen Kindern Zeit gibst. Anfangs kann das sehr schmerzhaft sein. Aber es ist schön, an die Person mit ihren Besonderheiten zu denken und an das gemeinsam Erlebte zu erinnern.

Junge Umarmt Grossmutter (Foto: Canva/Images)
Die allertollste und beste Umarmerin der ganzen Welt! (Foto: Canva/Images)

7. Unterstützung? Ja bitte!

Wenn du merkst, dass dein Kind doch Probleme hat, mit der Trauer eines verstorbenen Verwandten umzugehen, suche dir professionelle Beratung oder Unterstützung in deinem Umfeld – sei es von anderen Eltern, Lehrer:innen oder Psycholog:innen.

Stelle sicher, dass dein Kind die erforderliche Betreuung bekommt, die es braucht.

Hörempfehlung:

Wenn ein Elternteil oder ein Kind an Krebs erkrankt, ist es genauso wichtig, offen und ehrlich mit Kindern darüber zu sprechen. Aber wie ansprechen, wie erklären und was beachten? Sie sollen nicht überfordert werden, auf der anderen Seite verdienen sie die Wahrheit. In unserem Podcast „Let’s talk about Krebs, Baby!“ geht es im Gespräch mit Agathe Schwarzinger um das Thema „So sagst du es deinen Kindern.“

8. Kommunikationskanäle auf Standby

Der Prozess der Trauerverarbeitung kann langwierig sein. Und wie. Manchmal findet er sogar nie ein Ende bzw. einen Abschluss. Tipps und Erfahrungen zur Bewältigung gibt’s in unserem Artikel „Trauern 101: Wie du mit dem Tod von Angehörigen umgehst“.

Kinder können ihre Emotionen im Laufe der Zeit unterschiedlich ausdrücken. Lass daher deine Kommunikationskanäle im Standby-Modus und schalte sie wieder an, wenn dein Kind Fragen hat und über die Trauer sprechen möchte. 

Der Tod ist eine komplexe Realität. Eine ziemlich beschissene Realität. Man braucht Zeit, Tod zu verstehen und zu verarbeiten. Kinder oft noch mehr. Sie brauchen unsere Unterstützung und unser Verständnis, um mit diesem schweren Thema umgehen zu können. Wir haben die Verantwortung und die Möglichkeit, das Tabuthema Tod bei unseren Kindern zu durchbrechen, damit sie einen gesunden Umgang dazu entwickeln.  

Links und Quellen:

Titelfoto: Canva/Matheus Bertelli

Über die Serie

Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.

Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.

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