
Die Ode an das Leben und die Farben
Das Farbspektrum ist symbolisch für die Vielfalt des Lebens. Nicht jede:r muss alle ausprobieren, aber eine Farbe zu ignorieren, ist selbstbegrenzend. Was folgt, sind zwei Versuche, die Wichtigkeit der Lebensfarben mit Leuchtmarkern zu highlighten – von einem Menschen, der vor hat, alle auf der eigenen Haut zu erleben.

Mir wurde aufgetragen, eine Ode an das Leben und die Farben zu schreiben. Primär, um einen trashigen Social-Media-Post zu komplementieren. Sekundärgründe gibt es, soweit ich weiß, keine.
Nun denn.
Ich mag die Farbe Blau.
Ich mag auch die Farbe Rot.
Aber am meisten mag ich die Farbe Grün.
Ich mag generell Farben.
Ja, durchaus.
Lebensfarben, besonders.
Ich habe manchmal das Gefühl, mein Auftrag auf dieser Ellipse ist es, alle Lebensfarben kennenzulernen.
Die dunklen und die hellen. Gleichermaßen.
Ist nicht einfach.
Ich meine viel erlebt zu haben.
Was mich aber wirklich beschäftigt, ist, was ich noch nicht erlebt habe.
Wenn jemand sagt, er:sie hat dies:das erlebt und ich hab das noch nicht erlebt, ist es meine unmittelbare Reaktion, neidisch zu sein.
Dann beruhige ich mich.
Und speichere es im Archiv.
So viel zu erleben.
“Ich war noch nie in Nordkorea”.
“Ich hab noch nie eine Mütze gestrickt”.
“Ich hab noch nie eine Bratkartoffel in Nutella getaucht”.
So viel zu tun.
“Ich hatte noch nie Sex in einer Bibliothek”.
*Schluck*
Dieses Trinkspiel geht mir auf die Nerven.
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Ich geh vor die Tür und schau mir leicht beschwipst die Sterne an.
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Sind heute irgendwie mehr als sonst.
Schön, dass es Sterne gibt.
Oder vielleicht sind sie schon tot.
Die sind ja so weit weg, dass man nie genau weiß, wie alt dieses verdammte Licht ist.
Sie scheinen weiß, leicht gelblich, irgendwie abgestanden.
Eigentlich assoziiere ich Gelb nur positiv.
Mit der ollen Sonne.
(Ich vermisse sie)
Den Simpsons.
(Sollten sie endlich absetzen)
Und mit Mayonnaise-Verpackungen.
(Mmmmh, Mayonnaise)
Das Licht vom Mars hingegen hat einen leichten Rotstich.
Vielleicht haben die Römer deswegen den Mars als Kriegsgott auserkoren.
Blut – Wut – Krieg – Rot.
Ich denke mehr an Liebe und Leidenschaft.
So richtig verliebt war ich noch nie.
Wie sich wohl echte Leidenschaft anfühlt?
So viel zu tun.
Der Nachbar gegenüber hat seinen Weihnachtsschmuck noch nicht abgehängt.
Leute wie er sind der Grund für die Energiekrise.
Zur Abwechslung hat er zwischen die Plastikschneemänner einen 80er-Neon-Flamingo gestellt.
Pink ist witzig.
So penetrant. So grell. So unernst. So lebensfroh.
Ich bin irgendwie gar nicht lebensfroh in letzter Zeit.
Ich spiele “Ich hab noch nie” mit Freunden, die ich schon so lange kenne, dass ich ganz genau weiß, was sie noch nie haben.
Hmpf.
Ich vermiss die Sonne.
Ich sollte südwärts fliegen.
Wie die Flamingos.
Die wissen, wie man lebt.
Mit knalligem Federkleid.
Wann habe ich das letzte Mal etwas Buntes getragen?
Warum habe ich immer den gleichen dunkelblauen Pulli an?
Meine Wohnung schaut aus wie jede andere.
Die Wände sind eierschalenweiß, wie im Krankenhaus.
Die Nachbarhäuser sind auch alle grau.
Bis auf das vom Energiekrisen-Nachbar.
Ach, eigentlich hat er doch recht.
Scheiß auf übermäßigen Stromverbrauch. Farben braucht’s.
Ich brauch Farbe, ich bin blasser als ein neugeborenes Baby.
Ich hab nur weiße Freunde.
Ich hatte noch nie einen braunen Freund aus Tadjikistan.
Ich hab noch nie ein Chamäleon gestreichelt.
Ich hab noch nie meine Freunde rausgehauen.
So viel zu tun.
Es reicht.
Ich hau meine langweiligen Freunde raus.
Und flieg Richtung Süden.
Zu den echten Flamingos.
Sag ihnen Danke.
Weil sie mir gezeigt haben, wie man lebt.

Zum Weiterlesen:
- David’s verschrobenes Hirn
- Interview mit dem österreichischen Schauspieler Manuel Rubey über Humor, Depressionen und Krebs
Credits:
- Titelbild: Pixabay
- Überschriften-Header: Canva/David Splitt
- Porträtbild: David Splitt
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