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Metastasierter Brustkrebs
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„Ich lerne gerade, Nein zu sagen“

Zwei Tage nach dem Tod ihrer Mutter erhält Eva die Diagnose Brustkrebs. Eigentlich sollte Zeit zum Trauern sein. Doch sie muss die Krankheit in den Griff bekommen. Zum Verzweifeln? Nicht für Eva.

Seite 2/2: Wie positiv bleiben bei metastasiertem Brustkrebs? Wie zu sich selbst finden?

„Gott sei Dank haben wir beide keine genetische Vererbung“, erzählt Eva vom Ergebnis der Gentests. Sie ist erleichtert. „Das Risiko eines Rezidivs läge in diesem Fall bei 60 Prozent“, sagt Eva. „Ein vererbbarer Prostatakrebs hätte auch die Söhne meiner Brüder betroffen.“ Für sie selbst hätte es bedeutet, die Eierstöcke entfernen lassen zu müssen.

Tritt die gleiche Krebsart in einer Familie mehrfach und über mehrere Generationen auf, könnte es sich um einen vererbbaren Krebs handeln. Vor allem, wenn die Diagnosen früh im Leben auftreten. Mit humangenetischen Tests kann dies überprüft werden. Suche nach einem Institut für Humangenetik, um dich testen zu lassen.

La vie est belle – trotz Krebs

Bereits nach der Operation wird ihr Tumorgewebe einem Test unterzogen. „In meinem konkreten Fall ist der Nutzen der Chemotherapie sehr gering“, erzählt Eva. Deshalb erhält sie eine Antihormontherapie. Außerdem bekommt sie seit der Diagnose der Metastase eine monatliche Spritze für ihre Knochen und ein zellteilreduzierendes Medikament. Letzteres dient dazu, den Krebs am Wachsen zu hindern, schränkt aber auch ein.

„Die Medikamente gehen stark auf das Blut- und Immunsystem, und ich merke die Bestrahlung der Lunge“, sagt Eva. „Ich bin nicht mehr so leistungsfähig und schnell erschöpft.“ Dazu kommen depressive Situationen. „Dennoch habe ich eine positive Grundeinstellung. Ich stecke nicht den Kopf in den Sand“, sagt sie. „Ich will eine gewisse Kontrolle wieder bekommen.“

„Meine Eltern sind immer mit Stolz und Selbstachtung durchs Leben gegangen, auch während der Krebserkrankung. La vie est belle, das Leben ist schön – das haben sie mir vorgelebt.“
Eva Hartmann

Body-Mind-Soul-Gleichgewicht

Auf noch einer dritten Ebene hat Eva viel Erfahrung. Sie weiß, ihre inneren Energiequellen anzuzapfen – für ihr „Body-Mind-Soul-Gleichgewicht“ zu sorgen, wie sie selbst sagt. So schnappt sie sich knapp zwei Jahre nach der Diagnose, im Herbst 2022, den Campingvan ihrer Ehefrau und fährt los.

Im umgebauten VW-T6-Bully will sie erst nach Frankreich. „Dann habe ich mich aber treiben lassen“, sagt sie, und landet in Holland. „Drei Tage lang habe ich mir Van-Gogh-Bilder angesehen.“ Sie nimmt am Onlinekurs einer deutschen Coachin teil. „Heart Wide Open“ heißt er. Eva schreibt viel. Unter anderem an der Blaupause für eine erfüllende Beziehung.

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„Meine Eltern sind leuchtende Beispiele für mich“, erzählt Eva. Sie geben ihr Rückhalt beim Bewältigen der Krebserkrankung, auch wenn sie nicht mehr am Leben sind. (Fotos: Privat)

„Ich hatte eine tiefe, einschneidende Zeit“, sagt Eva über die Reise ganz allein, auf der sie letztendlich doch nach Frankreich, bis in die Normandie und Bretagne kommt. Vier Wochen einer Reise zu sich selbst. Die raue Seeluft, Meerestiere und Fischplatten als krönende Highlights.

„Du bestimmst, wie du dein Leben gestaltest.“
Eva Hartmann

Auf Augenhöhe begegnen

„Früher bin ich durch den Job zeitlich sehr fremdbestimmt gewesen, jetzt entscheide ich über meine Zeit, mein Leben“, sagt Eva. „Ich lerne gerade, Nein zu sagen, das gibt mir viel positive Energie.“ Von ihrer Betreuerin bei der Hamburger Krebsgesellschaft erfährt sie vom „Verein LebensHeldin!“.

Sie nimmt an einem zweitägigen Workshop teil. „Ich wusste nicht so genau, was mich dort erwartet; hatte eher eine abwartende Haltung“, erzählt Eva. „Danach bin ich mit 150 Prozent turbomäßig aufgeladenem Akku völlig beglückt und lebensmutig wieder heimgefahren.“ Vor allem die Begegnungen auf Augenhöhe beflügeln sie emotional.

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„Es ist nicht die klassische Selbsthilfe, sondern ein Weg zur Persönlichkeitsentwicklung für Seele und Herz für Frauen mit und nach einer Brustkrebserkrankung“, sagt Eva über „LebensHeldin!“ (Foto: Martina van Kann)

„Es gibt so viele Neuerkrankungen, es brauchen so viele Hilfe, deshalb müssen mehr Frauen davon erfahren.“ Eva ist mittlerweile Botschafterin des Vereins. Besonders liegt ihr die „Sisterhood“ am Herz, aktuell 19 lokale Gruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit monatlichen Treffen. „Viele Erkrankungen sind heilbar“, ermutigt sie Betroffene und motiviert, sich über die eigene Erkrankung zu erkundigen und zu informieren, wie sie es damals getan hat. „Mit Ärzt:innen sprechen können fördert Selbstbewusstsein.“

„Ich werde einen Kompromiss finden müssen“

Eva will wissen, wie lange sie noch zu leben hat. „Sind es 30, 20, 15 Jahre?“, fragt sie ihr ärztliches Team. „Bei den Therapien, die ich erhalte“, erzählt sie, „leben laut Statistik nach fünf Jahren noch 50 Prozent der Frauen.“ Nach ihrer Onkologin könne sie auch zehn Jahre schaffen, oder mehr. Es könnte aber auch nur ein Jahr sein – in Wahrheit weiß es niemand.

„Ich möchte keine lange Kampfstrecke, sondern das Leben genießen, besonders lange – da werde ich einen Kompromiss finden müssen.“ Heute fährt Eva mit ihrem kleinen Sportwagen aus, einem grausilbernen MX-5, oder macht Spazierfahrten mit Fahrrad durch die Natur. „Ich habe die starke Hoffnung, die 15 Jahre zu erleben“, sagt sie. „Ich plane nicht besonders weit in die Zukunft. Möchte lieber mehr in meine innere Mitte kommen, im Hier und Jetzt leben, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche.“

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