Danas Balanceakt zwischen Krankheit, Kindheit und Erwachsenwerden
Sehnst du dich danach, „einfach wieder Kind“ sein zu können – unbeschwert, ohne Sorgen und Verpflichtungen? Für Dana eine Schreckensvorstellung. Die zweifache Mutter erzählt von ihrer verpassten Jugend durch ihre Krebsdiagnose mit 13. Und von einer neuen Diagnose, jetzt, 16 Jahre später.
Dana König ist heute 29 Jahre alt, seit 2018 Mama von zwei wunderbaren Mädchen und ehemalige und rezidivierende Krebspatientin. Was letzteres bedeutet? Der Krebs ist wieder zurückgekehrt. Aber später mehr dazu.
Ihre Reise begann im März 2008. Mit nur 13 Jahren erhielt sie die plötzliche Diagnose „Rhabdomyosarkom am Kaumuskel“. Statt Schulbank drücken, Freund:innen treffen und Spaß haben stand von einem Tag auf den anderen „Krankenhaus“ auf dem Programm. Die intensive Behandlung in der Uniklinik Göttingen veränderte ihr Leben für immer, wie sie uns erzählt.
Was Dana aus ihrer frühen Krebserfahrung gelernt hat und wie es ihr heute geht? Sie hat für uns ausgepackt.
Stimme aus der Community: Verpasste Jugend
Jugendliche mit Krebs befinden sich in einer ambivalenten Situation. Sie werden rasant ins Erwachsenenalter katapultiert, während sich die Freund:innen normal weiterentwickeln. Stattdessen verbringen sie diese wichtige Zeit der Veränderung in einer Klinik und können nur die Allervertrautesten an sich ranlassen.
In unserer Serie interviewen wir drei Personen dazu, wie sie diese Zeit mit Krebs erlebt und bewältigt haben, und welche Wege sie dazu führten, ihre Jugend trotz Krebs auszuleben.
Wie hast du diese Zeit mit Krebs erlebt und bewältigt?
Die ersten sechs Monate erhielt ich eine Intensiv-Chemotherapie und verbrachte die meiste Zeit isoliert im Krankenhaus. Der Kontakt zu meinen Freund:innen und zur Schule brach größtenteils ab, und meine Mitschüler:innen schrieben mir wöchentlich Briefe, die mir immer wieder Hoffnung und Freude brachten.
Die Zeit mit Krebs war eine der schlimmsten in meinem Leben und ich musste lernen, damit umzugehen. Es war wie ein Wurf ins kalte Wasser. Man hat keine Zeit zum Nachdenken und hofft einfach auf möglichst wenige Nebenwirkungen. Leider hatte ich viele davon. Die Schmerzen und Nebenwirkungen waren kaum auszuhalten.
Durch die Medikamente wurde auch meine Pubertät gestoppt, was sowohl körperliche als auch psychische Folgen hatte. Ich wollte mich weiblich fühlen, aber der Haarverlust und das Ausbleiben meiner Periode machten das schwierig. Auf der einen Seite war ich noch ein Kind und brauchte die Unterstützung meiner Eltern, auf der anderen Seite verstand ich genau, was die Krankheit bedeutete und dass die Möglichkeit besteht, vielleicht nie wieder gesund zu werden.
Der Verlust meiner Haare war mir peinlich und ich schämte mich vor meinen Freund:innen.
Tatsächlich half mir eine Reha nach der akuten Phase sehr. Der Austausch mit anderen Jugendlichen, die ebenfalls an Krebs erkrankt waren, war unglaublich wertvoll. Es war wichtig, mich mit Gleichgesinnten auszutauschen und mich so weniger allein zu fühlen. Ich bin immer offen mit dem Thema umgegangen und habe viel darüber gesprochen. Diese Offenheit war für mich eine Erleichterung und half mir, meine Probleme zu verarbeiten.
Welche Wege hast du gefunden, deine Jugend trotz Krebs auszuleben?
Nach der Intensivtherapie, etwa acht Monate nach der Diagnose, kehrte ich recht schnell zur Schule zurück und versuchte, das „normale“ Leben weiterzuführen. Meine Haare begannen wieder zu wachsen und sobald es mir körperlich wieder besser ging, begann ich, mich mit Freund:innen zu treffen. Anfangs heimlich, wegen der Infektionsgefahr, aber meine Eltern merkten es schnell und ließen mich dann gewähren. Sie waren froh, dass ich wieder die Kraft dazu hatte.
Diese Erfahrungen lehrten mich, die kleinen Dinge im Leben mehr zu schätzen und jeden Tag, an dem ich aufstehen kann, als Geschenk zu sehen.
Was hast du gelernt und kannst du an andere Betroffene weitergeben?
Die Krankheit hat mich reifer, sensibler und ängstlicher gemacht, aber auch stärker und hat mich schneller erwachsen werden lassen. Nun, mit 29 Jahren, stehe ich erneut vor der Herausforderung, an Krebs erkrankt zu sein – diesmal Brustkrebs. Die erneute Chemotherapie riss mir den Boden unter den Füßen weg, und ich musste für mein eigenes Leben und das meiner Kinder kämpfen.
Aus dieser Krankheit habe ich gelernt, dass es jeden zu jeder Zeit treffen kann, egal ob man gesund lebt oder nicht. Man sollte jeden Moment genießen und dankbar für die Dinge sein, die man hat und machen darf. Nichts im Leben ist selbstverständlich! Das Leben ist zu kurz, um es aufzuschieben. Wenn man sich etwas vornimmt oder einen Wunsch hat, sollte man es einfach machen!
Mein Rat an andere Betroffene ist, sich nicht zu verkriechen, sondern ins normale Leben zurückzukehren. Alltag und Routinen sind wichtig, und vielleicht hilft ja auch psychologische Unterstützung. Ich habe damit während meiner Jugend sehr positive Erfahrungen gemacht.
Es lohnt sich zu kämpfen, egal wie hoffnungslos alles erscheint. Es gibt immer einen Weg. Freue dich über jeden Tag, an dem es dir gut geht, und genieße die Zeit mit deinen Liebsten.
Weiterführende Links
- Du brauchst Informationen über Kinderkrebs, Beratung und Hilfe? Mehr Infos findest du bei der Deutschen Kinderkrebsstiftung.
- Finanzielle Unterstützung, Beratung und Information über Behandlungsmöglichkeiten und Unterstützungsangebote für betroffene Familien erhältst du bei der Hilfe für Krebskranke Kinder e.V.
- Informationen über Kinderkrebs, Spendenmöglichkeiten und Unterstützung für betroffene Familien in Österreich gibt’s bei der Österreichischen Kinderkrebshilfe.
- Weitere Anlaufstellen haben wir auf unserer Webseite für dich gesammelt.
Titelbild: Getty Images Signature/Emily Norton
Über die Serie
Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.
Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.