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Gechmacksstörung bei der Krebsbehandlung
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Krebs schmeckt nicht

Völlig gestört? Wenn es um Monikas Geschmackswahrnehmung während der Chemo geht, kann sie diese Frage mit „JA“ beantworten. Seifiger Geschmack im Mund, seltsame Gelüste und Wasser, das plötzlich süß schmeckt. Oberarzt Dr. David Kuczer erklärt zusätzlich die medizinischen Hintergründe.

OA Dr. David Kuczer (Facharzt für Strahlentherapie und Radioonkologie)
OA Dr. David Kuczer (Foto: David Kuczer)

OA Dr. David Kuczer ist Facharzt für Strahlentherapie und Radioonkologie und behandelt seine Patient:innen über die Amethyst Radiotherapy an der Wiener Privatklinik.

Das sagt die Fachwelt

Oberarzt Dr. David Kuczer, Facharzt für Strahlentherapie und Radioonkologie, erklärt, wie es zu Geschmacksveränderung während einer Krebsbehandlung kommen kann. Diese Art der Nebenwirkung kann sowohl bei einer Chemo als auch bei einer Strahlentherapie im Kopf- und Halsbereich auftreten.

Die Chemotherapie kann die Schleimhäute schädigen – vom Mund bis hin zum Darm kann alles betroffen sein. Aus diesem Grund bekommen Patient:innen auch während einer Behandlung gelegentlich Durchfall. Die Behandlung nimmt also nicht nur den Krebs mit, sondern gleich alles, was in deinem Körper ist. Sie kann auch die Nerven schädigen. Ein typisches Zeichen dafür sind neben der Geschmacksveränderung auch Symptome wie Taubheit und Kribbeln an den Händen – als ob tausende Ameisen auf dir kribbeln würden. Auch Mundtrockenheit, die eine Folge der Behandlung sein kann, führt möglicherweise zu einem anderen Geschmacksempfinden. Besonders betroffen von Nebenwirkungen sind Menschen mit einer schlechten Durchblutung wie z.B. alte Menschen und Patient:innen mit Diabetes.

Wichtig ist, dass Patient:innen auf ihre Mundhygiene achten. Am besten sollten sie zwei bis dreimal täglich ihre Zähne mit einer weichen Zahnbürste putzen. Zusätzlich sind spezielle Mundspülungen und Gurgeln mit entzündungshemmenden Tees wie Salbei empfehlenswert. Pro-Tipp: Harte Speisen wie Schnitzel oder Brot auf dem neuen Speiseplan vermehrt durch Brei und Kartoffelpüree ersetzen. Die Speisen sollten auch nicht zu scharf oder zu heiß sein. Dr. Kuczers empfiehlt hier angetautes, weiches Vanilleeis. Für chronische Mundtrockenheit nach einer Strahlenbehandlung hilft auch kauen, kauen, kauen! Am besten Kaugummis mit milder Säure wie Orange, Zitrone oder Lakritze besorgen.

Generell empfiehlt Dr. Kuczer, die Behandlung der Nebenwirkungen so nah an den Lebensrealitäten der Menschen zu gestalten, wie nur möglich. Je stärker die Chemo, desto eher brechen Menschen die Behandlung auch wieder ab. Ein wichtiges Ziel ist es auch, das Gewicht der Patient:innen zu halten.

Falls du selbst gerade in der Behandlung steckst und mit Geschmacksveränderungen zu kämpfen hast, gibt es Hoffnung. Normalerweise regeneriert sich dein Geschmacksempfinden nach einigen Monaten wieder. Nur in ganz seltenen Fällen ändert es sich für immer.

Kurvenkratzer-Checkliste zu Geschmacksstörungen
Eine Checkliste ganz nach deinem Geschmack.

Ende gut, alles gut?

Auch Monika kann nach einem Jahr deutliche Verbesserungen spüren. Ihr Mund tut gelegentlich aber immer noch weh. Die Schleimhaut ist noch gereizt. Das merkt sie zum Beispiel beim Zähneputzen. „Es fühlt sich nicht frisch an – so wie man es gewohnt ist – sondern muffig.“  Das Gefühl ist schwer zu beschreiben, gibt sie zu. Sehr saure und scharfe Sachen kann sie nicht essen.

Eine zusätzliche kuriose Vorliebe hat sie seit der Behandlung dazu gewonnen: Gemüsepulver. (Nein sie ist nicht schwanger, was man bei diesen Gelüsten vermuten könnte.) Manchmal steckt sie sich einen Löffel in den Mund und findet das lecker. „Das ist eigentlich total eklig“, gibt sie zu. Wenn’s schmeckt, dann schmeckt es eben. Wir urteilen nicht.

Was Monikas Herz (oder Hirn?) nicht mehr will, ist Tiefkühlpizza. Auch nicht, wenn es nach einem harten Tag mal schnell gehen soll. Seitdem ihr Mann nach der Chemo eine gemacht hat und die so scheußlich bitter geschmeckt hat, kann sie keine mehr essen. Sie gibt nüchtern zu: „Es ist nicht das Schlimmste, was einem passieren kann“. Trotzdem blöd.

So eine richtige Lösung, die bei der breiten Masse der Patient:innen funktioniert, gibt es nicht. Auch Monika rät: „Durchprobieren und essen, was gut tut!“ Für sie waren das vor allem fettige Gerichte. Griessuppe, Nudeln mit Öl. Zum Trinken gab es dann Milch, Sahne oder Kefir. Was ihr auch gut getan hat, war Sauerkirschsaft.

Auch von den Pfleger:innen bekommt sie Tipps. Ingwerwasser gegen die Übelkeit, Bonbons lutschen, oder gefrorene Ananas. Viel geholfen haben diese Hacks allerdings nicht. Den einzigen Effekt, den Monika spürte, war die Ratlosigkeit, warum es nicht besser wird.

Was sie auch oft gehört hat: „Du musst dir Zeit geben, um zu heilen.“ Ein schwierig umzusetzender Ratschlag, wenn Geduld nicht gerade zu deinen Kernkompetenzen gehört. Und was, wenn es nie wieder so wird, wie es einmal war? Nur die Zeit wird uns – und vor allem Monika – die Antwort auf diese Frage geben.

Das ultimative Drei-Gänge-Menu für Geschmacksverirrte

Wie auch fast alles andere im Leben, sind Geschmacksveränderungen eine individuelle Angelegenheit. Aber die folgenden drei Rezepte haben sich pauschal bewährt. Unter anderem weil sie eine Armada an Beschwerden lindern, die durch die Therapie hervorgerufen werden können.

Vorspeise: Kartoffel-Avocado-Cremesuppe

Hilft gegen: Durchfall, Geschmacksveränderungen, Kau-/Schluckbeschwerden, Sodbrennen

Zutaten:

  • 50 g Kartoffel
  • 50 g Avocado
  • 25 g Sahne (30 % Fett)
  • 15 ml Milch (3,5 % Fett)
  • 10 ml Rapsöl
  • Salz, Muskat

Zubereitung:

  • zuerst die Kartoffel schälen, waschen und vierteln
  • dann in kochendem Salzwasser 25 Minuten garen
  • die Avocado halbieren, den Kern logischerweise entfernen, das Fruchtfleisch smooth herauslösen und klein schneiden – you know the drill!
  • Kartoffelstücke, Avocado, Sahne, Milch und Rapsöl zu einer gleichmäßigen Masse pürieren – mhhhhhmmm!
  • in einem Kochtopf erhitzen und mit Salz und Muskat abschmecken – voilá!

Hauptspeise: Rührei mit Kürbiseinlagen

Hilft gegen: Bauchkrämpfe, Durchfall, Geschmacksveränderungen, Kau-/Schluckbeschwerden, Mukositis, Mundtrockenheit, Sodbrennen, Übelkeit und Erbrechen, Veränderungen des Speichelflusses

Zutaten:

  • 4 Eier 
  • 50 ml Milch (3,5 % Fett)
  • 100 g Hokkaidokürbis
  • 10 g Butter
  • Pfeffer, Muskat, Salz
  • Frische Kräuter nach Wahl

Zubereitung:

  • Gemüseeinlage:
    • Kürbis in kleine Würfel schneiden, in einer beschichteten Pfanne mit 10 g Butter kurz andünsten bis der Kürbis schön weich ist.
  • Rührei:
    • Die aufgeschlagenen Eier mit Milch und Gewürzen mit einem Schneebesen vermischen, zum Kürbis dazu geben und stocken lassen.
    • Am Schluss noch nach Belieben mit den frischen Kräutern verfeinern.
    • Das war’s auch schon. Genieß es!

Nachspeise: Beeren-Smoothie

Hilft gegen: Appetitlosigkeit, Fatigue, Geschmacksveränderungen, Kau-/Schluckbeschwerden, Mukositis, ungewollten Gewichtsverlust

Zutaten:

  • 75 g Himbeeren
  • 75 g Heidelbeeren
  • 75 ml Wasser
  • 75 ml Trinknahrung fruit Himbeere
  • 3 EL Blütenhonig ≙ ca. 60 g
  • 125 g Magerquark
  • 2 EL Haferflocken, blütenzart ≙ ca. 20 g

Zubereitung:

  • Beeren waschen.
  • Alle Zutaten zusammen in einem hohen Gefäß pürieren.
  • That’s it!

Quellen:

  • Interview: OA Dr. David Kuczer
  • Interview: Monika Doppler

Titelbild: Monika Doppler

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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