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Das Gesundheitswesen schreibt Tagebuch
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Liebes Tagebuch! Es geht mir prächtig. Not.

Was, wenn das Gesundheitswesen ein echtes Wesen wäre – mit Gefühlen und Bedürfnissen wie du und ich? Genau: Es wäre überlastet. Burnout. In unserer neuen Serie begibt sich dieses Wesen auf eine Suche nach Lösungen. In diesem Tagebucheintrag beschreibt es, wie seine Odyssee beginnt.

Okay. Also ein Burnout. Und jetzt?

Bei der nächsten Session hat die Therapeutin mir noch eine letzte Frage gestellt. Ganz banal eigentlich – aber sie sollte alles verändern: “Was sind deine Stressoren?” Dann gab sie mir eine Aufgabe: Finde heraus, was dich überfordert, dann packst du dein Problem an der Wurzel. Mein erster Gedanke natürlich: Klingt wie ein Witz, wenn dein ganzes Leben eine einzige Überforderung ist. Ich gehe am Zahnfleisch, jetzt soll ich auch noch Selbstforschung betreiben.  

Illustration: Ein zugeklapptes Tagebuch. Ein Bonsai-Bäumchen. Und eine Uhr. Die Zeiger stehen nach unten, wie ein trauriger Mund.
Illustration: Lena Kalinka

Aber dennoch… Ich war neugierig. Und es schien mir eine gute Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen. Aus dem täglichen Rad auszubrechen. Also ließ ich mich freistellen und legte los. Zwei Tipps gab mir die Therapeutin noch mit auf den Weg. Erstens: Suche nicht nur nach Fehlern. Beachte auch das Schöne. Was bringt dich weiter? Und zweitens: Schreibe Tagebuch. Halte fest, was du über dich herausfindest. Ich: Das mache ich schon. Sie: Sehr gut. 

Ich stehe am Anfang meiner Reise, und fühle mich wie am ersten Schultag.

Es wird kurz kitschig

Da bin ich nun also. Ich stehe am Anfang meiner Reise, und fühle mich wie am ersten Schultag. Aufgeregt, unsicher. Aber ich habe einen Plan: Ich werde mich mit den Menschen unterhalten, die auf mich angewiesen sind. Die an mir verzweifeln – oder mir das Leben verdanken. Die mich motivieren – oder mich nerven. Tag für Tag, Episode für Episode werde ich mich vorarbeiten. Finger in meine Wunden bohren, bis ich schreie; Glanzmomente feiern, die mich stolz machen.

Bis die Puzzle-Stücke ein Gesamtbild ergeben. Ein Bild, das mir helfen wird, mich selbst zu verstehen (ist das überhaupt möglich?). Das mir zeigt, wo ich mich verbessern kann. Was ich schon richtig gut mache. Und es mir schließlich ermöglicht, einen neuen Weg für mich zu finden. Eine Zukunftsvision. Für uns alle.  

OK, bevor es jetzt kitschig wird – ich lege mal los. Schnall dich an und komm mit, wenn du dich traust. Es wird holprig und spannend. 

Wer ich bin? Ich bin das Gesundheitswesen. 

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Lena Kalinka

Über die Serie

Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.

In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.

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