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Anti-Manipulations-Checkliste
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Medical Gaslighting – Wenn das System dir nicht glaubt

Gaslighting ist eine besonders respektlose Form der Manipulation. Eigentlich kennen wir sie aus Beziehungen, manchmal versteckt sie sich aber auch im weißen Kittel – eine Trennung ist dann keine Option. Was tun? Kurvenkratzer klärt auf.

Wir haben herausgefunden, dass Medical Gaslighting nicht nur eine skurrile Nebenwirkung von zu viel Krankenhauskaffee ist, sondern oft auf systemischen Problemen und der Überlastung des medizinischen Personals basiert. Solltest du aber in der Situation sein und nicht ernst genommen werden, haben wir hier eine Checkliste für dich.

Arzt sitzt mit hängendem Kopf da
Systemische Überforderung kann zu Zeitmangel und Fehldiagnosen führen. Ärzt:innen sind auch nur Menschen. (Foto: Pexels/Jonathan Borba)

1. Sei informiert – Mach dich schlau wie ein:eine Ärzt:in

Bevor du deine Nase wieder einmal in die klinische Bürokratie steckst, bilde dir eine Meinung. Sei ein:eine mündige:r Patient:in. Was sind deine Sorgen? Was erwartest du dir von dem Termin? Was glaubst du, steckt hinter deinen Beschwerden? Wie beeinflussen dich deine Beschwerden im Alltag?

Wenn du gut vorbereitet zum Termin kommst, dann kannst du die Zeit richtig nutzen und Kernfragen stellen. Ärzt:innen haben leider nur begrenzt Zeit, also nutze diese auch richtig.

Tipp: Frage zu Beginn, wie viel Zeit der:die Ärzt:in für dich hat und stelle klar, dass du Fragen hast. Zum Beispiel so: “Wenn Sie zehn Minuten Zeit haben, dann sind diese drei Fragen wichtig für mich.”

2. Werde nicht zum:zur Hypochonder:in – Dr. Google ist nicht dein Seelenverwandter

Mündig und lästig ist nicht dasselbe. Dr. Google ist vielleicht ein „Dr.“ in Anführungszeichen, aber sicher kein Profi. Informieren ist wichtig. Aber nicht jede Kopfschmerzepisode ist gleichbedeutend mit einem Hirntumor. Wenn du wirklich unsicher bist, bitte deinen:deine Ärzt:in darum, dir Ausschließungsgründe für besagte Krankheiten zu nennen.

Tipp: Führe ein Symptomtagebuch. Schreibe dir auf, wann du welche Symptome in welcher Intensität hast.

3. Zu zweit ist man stärker – Hol dir einen:eine Wing(wo)man

Wenn du das Gefühl hast, dass dich niemand ernst nimmt, nimm einen:eine Freund:in mit. Eine Extra-Person kann dir helfen, Fragen zu stellen, emotionalen Beistand leisten oder im schlimmsten Fall als Augenzeug:in fungieren, wenn die Gaslighting-Theatralik beginnt.

4. Zweifle nicht an dir – Du bist kein medizinischer Zirkusclown

Medizinisches Personal hat zwar die Expertise, aber du weißt, wenn sich etwas nicht richtig anfühlt. Lass dich nicht abwimmeln. Wenn du spürst, dass sich etwas falsch anfühlt und dein Leben beeinträchtigt, dann lasse das unbedingt abklären. Das Gespräch sollte keine Einbahn sein.

5. Hole dir Zweit- oder Drittmeinungen – Wenn eine nicht reicht, dann halt zwei oder drei

Wenn du immer noch das Gefühl hast, deine Beschwerden werden bagatellisiert, oder, dass der:die Ärzt:in mit dem Wissen an den Grenzen angekommen ist, dann hole dir eine zweite oder sogar eine dritte Meinung.

medizinisches Personal und Patient:in halten Hände
Systemwandel statt Ärzt:innenshaming! (Foto: Canva/pcess609)

6. Zeige Empathie und Verständnis – Auch Ärzt:innen sind nur Menschen

Wir wissen, das ist schwer zu hören. ABER Ärzt:innen stoßen auch an ihre Grenzen. Das System ist leider nicht perfekt, das könnt ihr auch in unserer Serie “Das Gesundheitswesen schreibt Tagebuch” nachlesen. Unser Gesundheitssystem hat mehr Löcher als ein Schweizer Käse. Geld, Zeit, Personal – es fehlt überall.

Das gesamte medizinische Personal, von Geburtshelfer:innen bis zu Pflegekräften, ist häufig überarbeitet und bekommt selten die Wertschätzung, die es verdient. Selbst der:die allerbeste Ärzt:in muss womöglich feststellen, dass ihm:ihr bei deiner Behandlung die Hände gebunden sind, weil es zum Beispiel keine Spezialist:innen gibt, an die er:sie dich überweisen könnte – oder weil die Wartelisten für die Behandlung viel zu lang sind.

Deswegen ist Systemwandel so wichtig. Wir brauchen strukturelle Änderungen im Gesundheitssystem, damit wir Ärzt:innen ermöglichen, sich mehr Zeit für uns zu nehmen. Bis dahin hast du aber unsere Tipps. Und vergiss nicht: Empathie und Verständnis sind beiderseits erforderlich, damit ein Gespräch auf Augenhöhe stattfinden kann.

Wir haben gelernt, dass…

  • Medical Gaslighting bedeutet, dass man vom medizinischen Personal nicht ernst genommen wird und Symptome heruntergespielt werden,
  • besonders Menschen betroffen sind, die sowieso schon diskriminiert werden,
  • die Geschichte von Frauen und Medizin sehr dunkel ist,
  • die Mängel im Gesundheitssystem zu diesem Problem beitragen und
    wir uns wehren können, wenn wir mündige Patient:innen sind.

Quellen:

Titelbild: Pexels/Karolina Grabowska

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