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Gesundheitswesen im Zeitmaschinen-Check
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Nächster Halt: Gesundheitsfuturismus

KI, Mixed Reality, Blockchain, Gesundheits-Apps, Roboter in Krankenhäusern. Doch welche Innovationen werden sich durchsetzen und unser Gesundheitswesen revolutionieren? Dr. Tobias Gantner hat sich mit in die Zeitmaschine gesetzt. 

Du solltest diesen Artikel lesen, wenn du wissen willst:  

  • Welche Aufträge die „Healthcare Futurists“ im All der Innovationen haben. 
  • Wie eine “Demokratisierung der Gesundheit” erreicht werden kann. 
  • Welche Trends sich vermutlich durchsetzen werden. 

„Ich möchte Menschen dazu in die Lage versetzen, kluge Entscheidungen über ihr eigenes Leben zu fällen“, sagt Tobias Gantner. Klingt nach einer ganz dollen Idee, aber wie soll das funktionieren, wenn man im Universum der Innovationen den Überblick verliert? 

Reise in die Zukunft  

Nach der ersten Staffel dieser Serie, in der das Gesundheitswesen ein Burn-out erlitt und sich auf Ursachenforschung begab, schnallen wir uns jetzt die Raketenstiefel an und fliegen in die Zukunft. Wir stellen Lösungsansätze vor, die unser Gesundheitssystem fit für die Zukunft machen.

Reisen ist anstrengend. Zeitreisen umso mehr. Vor allem, wenn es „volle Kraft voraus, in Richtung Hightech“ heißt. Da kann es einem schonmal den Atem verschlagen. Tobias Gantner dient uns mit seiner Expertise und hilft bei der Beatmung.  

Tobias Gantner (Foto: Ira Kaltenegger)
Tobias Gantner (Foto: Ira Kaltenegger)

Tobias Gantner ist Arzt, Experte für Medizinrecht und Speaker. Er hat einen eigenen Youtube Kanal und einen Podcast. Vor allem aber ist er Healthcare Futurist: Tobias beschäftigt sich intensiv mit Visionen zwischen Medizin, Innovation und Zukunft. Außerdem setzt er sich aktiv für eine Demokratisierung des Gesunhdeitswesens ein.  

In der vierten Folge unseres Podcasts “Gesundheitsrebell:innen” spricht er darüber. 

Vor elf Jahren hat der ehemalige Transplantationschirurg sein eigenes Unternehmen gegründet: die „Healthcare Futurists“. Mit ihnen versucht er, die Zukunft vorherzusagen und mitzugestalten. Das Motto? Nichts weniger als eine Demokratisierung der Gesundheit.

Das Problem? In der endlosen Galaxie von Informationen wissen Patient:innen oft gar nicht, wohin mit all den Auskünften. Und auch das Interpretieren fällt schwer.   

Projekt: Zukunft 

Eines der spannendsten Projekte ist die medizinische Versorgung auf dem Land. In Regionen wie Mecklenburg, Sachsen-Anhalt oder Bayern sieht es düster aus, wenn es um ärztliche Dienstleistungen in ländlichen Gebieten geht. Das Grundgesetz mag zwar Gleichheit der Lebensumstände versprechen, aber die Realität hinkt da weit hinterher.  

Was tun, wenn keine Ärztin und kein Arzt in Sicht ist? In die nächste Stadt beamen? Schön wär’s. Genau hier kommt die „Ohne-Arzt-Praxis“ ins Spiel. Statt einem Arzt oder einer Ärztin übernehmen medizinische Fachangestellte oder Pflegekräfte die Versorgung – unterstützt von digitalen Tools. 

Hand hält Smartphone
Bald Wirklichkeit? Digitale Technologien revolutionieren die medizinische Versorgung auf dem Land. (Foto: Unsplash/Rodion Kutsaiev)

Ein weiteres Projekt ist die „Digitale Residenzpraxis“, die aktuell in Sachsen-Anhalt getestet wird. In zwei Pflegeheimen sorgen Hightech-Geräte dafür, dass die Patient:innen nicht mehr monatelang auf eine fachärztliche Diagnose warten müssen. Stattdessen wandern die Daten in eine Cloud, wo sie dann auf die To-do-Liste eines Kardiologen oder einer Kardiologin hüpfen.  

Veränderung ist großartig, solange für mich alles so bleibt, wie es niemals war.
Tobias Gantner
Healthcare Futurist

Innovationen aus der Vogelperspektive 

Schaut man sich die großen Trends an, wird schnell klar: Die Zukunft wird digital. Ob Blockchain zur sicheren Datenübermittlung oder Künstliche Intelligenz zur Prävention und Diagnose. KI wird laut Gantner bleiben. In Form von Algorithmen agieren wir sogar schon lange damit, bei Spotify oder beim Online-Shopping. 

Besonders bei der Prävention von Krankheiten, speziell auch bei Krebsverdacht, wird KI aber auch eine immer größere Rolle spielen.  „Uns ist auf jeden Fall klar, dass wir Technologien brauchen, die in der Lage sind, sensitive Daten zu verschlüsseln.“, so Gantner.  

Von mehr Selbstverantwortung zur Demokratisierung 

„Technologie führt zu einer Demokratisierung.“, so Gantner. Sprich: Das Auto führte zur Demokratisierung der Mobilität. Macht Sinn. Laut Gantner wird es auch so ähnlich in der Medizin passieren. 

Durch Gadgets, Apps und Wearables sammeln wir unendlich viele Daten, aber es braucht Lösungen, die daraus Muster ableiten können. „Darauf sind wir evolutionstechnisch nicht geprägt. Wir mussten erkennen, ob der Säbelzahntiger kuscheln will oder Hunger hat. Deswegen haben wir überlebt.“ Diese Technologien werden immer zugänglicher werden, nicht nur für Professor:innen, sondern auch für Patient:innen, damit diese dann Expert:innen ihrer eigenen Erkrankung werden – ob bei Diabetes, Multipler Sklerose oder Krebserkrankungen.  

Selbstverantwortung für Menschen. Das ist mir wichtig.
Tobias Gantner

Was es noch braucht, um das Gesundheitswesen zu revolutionieren? Den menschlichen Kontakt. „Ich glaube ganz fest daran, dass Ärzt:innen auch Medikamente sind“, sagt Gantner. Eine gelungene Beziehung zu den Medical Providers – seien es Ärzt:innen, Pflegekräfte oder Community Nurses – ist genauso wichtig wie die neueste Technologie.  

Achtsamkeit, Meditation und der Umgang mit den eigenen Bedürfnissen spielen ebenso eine zentrale Rolle. „Kümmere dich um dich. Lerne, wie DU funktionierst! Wir Menschen funktionieren mehrschichtig.” 

Ärztin und Patient sitzen sich gegenüber
Bei aller Digitalisierung sollte eins nicht vergessen werden: Menschlicher Kontakt ist unerlässlich. (Foto: Pexels/Cottonbro)

Zukunft 2034 – Was uns erwartet

Wie könnte das Gesundheitswesen in zehn Jahren aussehen? Die „Ohne-Arzt-Praxis“ wird sich wohl weiterverbreiten, um die medizinische Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Prävention wird immer wichtiger, aber gleichzeitig wächst die Kluft zwischen jenen, die in der Lage sind, Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen – sei es aufgrund des Verständnisses oder finanziellen Möglichkeiten – und jenen, die das nicht können. 

Und vielleicht erleben wir den ersten Nobelpreis für eine medizinische Entdeckung, die ohne KI nicht möglich gewesen wäre? 

Gantner hofft zudem, dass die psychosoziale Medizin besser finanziert wird und dass Pflegekräfte endlich die Anerkennung und Bezahlung bekommen, die sie verdienen. Und wer weiß – vielleicht sorgt KI sogar dafür, dass Menschen sich vermehrt in den Pflegeberuf umschulen lassen. 

Wir haben gelernt, dass…  

  • KI bei der Prävention von Krankheiten helfen wird.
  • Ohne-Arzt-Praxen zukünftig mehr werden dürften. 
  • Patient:innen mehr Selbstverantwortung übernehmen müssen und Expert:innen ihrer eigenen Krankheit werden.

Quellen und Links:  

  • Auf der offiziellen Webseite der Healthcare Futurists kannst du nachlesen, was noch so auf der Zukunftsagenda steht. 

Titelbild: Unsplash/joshua-rawson-harris-zoj

Über die Serie

Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.

In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.

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