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Herbstliche Gedanken
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Nasskaltes Herbstwetter und mein stiller Begleiter Krebs

Wenn Krebs weg und gleichzeitig immer da ist. Andrea Heidrich schreibt über das No-Go jedes Kaffeeliebhabers, kalte Füße und Polyneuropathie. Und wenn Schokolade auf einmal nicht mehr die Welt rettet.

Vergangenes Wochenende war ich die einzige, die beim Spazieren gehen die Lammfellschuhe anhatte, bei 10 Grad plus. Aber die Luft war feucht, der Nebel fühlte sich kalt an und meine Füße waren schon zuhause in der Wohnung nicht warm zu bekommen. Sie wurden steif und die Gefühllosigkeit stärker. Es ging diesmal sogar so weit, dass ich nicht bemerkt hatte, dass ich zwischen Küche und Bad einen meiner Schlapfen verloren hatte.

Es ist alles andere als leicht und nach Langem einmal wieder saß ich da und weinte.

Vom Spaziergang am Nachmittag, nach einer kurzen Pause auf einer Heurigenbank rede ich gar nicht. Mein Bein unterhalb des Knies wurde steif und ich bemerkte, dass mein Gehirn den Füßen den Befehl „gehen“ gegeben hatte, doch bewusst taten sie es nicht. „Du spürst noch immer nichts in deinen Füßen? Aber du kannst ja gehen?!“ fragte mich meine Freundin. All diese Empfindungen sind schwer zu erklären, und ja, ich bin sonst gesund. Aber es ist nicht leicht. Es ist alles andere als leicht und nach Langem einmal wieder saß ich da und weinte. Um so vieles, was ich gar nicht konkret benennen konnte. Aber ich wurde von einer Traurigkeit ohne Namen erfasst und gleichzeitig von einem all umfassenden Gefühl der Schwäche. Plötzlich ein kleines Mädchen zu sein und keine selbstbewusste, erwachsene Frau, dieses Gefühl ließ mich immer kleiner werden und in mir selbst versinken.

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Die Luft feucht, der Nebel kalt. Foto: pexels/Star Flames

Den Höhepunkt dieser Gefühle habe ich dann wohl gestern Vormittag erreicht. Nicht genug sein. Für mich selbst. Für andere. Für meinen Job. Und die Abwärtsspirale nimmt Fahrt auf und zieht an mir immer stärker. Es sind keine Depressionen, aber ich muss mir selbst eingestehen, dass man diese Gedanken und Gefühle durchaus als depressiv bezeichnen kann. Es sind erste Anzeichen von negativen Gefühlen, auf die man ganz genau hinschauen muss und vor allem auch darauf achten muss, wohin sie führen.

Denn Hilfe annehmen ist gut. Wichtig. Und kein Tabu. Mit oder ohne Krebs.

Ich habe diesen Gefühlen dann auch nachgegeben, zumindest für einige Stunden. Das tat im Nachhinein betrachtet gut. War wichtig. Aber nur, weil ich wusste, dass ich wieder die Kraft entwickeln würde mich aufzurichten und weiterzumachen. Ich weiß das, weil ich Krebs hatte. Weil mich diese Krankheit gelehrt hat weiterzumachen. Und weil sie mich auch gelehrt hat, schwach sein zu dürfen. Auch wenn ich zugeben muss, dass mir dieser Punkt an manchen Tagen sehr nahe geht und es mir ganz besonders schwerfällt, es mir einzugestehen und mich dennoch anzunehmen. Aber ich lerne. Nach wie vor. Jeden Tag. Und wenn es nicht mehr geht, dann hole ich mir Hilfe. Denn Hilfe annehmen ist gut. Wichtig. Und kein Tabu. Mit oder ohne Krebs. Denn einmal schwach zu sein, keine Kraft zu haben und in den Problemen des Alltags versinken zu wollen ist menschlich. Darf sein. Vor allem dann, wenn Schokokekse alleine nicht mehr weiterhelfen.

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Schokolade löst bekanntlich alle Probleme. Oder? Foto: Pexels/Marta Dzedyshk

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