Nüchtern statt schüchtern: Walters Umgang mit Prostatakrebs
Walter hypnotisiert nicht nur mit seinem Charme, sondern auch in seinem Berufsleben. Selbst die Diagnose Prostatakrebs bringt ihn nicht aus der Ruhe. Stattdessen zeigt er dem Krebs, wo der Hammer hängt, und macht kurzen Prozess mit veralteten Tabus.
Es gibt Themen, bei denen selbst die gesprächigsten Männer leise werden. Prostatakrebs gehört da oft dazu. Aber nicht für Walter. Der geradlinige Jungsechziger nennt sich selbst einen Mann mit Handschlagqualität, der genau weiß, was er will und was nicht.
Was er nicht will, ist, Prostatakrebs als Tabuthema behandeln. Sein Motto: Weltoffenheit und Positivität, egal was kommt. Das hat er in all seinen Lebensstationen bewiesen – ob als gelernter Banker, Hoteldirektor, Geschäftsführer für Marketing und Sales bei einem Basketballclub oder seit 2019 als Mental- und Hypnosecoach.
Walter zeigt, dass man Prostatakrebs mit derselben Entschlossenheit angehen kann wie eine Vorstandssitzung – nur mit mehr Humor und weniger Krawatten.
Wie bist du mit deiner Krebsdiagnose umgegangen?
Die Diagnose Prostatakrebs im Frühjahr 2019 war für mich kein Schock – im Gegenteil. Mein Urologe hatte den Weitblick, meinen erhöhten PSA-Wert richtig zu deuten. Eine MRT der Prostata bestätigte seinen Verdacht, da sich das Gewebe deutlich verändert hatte.
Da ich meinem damaligen, inzwischen verstorbenen Urologen voll und ganz vertraute und er genau wusste, was zu tun war, hatte ich ein tiefes Urvertrauen in mich selbst und war überzeugt, dass sich diese vermeintlich tödliche Krankheit den Falschen ausgesucht hatte.
Das mag zwar arrogant klingen, ist es aber keineswegs. In der heutigen Zeit ist eine solche Diagnose bei Früherkennung des Problems keineswegs niederschmetternd, wenn man als Patient an die eigenen Selbstheilungskräfte und die Kompetenz der Ärzt:innen glaubt. Subjektiv gesehen ist es wahrscheinlich genau diese „Schockstarre“, verbunden mit Selbstmitleid, die dazu führt, dass man sich aufgibt und der Krankheit zu viel Raum gibt, sich im Körper auszubreiten.
Ich fühlte mich beinahe als Teil einer „Elite“, die diese Diagnose frühzeitig erhielt. Andere Menschen würden diese Nachricht erst bei einem der nächsten Arztbesuche bekommen. Außerdem, dem eigenen Schicksal kann man nicht entfliehen!
Am 10. Juli 2019 wurde meine Prostata vollständig entfernt, und eine Woche nach der Operation erhielt ich die erfreuliche Nachricht, dass keine Krebszellen außerhalb der entnommenen Prostata gefunden wurden – ein voller Erfolg, könnte man sagen.
Die einzige Nebenwirkung war eine gewisse Einschränkung des Sexuallebens, aber es gibt weitaus Schlimmeres. Diese „Kleinigkeiten“ hatten keine negativen Auswirkungen auf mein Wohlbefinden.
Wir hören oft, dass es für Betroffene schwierig ist, über Prostatakrebs zu sprechen. Wie hast du das erlebt, und welche Gründe könnte es geben?
Tabuthemen wie Krebs bleiben in unserer zivilisierten Welt oft unausgesprochen, genauso wie das Thema Tod. Obwohl kein Mensch ewig lebt, wird das Thema häufig „verteufelt“. Als Mann mit 55 Jahren denkt man natürlich über seine Manneskraft nach. Mit dem oder der richtigen Partner:in und einem offenen Umgang kann man diesem vermeintlichen „Nicht-mehr-Mann-Sein“ jedoch viele positive Seiten abgewinnen.
Da mir Tabletten keinerlei Hilfe boten, wurde ich auf die SKAT-Methode aufmerksam. Dabei spritzt man sich eine speziell entwickelte Flüssigkeit direkt in den Schwellkörper des Penis, um eine Erektion zu erreichen.
Als Mental- und Hypnosecoach hatte ich 2020 eine intensive Hypnoseeinheit bei meinem Ausbilder, nach der ich ohne jegliche Hilfsmittel eine Erektion nur durch Hypnose erlebte. Seitdem wende ich regelmäßig Selbsthypnose an und erreiche mittlerweile oft eine Erektion ohne die SKAT-Spritze, was mir ein „normales“ Sexualleben ermöglicht.
Was hat dich durchhalten und weitermachen lassen?
Meine Lebensgewohnheiten haben sich intensiviert – ich mache grundsätzlich nur noch Dinge, die mir Spaß machen und mein Leben bereichern. Durch meine Tätigkeit als Mental- und Hypnosecoach fiel es mir sicherlich leichter, mich auf meine mentale Stärke zu besinnen und meine Zeit bestmöglich zu nutzen.
Selbstliebe und der innere Drang, dass „es“ das noch nicht gewesen sein kann, wirken sich positiv auf meine jetzige Lebenssituation aus. Ich habe mich weder von anderen beeinflussen oder beraten lassen noch im Internet recherchiert, wie andere mit dieser Diagnose umgegangen sind. Jeder Mann sollte sich auf sich selbst und seine Stärken konzentrieren und sein Leben entsprechend gestalten.
Natürlich gab es auch nach der OP für mich Höhen und Tiefen, da weder eine Dreimonatstablette noch die Einnahme mehrerer „Potenzpillen“ die erwartete Hilfe boten und Gedanken aufkamen, dass das Sexualleben vorbei sei.
Wichtig ist, einfach nicht aufzugeben, das Leben zu genießen und sich selbst so zu lieben, wie man(n) ist. Akzeptanz und positive Einstellung sind der Schlüssel zum Durchhalten und Weitermachen.
Quellen und Links:
- Auf Walters Webseite kannst du mehr über seine Arbeit als Mental- und Hypnosecoach erfahren.
- Der Spiegel hat einen Artikel zu den Einsatzmöglichkeiten von Hypnose veröffentlicht.
- Der Privatarzt Digital erklärt in einem Beitrag, wie Hypnotherapie ergänzend zu anderen Behandlungen bei einer Krebserkrankung unterstützend wirken könnte.
Titelbild: Privat
Über die Serie
Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.
Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.