One size fits all? Nicht in der Gendermedizin!
DIE Forschung, DIE Wissenschaft, DIE Technik und DIE Medizin. Lauter weibliche Begriffe und trotzdem männerdominierte Branchen. Warum das nicht fair ist und im schlimmsten Fall ungesund oder sogar gefährlich für andere Geschlechter werden kann, liest du hier.
Der kleine Unterschied mit großen Folgen
Bei Arzneimittelstudien wird Forschung ebenfalls größtenteils von Männern an Männern durchgeführt. Hormonelle Schwankungen bei Frauen können die Studienergebnisse aber beeinflussen. Daher wird auf Männer oder Frauen nach den Wechseljahren zurückgegriffen. Dass Arzneimittel nicht ausreichend an Frauen aller Altersstufen getestet werden, hat aber Folgen. Denn der weibliche Stoffwechsel reagiert anders auf Arzneimittel als der männliche.
Das Problem: In den Zulassungsstudien sind Frauen immer noch nicht repräsentativ vertreten. Zwar gibt es Regelungen, dass in der letzten Zulassungsphase gewisse Frauen-/Männerverhältnisse erfüllt sein müssen, jedoch betrifft das nicht die erhobenen Daten. Diese müssen demnach nicht nach Geschlecht ausgewertet werden. Sollte also ein Medikament deutlich mehr Nebenwirkungen bei Frauen zeigen, würde dieser Fakt nicht erfasst werden.
Ein weiteres Problem sind die Fragen, die in Studien gestellt werden. Einerseits werden hier viele für Frauen unwichtige Parameter abgefragt, während andererseits wichtige Fakten, wie etwa Auswirkungen auf Zyklus & Co nicht abgebildet werden. Forscherinnen, die neue Blickwinkel in die Studie bringen, fehlen meist. Rein weibliche Teams sind allerdings auch keine ideale Lösung, da ein komplett femininer Blick wieder relevante Themen für Männer übersehen könnte. Daher wird der Ruf nach gemischten Forschungsteams immer lauter.
Schau doch mal in unserer Megatrend-Serie vorbei. Hier blicken wir mit einem kritischen und einem fortschrittswütigen Auge auf allerlei gesundheitsbejahende Entwicklungen der Gegenwart und der Zukunft. Mit dabei sind Trends wie Holismus, Selbstoptimierung und Co-Individualisierung.
Krebs ist doof – und zwar geschlechtsunabhängig!
Männer sterben häufiger an Krebs, Frauen leiden mehr an den Nebenwirkungen und Folgen der Behandlung. Klingt blöd, ist es auch. Aber genau deshalb ist Gendermedizin so wichtig. Diese Unterschiede müssen erfasst werden, um sie erforschen zu können. Denn nur so können alle Geschlechter eine für sie angemessene Behandlung bekommen.
Ein Beispiel sind die neuen Medikamente in der Onkologie, die in den letzten Jahren wegen der zunehmenden Krebszahlen aufkamen. Die Probleme sind dieselben, wie jene in den Zulassungsstudien: Am männlichen Körper wird getestet, Symptome bei anderen Geschlechtern werden als „Nebenwirkungen“ abgetan.
Warum aber reagieren Männer und Frauen unterschiedlich auf Medikamente? Zum einen werden sie von Männern anders aufgenommen, da ihr Magen einen anderen Säuregehalt hat als der von Frauen. Weil letztere im Vergleich oft kleiner und schwächer sind, haben sie oft eine höhere Konzentration von Medikamentenwirkstoffen im Körper, die sie verstoffwechseln müssen.
Zum Verstoffwechseln braucht es dann im Körper sogenannte Enzyme, die sich ebenso je nach Geschlecht voneinander unterscheiden. Wodurch es schließlich zu einer verstärkten oder schwächeren Wirkung des Medikaments kommen kann.
Die unterschiedlichen Nieren- und Darmfunktionen sorgen dann dafür, dass Arzneimittel unterschiedlich schnell wieder ausgeschieden werden. Als wären das nicht schon genug Unterschiede, haben Frauen durch den weiblichen Hormonhaushalt auch noch ein höheres Risiko von Wechselwirkungen. Denn ein schwankender Hormonspiegel während des Zyklus oder die Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln können einen Einfluss auf Verstoffwechselung, Wirkung oder Ausscheidung von Medikamenten haben.
Außerdem sind Frauen anfälliger für Nebenwirkungen und Überdosierungen, was zum einen an ihrem leichteren Gewicht liegt. Andererseits werden Frauen auch häufiger Medikamente verschrieben, da sie tendenziell Nebenwirkungen eher ansprechen als männliche Patienten. Fehldosierungen oder unerwünschte Wechselwirkungen durch Hormone werden aber in Zulassungsstudien aufgrund des geringeren Frauenanteils oftmals übersehen und daher erst nach der Zulassung erkannt.
Dass an Männern getestet wird und Frauen „einfach mitlaufen“, hat sich längst als fehlerhaftes System herausgestellt. Immer mehr Mediziner:innen und Forscher:innen erkennen die Wichtigkeit von Gendermedizin. Solange Herzinfarkte bei Frauen aber verkannt werden und Männer weniger Depressionen diagnostiziert bekommen, ist Medizin nicht da wo sie sein sollte. Nämlich an einem Punkt, wo Gleichberechtigung selbstverständlich ist. Ein Schritt in die richtige Richtung ist jedenfalls, dass Frauen bereits in der Forschung mithelfen und ihren weiblichen Blick einbringen.
Frauen in … die Technik!
Wer sagt, Frauen gehören nicht in die Technik, ist sowieso irgendwo im letzten Jahrhundert stecken geblieben. Warum Frauen auch hier immer wichtiger werden? Ein Beispiel dafür wäre der neue Megatrend FemTech. Der Begriff ist eine Fusionierung aus den Wörtern „Female“ und „Technology“ und beschreibt einen neuen Bereich der Medizintechnik.
FemTech ist eine auf Frauen ausgerichtete Technologie, die sich mit Frauengesundheit befasst. Die Themen sind dabei oftmals Menstruationsbeschwerden, unerfüllter Kinderwunsch oder Probleme in den Wechseljahren. Das Angebot ist meist digital in Form von Apps oder anderen Smart Devices, die von Start-ups aus dem Gesundheitsbereich entwickelt werden. Frauen profitieren von FemTech doppelt, denn sie sind nicht nur Kundinnen, sondern auch Gründerinnen.
Da wir die Mündigkeit von Patient:innen unterstützen, finden wir es wichtig zu betonen, dass die Medizin Geschlechterrollen noch viel zu oft übersieht. Männer bekommen viel zu häufig zu spät die Diagnose Brustkrebs, während bei Frauen die Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt um einiges höher ist. In diesem Bereich soll es endlich Gleichberechtigung geben, damit alle den gleichen Zugang zu einer bestmöglichen Behandlung und Versorgung haben. Jawoll!
Zum Weiterlesen:
Titelfoto: Pexels
Aktualisiert von David Splitt am 24.01.2024.
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Über die Serie
Wie ihr wisst, sind wir bei Kurvenkratzer nicht nur super steil, hip und einfach leiwand (ugs. österreichisch für „super cool“), sondern auch super trendy. Wir versuchen es zumindest. Was trendy für uns bedeutet? Uns über den Wandel der Zeit zu informieren und darüber aufzuklären, währenddessen Tabus zu brechen und gesellschaftliche Veränderungen zu thematisieren. So auch in unserer Serie „Megatrends“, in der wir über genau DAS und die unterschiedlichen Subtrends sprechen möchten: Von New Work, Gender Shift und Gesundheit, bis hin zu Neo-Ökologie und Individualisierung – alles mit dabei.
Megatrends sind nicht linear und eindimensional, sondern vielschichtig und bunt, genauso wie wir alle. Also kannst du dich auf einen farbenfrohen Mix dieser ständig verändernden globalen Phänomene freuen. Letztlich sind sie die Herausforderungen, durch die unsere Zukunft entsteht.