
Patient:innen-Power – So verändern Betroffene das System
Patient Advocates haben in den letzten Jahren eine Menge im Gesundheitswesen bewegt. Dieser Artikel stellt dir einige ihrer wichtigsten Erfolge vor.
Und weiter geht’s mit spannenden Errungenschaften von Patient Advocates.
#4 Patient:innen und Gesundheitsprofis endlich auf Augenhöhe
Ein ziemlich cooles Beispiel kommt aus Luxemburg. Dort gibt es seit kurzem Schulungen, die ein ganz klares Ziel haben: Patient:innen und Ärzt:innen als gleichberechtigte Partner:innen zusammenarbeiten zu lassen.

Die Grundlage dafür liefert das sogenannte „Montréal Modell“. Dabei zählt das Erfahrungswissen der Patient:innen genauso viel wie das Fachwissen der Ärzt:innen. Gemeinsam rocken sie nicht nur die Versorgung der Patient:innen, sondern arbeiten auch Hand in Hand in Forschung und Lehre. Bald kannst du aber von einer Luxemburgerin selbst hören, wie Patient Advocacy in ihrem Land aussieht.
#5 Erblicher Krebs? Wird jetzt gemeinsam angegangen
Luxemburg ist aber nicht das einzige europäische Land mit tollen Projekten. In Portugal macht die Patient:innenorganisation „EVITA“ ordentlich Welle im Kampf gegen erblichen Krebs – und das mit Erfolg. Dank Evita ist erblicher Krebs zum ersten Mal fester Bestandteil des europäischen Krebsplans.
Die Plattform füllt damit eine fette Lücke im Gesundheitssystem, denn bisher gab es kaum Infos und Ressourcen für Menschen, die mit erblich bedingtem Krebs zu kämpfen haben. „EVITA“ schafft hier ein Zentrum, wo Patient:innen, Forscher:innen und Ärzt:innen gemeinsam an einem Strang ziehen, um erblichen Krebs in die Schranken zu weisen.
Was Tamara dazu bewegt hat und wie sie die Zukunft sieht, verrät sie im Kurvenkratzer-Interview.
#6 Seltene Erkrankungen rücken ins Rampenlicht
Auch im Bereich seltener Erkrankungen haben Patient Advocates ordentlich was bewegt. Ein starkes Beispiel aus Österreich: Die Patient:innenorganisation „DEBRA Austria“ hat in Salzburg das EB-Haus in Salzburg eröffnet, ein Zentrum für Menschen mit der seltenen Hautkrankheit „Epidermolysis bullose“ (EB), auch bekannt als Schmetterlingskrankheit.
Seit der Eröffnung des EB-Hauses gibt es nicht nur top medizinische Versorgung, sondern auch zukunftsweisende Forschung, die darauf abzielt, die Lebensqualität der Patient:innen zu verbessern.

Und das ist noch nicht alles. Die Organisation NF Kinder in Österreich hat 2019 das erste Neurofibromatose-Expertisezentrum eröffnet. Sie hat damit ein weltweit einzigartiges Reha-Angebot für Kinder und Jugendliche mit dieser genetischen Erkrankung, die gutartige Tumore im Nervensystem verursacht, auf die Beine gestellt.
Seit 2024 gibt es sogar spezielle Vorsorgebögen, die zu einer besseren und einheitlicheren Versorgung beitragen. Elf Fakten, die du über seltene Krankheiten wissen solltest, findest du übrigens in diesem Artikel.
#7 Betroffene finden zusammen und werden mobilisiert
Aber die größte Errungenschaft von Patient Advocates bleibt ohne Frage die Gemeinschaft. Betroffene kommen zusammen, tauschen sich aus und kämpfen Seite an Seite für eine bessere Zukunft.
Ein richtig cooles Beispiel dafür ist die “Workgroup of European Cancer Patient Advocacy Networks” (WeCan). WeCan vereint über 20 Dachorganisationen von Krebspatient:innen in ganz Europa. Denn was eine:r nicht schafft, schaffen viele.
Wichtige Ziele sind die Kooperation und Unterstützung zwischen den Dachorganisationen, Vermeidung von Doppelarbeit (denn doppelt hält nicht immer besser!) und natürlich die Stärkung des Know-hows. Nur wer gut informiert ist, kann auch selbstbestimmt handeln.

Gemeinsam sind Betroffene eben stärker: Sie mobilisieren, kämpfen für Veränderungen und sorgen dafür, dass die Versorgung für alle Menschen in ganz Europa immer besser wird. Diese Art der Gemeinschaft ist der Schlüssel, um die Zukunft für alle zu verbessern.
Was fordert Kurvenkratzer?
Wir fordern eine systematische Anerkennung und faire Entlohnung von Patient Advocates, die aktiv an der Entwicklung und Revolutionierung des Gesundheitssystems mitarbeiten. Ihre Expertise basiert nicht nur auf persönlicher Betroffenheit, sondern auf fundiertem Wissen und wertvollen Erfahrungen, die sie in Forschungs- und Entscheidungsprozesse einbringen.
Diese Arbeit muss, wie jede andere professionelle Leistung im Gesundheitssystem, angemessen entlohnt werden.
In Österreich muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Patient Advocacy keine ehrenamtliche Zusatzaufgabe ist, sondern ein essenzieller Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Dafür bedarf es klarer gesetzlicher Regelungen und angemessener finanzieller Mittel, um die wertvolle Arbeit der Patient Advocates zu unterstützen und zu professionalisieren.
Quellen und Links:
- Im Kurvenkratzer-Lexikon kannst du nachlesen, was Patient Advocacy ist.
- In unserer Serie “Mit uns statt über uns” interviewten wir jeden Monat Patient:innenvertreter:innen aus aller Welt.
- Auf der Webseite von KickCancer kannst du nachlesen, wie die Stiftung junge Menschen ausbildet und welche coolen Projekte sie betreuen.
- EU-CAYAS-NET hilft jungen Menschen, sich zu vernetzen und sich aktiv für die eigenen Rechte und Bedürfnisse einzusetzen.
- Bei EUPATI werden Patient:innen zu Profis ausgebildet.
- Die Patient:innenorganisation EVITA leistet einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von erblichem Krebs.
- Dank der Patient:innenorganisation DEBRA Austria, konnte das Expertisezentrum „EB-Haus“ eröffnet werden.
- NF Kinder setzt sich für die Rechte von Patient:innen mit Neurofibromatose ein.
- Auf der Webseite von WeCan kannst du nachlesen, an welchen Projekten die Überdachorganisation gerade arbeitet.
Titelbild: Unsplash/Ian Schneider
- Seite 1
- Seite 2
Über die Serie
Stell dir vor, du hast kein Wahlrecht. Du lebst zwar in einem modernen Staat, doch es gibt niemanden, der oder die deine Interessen vertritt. Sobald du bei Entscheidungen mitreden willst, heißt es: Sorry, das geht nicht. Du bist ja kein:e Expert:in. So ähnlich könnte man den aktuellen Zustand der Patient:innenvertretung beschreiben. Okay, das Gesundheitssystem ist natürlich keine Diktatur. Tatsache ist aber, dass Patient:innen in vielen Ländern bei wesentlichen Entscheidungen kaum mitbestimmen können. Genau darum geht es in “Mit uns statt über uns”. In unserer Serie machen wir erfahrbar, warum es dringend mehr anerkannte, professionelle Patient:innenvertretungen braucht. Wir greifen das Thema in aller Tiefe auf. Zeigen Beispiele, blicken in andere Länder, entlarven die Einwände, sprechen über Vorteile und schlagen vor, wie ein Paradigmenwechsel funktionieren könnte.
Mit dieser Serie verbinden wir zwei Leidenschaften. Wir sind ein Magazin, arbeiten journalistisch und fühlen uns ausgewogener Berichterstattung verpflichtet. Wir sind aber auch Teil von euch, unserer Patient:innencommunity, und wollen mehr Mitsprache. Wir nehmen uns nichts Geringeres vor, als beides zu erreichen.