Wenn sich die Sicht auf das Leben ändert
Arbeiten, studieren, erfolgreich sein, das war für Constanze Frick der Traum vom Leben. Sie erzählt uns, wie schnell sich ihr Weltbild änderte und nimmt uns mit auf eine Reise zu mehr Dankbarkeit.
Seite 2/2: Plötzlich schwanger eineinhalb Jahr nach der Therapie.
Erneut auffällige Symptome
Eineinhalb Jahre nach dem Ende der Chemotherapie tauchen abermals beunruhigende Veränderungen auf. „Ich war kurzatmig und hatte einen hohen Puls“, erzählt Constanze, „dann war es aber zum Glück doch etwas ganz Anderes.“ Sie ist schwanger. „Das war auch eine riesige Freude für die Ärzte.“ Die Abstände zwischen den Nachsorgekontrollen werden verkürzt. Alles verläuft gut, sie hat keine Probleme in der Schwangerschaft.
Schon bei der Krebsdiagnose lässt sie eine etwaige genetische Ursache der Leukämie abklären, mit zufriedenstellendem Ergebnis. „Die Erkrankung war also kein Risiko für das ungeborene Kind.“ Deshalb hatte sie zu keinem Zeitpunkt der Schwangerschaft Zweifel, Mutter zu werden – auch wenn manche Krebspatientinnen die Frage beschäftigt, ob sie überhaupt Kinder haben dürften. „Ich würde immer nach Gefühl entscheiden und mir nichts einreden lassen“, motiviert sie andere Krebspatientinnen. Je weiter die Erkrankung zurückliege, desto kleiner werde das Risiko eines Rückfalls. „Natürlich verstehe ich die Angst, dass das Kind im schlimmsten Fall alleine aufwachsen könnte“, sagt Constanze Frick, „aber es kann immer etwas passieren, auch gesunden Menschen.“
Zweites Leben
Von ihrem Vater erfährt Constanze, warum die Schwangerschaft in zweierlei Hinsicht erfreulich ist. „Bei einer Schwangerschaft gehen Stammzellen vom Kind auf die Mutter über“, erklärt Constanze, „was bildlich gesehen wie eine kleine Stammzelltransplantation wäre.“ Sie sieht dies als „Reboot“ ihres Körpers an und startet in ihr „zweites Leben“, wie sie selbst sagt.
Heute ist ihr Sohn drei Jahre alt. Die Erkrankung ist jetzt fünf Jahre her. Auch wenn sie weiterhin einmal im Jahr zur Nachsorge geht, sieht sie sich als geheilt an. „Es ist Ansichtssache, wie man sich fühlt“, bekennt sie, und liebt das Muttersein. „Es gibt so viel dazuzulernen, aus kindlichen Augen zu sehen, mal Dinge liegen zu lassen oder anders zu machen.“
Sie ist dem Krebs dankbar, dass er sie wachgerüttelt hat, und ist auch dem Gesundheitssystem dankbar, rundum gut versorgt worden zu sein. „Trotzdem kann ich nicht verstehen, warum die Krankenkassen fertilitätserhaltende Maßnahmen nicht übernehmen“, ist sie erschüttert. „Ich war 25 und entschied mich im Besonderen auch wegen der hohen und wiederkehrenden Kosten gegen die Entnahme und Kryokonservierung der Eizellen.“ Es sei unmenschlich, einer jungen Frau eine derartige Entscheidung abzuverlangen.
Die Krebstherapie hat ihr früheres Weltbild komplett verändert. „In meinem alten Job fehlte mir die richtige Work-Life-Balance“, sagt Constanze. Trotzdem, oder genau deswegen, ist sie froh: Sie hatte während der Therapie Zeit zum Innehalten, um auch mal nichts zu machen und die Ruhe zu genießen. Deshalb fühlt sie sich heute angekommen. „Ich wünsche mir“, appelliert sie, „dass wir glücklich, gesund und zufrieden sind, und das auch wahrnehmen.“ Wenn wir Dankbarkeit übten, kämen wir genau dorthin. „Jeder Mensch hat etwas, wofür er dankbar sein kann.“ Über eine Sache ist sie besonders dankbar. Hier zu sein, genau das zu erleben: „Ein stinknormales Leben“ als Mutter, Häuslebauerin, Hundemama und Leukämie-Überlebende.
- Leukämie: Formen & Symptome (gesundheit.gv.at)
- Anti-Müller-Hormon (netdoktor.at)
- Babys schicken heilende Stammzellen. Stammzellen im Fruchtwasser sollen Heilungsprozesse im Körper von Schwangeren fördern (KURIER, 23.01.2013)
Mehr über Constanze Frick
Titelfoto: Privat
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Über die Serie
Stark sein? Runterschlucken? Das Schicksal ertragen? Wir von Kurvenkratzer bekommen latenten Brechreiz, wenn wir derartige Sprüche hören. Und warum flüstern wir, wenn wir über Krebs reden? Ja, Krebs ist in unserer Gesellschaft leider noch immer ein Tabu. Studien zufolge trifft aber jeden zweiten Menschen im Laufe seines Lebens eine Krebserkrankung. Krebs ist also alles andere als eine gesellschaftliche Nische.
In unseren Interviews sprechen wir mit Menschen, die Krebs am eigenen Leib erfahren haben oder nahe Betroffene sind. Wir reden mit ihnen über den Schock, den Schmerz, Hilfe zur Selbsthilfe, Humor und Sexualität, sowie darüber, wie es gelingt, Mut und Hoffnung zu finden. Damit möchten wir dich motivieren: Wenn du das Gefühl hast, über deine Erkrankung sprechen zu wollen, dann tu es. Du bist nicht allein.