Soloaufritt – Wie Nils dem Krebs die Bühne stiehlt
Nils’ Leben liest sich wie ein Drehbuch für einen Film, in dem das Schicksal seinen Sinn für Humor unter Beweis stellt. Mit Nils in der Hauptrolle, dem Krebs als nervigem Nebendarsteller und der Einsamkeit als Statistin, die ständig durchs Bild läuft. Wie er aus der Situation Stärke zieht.
Rollenwechsel: Der Hautflüsterer
Nils beschließt, nicht Opfer seiner Umstände zu sein und sein Drehbuch selbst in die Hand zu nehmen. Er schlüpft in eine neue Rolle und geht auf Angriff, stärkt sich mit Wissen und wird zum wandelnden Lexikon für seine Krankheit. „Ich habe versucht, stark zu werden: Ich informiere mich, setze mich mit der Krankheit auseinander, tausche mich in der Selbsthilfe aus und werde einfach zum Experten meiner Erkrankung.“
Gesagt, getan. Er schließt sich der Selbsthilfeorganisation “Melanom Info Deutschland – MID e. V.” an und schafft Bewusstsein für das Thema Hautkrebs. Zusätzlich genießt er es, „ein kleiner Hafen zu sein, den man anlaufen kann, wenn man eine Diagnose erhalten hat und mit verschiedenen Situationen kämpft.“
Nach neun Operationen, einschließlich einer Wunde, die groß genug ist, um einen Kinosaal zu füllen, wird Hautpflege zu Nils heiligem Grahl. Fast zwei Monate dauert es, bis die Wunde heilt – eine Zeit, die ihn dazu bewegt, eine zusätzliche Ausbildung zum Wundexperten zu machen. Jetzt unterstützt er andere Krebspatient:innen mit seinen Tipps.
Nils betrachtet die mangelnde Aufklärung über schwarzen Hautkrebs wie einen düsteren Film mit besonders schlechtem Drehbuch. Und gerade deshalb fühlt er sich dazu berufen, das Skript zu schreiben und die Szene zu verändern. „Zum Zeitpunkt, als ich meine Diagnose bekommen habe, war ich ja selbst erst mal vor den Kopf gestoßen.“
Und wie wichtig dieses Wissen ist, wird ihm noch einmal bewusster, als eine neue Operation ansteht. Der Arzt wollte ihm damals alle Lymphknoten entfernen – so wie es die Leitlinie vorsieht. „Ich bin aber kein 80-Kilo-Mensch. Personen sind so individuell wie die Natur.“ Das eigene Wissen hat ihn zu einem selbstbestimmten Patienten gemacht.
Freundschaftsblockbuster gegen Einsamkeit
Das neugewonnene Selbstbewusstsein und das Gefühl der Rebellion, dem Krebs die Stirn zu bieten, lassen Nils umdenken. Im Privaten werden Ärzt:innenbesuche zu Events – mal ein süßes Frühstück davor, mal ein Shoppingtrip danach.
Selbst Freund:innen aus Essen reisen an, um ihn zu seinen Terminen zu begleiten. „Das sind so verrückte Sachen, wo ich weiß: Ich bin nicht einsam. Ich bin von Menschen umgeben, die mich lieben.“ Und plötzlich wird die Einsamkeit als Statistin noch weiter in den Hintergrund gedrängt.
In Nils‘ ganz persönlichem Film gegen die Einsamkeit haben Offenheit und Kommunikation einen wichtigen Auftritt. „Wenn du allein bist, sprich mit Menschen, die dir nahestehen. Äußere deine Bedürfnisse und Gefühle und sprich darüber, wie es dir gerade geht und was du gerne möchtest.“
Er empfiehlt, den eigenen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und das vorhandene Umfeld zu nutzen. „Eine Partnerschaft zeichnet Menschen nicht aus und man kann nichts erzwingen.“ Ein weiterer Regie-Trick? Den Augenblick leben und zum Beispiel bei der Zubereitung eines Kaffees einfach durchatmen. Weitere Wege aus der Einsamkeit haben wir dir in diesem Artikel zusammengefasst.
Nils persönliche Skill-Schublade hat ihn durch seine Krankheit begleitet. Dort bewahrt er vertraute Requisiten auf, wie zum Beispiel ausgedruckte Fotos (findet er viel besser als die digitale Variante), sein Lieblingsparfum und einen Massageigel.
Applaus für Nils
Während dem Abspann sieht man Nils an Orten, die Nils selbst nie für möglich gehalten hatte. Orte, zu denen ihn der Krebs gebracht hat. Er wird zum Experten, zum Netzwerker, zum Sprecher auf Kongressen.
In der Fortsetzung sehen wir Nils vielleicht in einer Romantikkomödie mit bezauberndem Co-Star oder als Gründer einer eigenen Selbsthilfegruppe mit Fokus auf junge Erwachsene. „Erzwingen kann man sowieso nichts“, meint Nils mit einem Grinsen, und irgendwie hat er recht. Das Leben, dieses unvorhersehbare Biest, hat noch so einiges in Petto. Wir können es kaum erwarten, bei seiner nächsten Oscarpremiere dabei zu sein.
Links und Quellen:
- Nils teilt auf seinem Instagramprofil „Hautundpunkt“ Informationen rund um Hautkrebs und sein Leben.
- Bei der Patient:innenorganisation „Melanominfo“ macht Nils sich stark für Betroffene.
Titelbild: Privat
- Seite 1
- Seite 2
Über die Serie
Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.
Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.