Warum Krebsblogger eine Bereicherung für uns alle sind
Krebsblogger sind Menschen, die ihren persönlichen Umgang mit der Krankheit öffentlich im Netz teilen. Sie berichten über ihr körperliches Befinden, das Staging, ihre Medikation und erzählen von ihrer Herangehensweise mit der Erkrankung und werden dabei wichtige Botschafter im Kampf um die Enttabuisierung der Krankheit Krebs.
„Es geht jetzt doch schneller als gedacht, was aber nicht schlimm ist“, schreibt Benjamin Wollmershäuser, „Benni“, in 2018. Es war sein Abschiedspost, der seine Leserschaft gleichermaßen schockiert und getröstet zurückließ. Jahrelang berichtet der junge, charistmatische Mann auf seinem Blog „Cancelling Cancer“ über sein Leben mit und seinen Kampf gegen den Darmkrebs.
Julia Geberth lächelt fröhlich in die Kamera und gibt grandiose Schmink-Tipps. Doch Julie ist keine reine Beauty-Bloggerin: In ihrem Blog schreibt die 32-Jährige offen und ehrlich über ihre Krebserkrankung im Endstadium und trifft damit viele Menschen mitten ins Herz. Es geht um „Julie vs. Bill“ – ihr metastasiertes malignes Melanom. Der Aufruf an ihre Fans: „Join Team Julie!“
Mit Leukämie und Stammzellenspende beschäftigt sich Isabella Pichler. Ihr Blog thematisiert ihre AML (akute myeloische Leukämie) und beschreibt den langen Weg der Stammzellentransplantation. Lange Zeit lebte sie aufgrund von Immunsuppressiva völlig abgeschottet. Nun berichtet sie von ihren Erfahrungen und dem Weg aus der Krankheit zurück in ihr neues, altes Leben.
Gemeinsam durch schwere Zeiten
„Wir denken so oft an dich und fiebern, hoffen und feiern mit dir!“, schreibt eine von Julies Followerinnen. „Ich freu‘ mich so mit dir und schick‘ dir ganz viel Energie“, kommentiert ein anderer.
Die Fans der Krebsblogger spenden nicht nur tröstende Worte, sondern schöpfen aus den Blogbeiträgen selber ganz viel Kraft. Denn diese geben Mut und Zuspruch. Ein schwieriger Weg wird gemeinsam gegangen.
Neben Benni, Julie und Isabella gibt es aber noch ganz viele Mutmacher*innen. Sie nutzen soziale Plattformen, um über ihre Geschichte und ihren Umgang mit ihrer Erkrankung zu berichten. Nicht selten sind es schonungslose Darstellungen aus dem Krebsalltag: Berichte über die aktuelle Chemo, Fotos von Nebenwirkungen inklusiver aller Sorgen und Ängste, die dazugehören. Aber auch die positiven Aspekte kommen nicht zu kurz. Denn keine andere Dialoggruppe lebt mehr im Moment und kann die kleinen Dinge im Leben genießen und wertschätzen.
„Die beste Nebenwirkung einer Krebserkrankung ist, dass man die Welt mit anderen Augen sieht und nicht mehr nur so funktioniert wie es andere gerne hätten“, schreibt ein Patient unter einen Beitrag und erntet dafür Zuspruch von allen Seiten.
Im Gegensatz zu anderen Lifestyle-Blogger*innen schaffen Menschen aus dem InfluCancer-Bereich (Influencer + Cancer) mit kleinen Communities eine außergewöhnlich hohe Interaktionsrate mit großem Engagement. Ihre Inhalte sind deshalb so beliebt, weil sie authentische, realitätsnahe Berichte von Menschen sind, die ihre persönliche Realität teilen. Diese Offenheit schafft ein starkes Community-Denken und Vertrauen untereinander. Man fühlt sich gehört, verbunden und vielleicht nun sogar selber in der Lage, ‚Unmögliches‘ möglich zu machen und schwere Zeiten durchzustehen. Wertschätzung, Lob und Anerkennung sind der Motor für ein gutes und rücksichtsvolles Miteinander. Durch den Gemeinschaftsgedanken wird spürbar: Niemand ist mit seinen Herausforderungen alleine.
Gesundheitskompetenz durch Schwarmintelligenz
Mehr als ¾ aller Internet-User geben an, regelmäßig Blogbeiträge zu lesen. Rund 23% aller Social-Media-Postings beinhalten weiterführende Links zu Blogbeiträgen. Das Blogformat hat also definitiv Einzug in unser alltägliches Suchverhalten im Netz gefunden. Das ist speziell im Gesundheitsbereich deutlich spürbar.
InfluCancer haben eine neue Chance der Gesundheitskommunikation geprägt. Sie schaffen Bewusstsein, räumen Vorurteile aus, teilen Tipps und Erfahrungswerte. Viele wollen mit ihrer Arbeit einen Aufklärungs- und Bildungsauftrag leisten. Sie zeigen ihre Lösungsansätze und sprechen offen auch über unangenehme und ernste Themen. So können Berührungsängste abgebaut und gleichzeitig ein starkes Netzwerk aufgebaut werden, das Austausch und Halt bietet.
Krebsblogger ermutigen ihre Follower, sich mit wichtigen Themen auseinanderzusetzen, diese zu hinterfragen und sich zu umfassend informieren. So entsteht der mündige Patient.
Mündige PatientInnen sind informiert und treffen selbstbestimmt Entscheidungen. Um diese Kompetenzen zu erreichen bedarf es einer ausgeprägten Gesundheitskompetenz, die zu einem guten Teil eigenständig erarbeitet werden kann. Kollektives Wissen sowie der Austausch mit Gleichgesinnten ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Über die Serie
Was bedeutet Krebs für Mensch und Gesellschaft? Wie verändert die Digitalisierung den Umgang mit schweren Erkrankungen? Und vor allem: Wie kann man diese nutzen, um einen Mehrwert zu schaffen? Themen wie diese gehören aufs Tapet gebracht und aus einer betroffenenzentrierten Sichtweise diskutiert.