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Krebs und Musik
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Wenn Krebse singen – Raliza und die Heilkraft der Musik

Ralizas Geschichte hört sich ein wenig so an, als würde ihr Körper ihr mittels Krebs sagen wollen, dass sie professionell singen soll. Zwei Runden Krebs hat es gebraucht, bis sie es gecheckt hat. Dann aber so richtig. Wie Raliza am Krankenbett ihr Lebenselixier Musik wiederentdeckt hat.

Krebs.v2: Wenn Musik heilt 

Die zweite Erkrankung fühlt sich anders an, viel schwerwiegender. Der Arzt gibt ihr eine schlechte Prognose wegen der Vorerkrankung. Little did she know, dass ihr neues Leben genau hier anfängt. Mitten in diesem Tiefpunkt kommt eine Freundin Nora mitsamt Ukulele an ihr Bett.

Sie singen gemeinsam. Die therapeutische Kraft der Musik entfaltet sich. Der graue Raum wird heller und der Lebensmut zaubert sich wieder herbei. “Da wusste ich, dass ich dem Krebs endgültig in den Hintern trete.”

Ach, und Ralizas Musical-Bruder spendet eine gute Ampulle Blut und die Transplantation glückt – das hilft natürlich auch.

Raliza singt ihren umgedichteten „Cancer Song“. (Video: Privat)

Von da an macht und hört sie jeden Tag Musik, bis auf den Gang schallt ihre Stimme. Sie quält sich durch die Songs. Auch wenn es für den Körper anstrengend ist, und die Puste noch nicht so ganz zurück ist: Für ihre Seele ist es Balsam. Einer Freundin verklickert sie am Telefon, dass sie nur noch einen Teilzeitjob will, um sich nebenher was mit Musik aufzubauen. 

Wissenschaftlicher Exkurs: Warum Musik zu heilen vermag 

Raliza zwar nicht, aber die meisten von uns unterschätzen Musik. Lässt man sich vollkommen auf sie ein und resoniert mit ihr, richtet das in Kopf und Körper so einiges an. Allein das Hören von Musik aktiviert mehr Gehirnregionen gleichzeitig als jede andere menschliche Aktivität.  

Hier eine Auswahl von Effekten: 

  • Entspannende Musik kann die Produktion von Cortisol senken, was Stress reduziert und damit auch erhöhte Herzfrequenz und Blutdruck. 
  • Sie stärkt die kulturelle und emotionale Teilhabe am Leben, was gut und wichtig ist, wenn man nach einer Krankheit zurückfinden will. 
  • Musizieren steigert die kognitiven Fähigkeiten und die Konzentration. Bewegung und Koordination, Fühlen und Tasten, Hören und Sehen sind beim Musikmachen sehr intensiv miteinander verbunden. Dazu kommen noch Vorstellungskraft und die Kreativität. Musizieren in einer Gruppe fördert gleichzeitig körperliches, soziales und emotionales Engagement. 
  • Musik kann stimmungsaufhellend, motivationssteigernd und anregend für Menschen sein, die in den Seilen hängen und müde sind. 
  • Musik regt die sogenannte Neuroplastizität an – also die Fähigkeit des Gehirns, ein Leben lang seine Strukturen ändern zu können. 
  • Lieder, die mit starken Erinnerungen verbunden sind, können den Nucleus accumbens, das sogenannte Lustzentrum des Gehirns, aktivieren. 

Es ist wahrscheinlich für jede:n etwas dabei, wenn es darum geht, Musik als Medizin einzusetzen. Klick doch hierhin, wenn du einen ganzen Artikel über die Symbiose zwischen Musik und Heilkraft lesen willst.

Wieder bühnentauglich 

Und so beginnt Raliza wahrlich, sich etwas aufzubauen. Innerhalb eines halben Jahres hat sie eine Band gefunden: Buena Leche (Gute Milch), sie spielen Latinomusik und der Bandleader ist Argentinier. Zufall? Die Auftritte geben ihr immense Kraft, die Leidenschaft brennt lichterloh.

Zwar hält die Band nicht lange, aber Raliza ist eben auch Businessfrau. Fortan als Duo mit Gitarrist unterwegs, vermarktet sie sich als Hochzeitssängerin und versüßt mit ihrer Stimme Trauungen rund um Hamburg. Deine Hochzeit braucht noch Musik? Ihre Kontaktdaten findest du in der Quellenbox am Ende des Artikels.

Raliza und ihr Gitarrist performen einen Song.
Raliza und ihr Gitarrero Isaac spielen auf Hochzeiten, Geburtstagen, Firmen- und privaten Feiern eine menschliche Jukebox. (Foto: Jana Ehlers)

Aber ihr großer Wunsch war und ist es, eine Band zu haben, mit der sie auf Stadtfesten, Galen, Bar Mitzwas, Firmenevents, Beerdigungen, Hochzeiten und anderweitigen Festivitäten spielen kann. Wie ich ihr so zuhöre, merke ich, dass ich nicht mal den geringsten Zweifel habe, dass diese Band sie früher oder später finden wird.  

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„One of us“, ein Klassiker der 90er. Ein Song, der für Raliza Hoffnung symbolisiert, die Göttlichkeit im Alltäglichen vorschlägt und heutzutage unironisch in jedem zweiten Kirchenlobpreis angestimmt wird. 

¡Viva la Raliza! 

Doch gegen Ende erwähnt sie ihr schönstes Projekt: “Bestimmte Songs und Texte können therapeutisch wirken, weil man Gefühle rauslässt, für die man sonst keinen Ausdruck findet”. Genau deswegen hat sie gemeinsam mit DKMS Life (Tochtergesellschaft der Deutschen Knochenmarkspenderdatei) eine Seminarreihe gestartet: einen Gesangsworkshop für Krebspatient:innen.

Und wer wäre für die Leitung besser geeignet als Raliza? Sie, die die heilende Kraft der Musik am eigenen Körper erfahren hat. Klar, Musik war vielleicht nicht der Grund für ihre Genesung, aber geholfen hat sie allemal!

Raliza schneidet vier verschieden Grimassen.
Raliza mag extrem viel durchgemacht haben, aber ihre positive Art hat sie nie verloren. (Foto: Privat)

Wow, was für eine Geschichte. Nach dem fast zweistündigen Interview musste Raliza einem Termin hinterhereilen. Ich hingegen saß immer noch an meinem Laptop, starrte die Wand an, hörte melancholischen Folk-Rock, und dachte darüber nach, wie es für jeden Anlass, jedes Gefühl und jede Situation ein Lied gibt, das versteht, was du durchmachst.  

Selbst wenn das Lied eigentlich von etwas ganz anderem handelt. Dieser Moment, wenn dir das Leben den richtigen Song für die beschissenste Situation gibt, und sich Gänsehaut breit macht, der Geist sich aufrichtet, die Hoffnung zurückkehrt und der Wille wieder will.

Musik feiert das Leben und den Tod gleichermaßen. Gefühlt ist die gesamte Bandbreite der menschlichen Erfahrung auf Spotify vertreten. Du musst dich nur auf eine kleine Suche einlassen und offen sein. So wie Raliza.

Ihr könnt Raliza erreichen unter:

Titelfoto: Privat

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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