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Krebs und Schwangerschaft
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Wie frau eine Schwangerschaft mit Krebs durchzieht

Janina wollte schon immer ein Kind. Als sie dann die zwei Striche am positiven Schwangerschaftstest gesehen hat, ging der Traum in Erfüllung. Fünf Wochen später kam die Brustkrebsdiagnose und hat eines noch einmal verfestigt: Das Kind kommt, komme was wolle – auch wenn sie das alles allein durchziehen muss.  

Wege, um zu (über)leben

Janina sagt, die Schwangerschaft hat sie fit gehalten. Sie hat viel Sport gemacht und war auch oft unter Leuten – sofern es Corona zugelassen hat. Zum Ende hin wurden ihre Blutwerte allerdings schlechter und das Fruchtwasser wurde weniger. Das Baby musste sieben Wochen zu früh geholt werden.

Wer ihr bei den ganzen Entscheidungen bis zur Geburt beiseite gestanden ist? Janinas Papa. Zwar hat sie viele Fragen für sich alleine beantworten müssen, doch er war dennoch eine große Stütze. Emotional wie finanziell. Auch zu den ersten Untersuchungen hat er sie begleitet. Am Ende des Tages war es aber Janina, die die Entscheidungen für ihr eigenes Leben getroffen hat. Die größte Herausforderung war dabei, alles unter einen Hut zu bringen. Haushalt, Kind, Behandlung, einfach nur Mensch sein zu dürfen.

Von Freund:innen und Bekannten kamen keine Meinungen auf sie eingeprasselt, viel mehr Fragen zur Behandlung. Was Nahestehende vor allem äußerten, war Sorge. Übernimm dich nicht. Überarbeite dich nicht. Pass auf, dass du nicht zu viel Sport machst. Ich frage, ob die Sorgen Janina nah gegangen sind. Ihre Antwort ist schwierig zu verstehen. Die Stimme zittert. Sie ist den Tränen nahe. Bis dato war sie ein Mensch, der vieles allein durchgezogen hat. Der vieles allein durchgestanden hat.

Was bei einer Krebsdiagnose vielen Menschen hilft? Der Austausch mit anderen Betroffenen.

Plötzlich war da ein Meer von Menschen, die zu ihr gehalten haben, die sich um sie gesorgt haben. Krankheit kann auch Zusammenhalt heißen. Klar, Krebs ist scheiße. Aber es hindert dich nicht daran, an den schönen Seiten des Lebens festzuhalten. Janina erklärt: „ Ja, das Gefühl war überwältigend. Positiv überwältigend.”

Am meisten geholfen hat ihr allerdings der Austausch mit Menschen, die das Gleiche erlebt haben. Der Austausch, bei dem man Tipps bekommt, aber auch Tipps geben kann. Eine große Runde an neuen Freund:innen, mit denen Janina fachsimpeln konnte. Eine Begegnung, die ihr besonders geholfen hat, war das Kennenlernen einer Frau, die in fast genau derselben Situation steckte wie Janina. Auch bei ihr wurde während der Schwangerschaft Krebs diagnostiziert. Die Kinder der beiden kamen im Abstand von nur  zwei Tagen zur Welt.

Janinas Freundeskreis hat sich aufgrund dieser Kontakte während der Behandlung vergrößert. Was sie überrascht hat, ist, dass ihre alten Freund:innen geblieben sind. Ihre Befürchtung war, dass sich der eine oder die andere ganz heimlich still und leise aus dem Staub machen würde, wie es ja bei vielen der Fall ist. Das ist nicht passiert. Es sind nur neue Freund:innen dazugekommen, mit denen sie ihr Leid teilt.

Janina und Baby grinsen in die Kamera.
Janina und Baby grinsen in die Kamera. (Foto: Janina Gaisbauer)

Im Nachhinein ist auch Janina klüger

Hinzugekommen ist auch ihre Ungeduld. Früher war sie viel entspannter, gibt Janina ohne Zögern zu. Sie glaubt, die Endlichkeit zu spüren – zumindest unterbewusst. Worauf sie sich in ihrem jetzigen Alltag jedoch konzentriert, ist die Normalität. Besuche im Tanzsportverein, Babyschwimmen mit der Kleinen, Momente genießen – trotz Krankheit. Wer ihr auch zur Seite steht, ist ihre Haushaltshilfe. So schafft Janina es, auch einfach nur einmal Mensch zu sein, statt nur Mama oder Patientin. Normalität, das ist es, was ihr in dieser Zeit am meisten hilft.

Nach einem Jahr Behandlung ist Janina viel klüger geworden. Heute weiß sie: Zu viel Google (besonders zu Beginn) ist nicht ratsam. Ja, das Internet berichtet auch über viel Schönes. Es erzählt dir aber auch unzählige Horrorgeschichten, die man nicht kennen muss. Ihre Tipps: Vergiss Google und höre auf deine Ärzt:innen, denn die wissen, was sie tun! Wenn Fragen auftauchen, schreib sie auf und gehe dann mit deiner kleinen (oder großen) Liste zu den Spezialist:innen. Und: Nimm dir noch jemanden mit, der ein bisschen für dich mitdenken kann.“

Nicht nur Janinas Wissensstand, sondern auch ihre Wünsche haben sich geändert. Was sie sich heute wünscht? Dass sie ihr Kind aufwachsen sehen darf. Dass vielleicht ein Geschwisterchen dazukommt. Dass sie miterleben darf, wie das Kind eine eigene Familie gründet. Dass sie leben darf. Ganz piepslangweilig und ohne Überraschungen. Denn eines steht für sie fest: Sie möchte nicht noch einmal so ein aufregendes Jahr erleben.

Lust auf mehr Porträts? Im ersten Teil der Serie sprechen wir mit Carsten, der sich vom Unteroffizier zum Psychoonkologen gewandelt hat.

Titelfoto: Janina Gaisbauer

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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