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Patient Advocate des Monats
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Wie hilfst du Patient:innen mit Lungenkrebs, Jesme Fox?

Von der Medizinerin zur engagierten Kämpferin in der Lungenkrebsforschung – nach ihrem Abschluss an der Universität in Glasgow und einigen Jahren in der Onkologie widmet sich Jesme Fox nun voller Energie der Roy Castle Lung Cancer Foundation.

Als die Roy Castle Lung Cancer Foundation (RCLCF) bei Jesme Fox anklopft, ahnt sie nicht, wie sehr das ihr Leben auf den Kopf stellen würde. Die schottische Ärztin mit Gesundheitsmanagementausbildung verbrachte sieben Jahre am Beatson Cancer Centre in Glasgow, bis sie sich plötzlich einer völlig neuen Herausforderung stellt.  

Gemeinsam mit drei Lungenkrebspatient:innen und deren Ehepartner:innen mietet sie ein Büro in Glasgow für die RCLCF, bastelt Infomaterialien für Patient:innen, gründet eine Selbsthilfegruppe und stellt die erste Lungenkrebsspezialpflegekraft der RCLCF in Glasgow ein.  

Auf Lungenkrebs spezialisierte Pflegekräfte sind heute in unser Gesundheitssystem integriert und tragen entscheidend dazu bei, dass Patient:innen mit Lungenkrebs während ihrer gesamten Behandlung unterstützt und angemessen informiert werden.“

Im Herbst 1998 fragte Professor Ray Donnelly, der Gründer der Organisation, ob sie die ehrenamtliche Tätigkeit zum Vollzeitposten wandeln wolle. Und Jesmes Antwort? „Warum nicht!“ Seitdem wirbelt sie in Glasgow herum, verbessert die Versorgung von Lungenkrebspatient:innen und gibt ihnen neue Hoffnung. Und der Rest ist, wie sie sagt, Geschichte. Eine Geschichte, die sie in diesem Interview mit uns teilt. 

Über die Serie

Wie setzen Patient Advocates sich für die Belange von Patient:innen ein? Im Rahmen unserer Serie „Mit uns statt über uns“ interviewen wir jeden Monat Patient:innenenvertreter:innen aus aller Welt über ihre Arbeit für Betroffene, ihren Einsatz für mehr Mitsprache – und darüber, was sie täglich anspornt, weiterzumachen.

Warum bist du Patient:innenvertreterin geworden? 

Es sind nun 25 Jahre vergangen, seit ich der Roy Castle Lung Cancer Foundation beigetreten bin. Damals war die Prognose für Lungenkrebspatient:innen wirklich schlecht. Nur wenige wurden früh genug diagnostiziert, um potenziell heilende Behandlungen zu erhalten. Die Mehrheit erhielt keine aktive Krebstherapie oder nur relativ toxische Chemotherapien mit wenig Nutzen. 

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Keine aktive Krebstherapie - so sah die Realität vor 25 Jahren für Lungenkrebspatient:innen aus. Für Jesme Fox nicht akzeptabel. (Foto: Pexels/Sheinshine)

Die Krankheit war umgeben von viel Negativität: Rauchen als Ursache, schlechte Prognosen und Hoffnungslosigkeit sowohl von Seiten der Patient:innen als auch der Gesundheitsfachkräfte. Zudem gab es kaum Informationen oder emotionale Unterstützung für Lungenkrebspatient:innen. 

Im Laufe der Jahre haben wir viele Verbesserungen für Lungenkrebspatient:innen im Vereinigten Königreich gesehen, und ich bin stolz, einen kleinen Beitrag geleistet zu haben.
Jesme Fox
Medizinische Direktorin der RCLCF und Patient Advocate

Ich sehe mich nicht als Patient:innenvertreterin, sondern als Fürsprecherin. Es waren die Patient:innen und ihre Familien, die mir bewusst machten, wie tiefgreifend Lungenkrebs ihr Leben beeinflusst und wie notwendig es ist, den Status quo zu ändern und das System zu verbessern.  

Welche Rolle spielt Patient Advocacy in deinem Land?  

Vor 25 Jahren war die Patient:innenvertretung ein sehr neues Konzept. Im Krebsbereich gab es einige Brustkrebsvertreter:innen, die das Bewusstsein für Selbstuntersuchungen und Screening schärften.  

Patient:innenerfahrungen sind äußerst einflussreich, ob in Gesprächen mit Politiker:innen, Medien oder Gesundheitsfachkräften. In Großbritannien sorgen Patient Advocates dafür, dass die Bedürfnisse der Betroffenen im Gesundheitsdienst priorisiert werden.

Ihre Beteiligung ist in lokalen und nationalen Gesundheitsgremien sowie in klinischen und forschungsberatenden Gruppen fest etabliert.
Jesme Fox
Medizinische Direktorin der RCLCF und Patient Advocate

Trotzdem gibt es Herausforderungen bei der Rekrutierung, Schulung und Unterstützung geeigneter Vertreter:innen und bei der Sicherstellung, dass diese die Ansichten ihrer Mitpatient:innen widerspiegeln. 

Wie änderst du das System? 

Als medizinische Direktorin der RCLCF betreue ich das Forschungsportfolio und die politischen Arbeiten der Wohltätigkeitsorganisation. Unsere Hauptprioritäten in diesem Moment sind die Früherkennung von Lungenkrebs, die Umsetzung des “National Optimal Lung Cancer Pathway” also des nationalen Krebsplans und schnelle Biomarker-Tests. 

Eine frühe Diagnose bei Lungenkrebs ist entscheidend. Derzeit konzentrieren wir uns auf ein nationales Lungenkrebsscreening-Programm mit Niedrigdosis-CT für Risikopersonen. Das hat sich als effektiv erwiesen, um Lungenkrebs frühzeitig zu erkennen, wenn die Patient:innen asymptomatisch sind und eine potenziell kurative Behandlung möglich ist.  

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Fast so lebensrettend wie ein bewachter Badestrand - das nationale Lungenkrebsscreening-Programm mit Niedrigdosis-CT für Risikopersonen. (Foto: Unsplash/Cassiano Psomas)

Nach Jahren haben wir endlich eine positive Empfehlung vom britischen Nationalen Screening-Komitee. Die Herausforderung besteht nun darin, das Programm umzusetzen und zum Laufen zu bringen. Im Rahmen des sogenannten “Targeted Lung Health Check”- Programms (einem gezielten Gesundheitscheck der Lunge) haben in England bereits über 3.900 Menschen eine Lungenkrebsdiagnose erhalten, davon 75 Prozent in einem frühen Stadium. 

Stell dir vor: Du hast deine Ziele erreicht. Wie sieht die Welt jetzt aus?  

Lungenkrebs ist die häufigste krebsbedingte Todesursache weltweit. Daher ist das Ziel, Lungenkrebs zu bekämpfen.

Man könnte das Risiko zum Beispiel durch den Verzicht auf Rauchen minimieren. Denn etwa 85 Prozent aller Lungenkrebsfälle werden durch Rauchen verursacht. Daher wäre das in dieser idealen Welt Geschichte. Auch Luftverschmutzung ist eine Ursache für Lungenkrebs. Also müsste die industrielle Verschmutzung bekämpft und der Klimawandel abgewendet worden sein. 

Außerdem gäbe es ein Screening-Programm für alle – mit neueren und günstigeren Biomarker-Tests, die Lungenkrebs im Frühstadium erkennen. Und die wenigen Menschen, die weiterhin an Lungenkrebs erkranken, hätten Zugang zu psychosozialer Unterstützung und spezialisierter Pflege. Lungenkrebs würde im Wesentlichen zu einer seltenen und chronischen Krankheit werden. 

Nun, ich kann träumen! Wir sind auf einer Art Reise und es liegt noch ein langer Weg vor uns.

Quellen und Links:  

Titelbild: Privat

Über die Serie

Stell dir vor, du hast kein Wahlrecht. Du lebst zwar in einem modernen Staat, doch es gibt niemanden, der oder die deine Interessen vertritt. Sobald du bei Entscheidungen mitreden willst, heißt es: Sorry, das geht nicht. Du bist ja kein:e Expert:in.

So ähnlich könnte man den aktuellen Zustand der Patient:innenvertretung beschreiben. Okay, das Gesundheitssystem ist natürlich keine Diktatur. Tatsache ist aber, dass Patient:innen in vielen Ländern bei wesentlichen Entscheidungen kaum mitbestimmen können.

Genau darum geht es in “Mit uns statt über uns”. In unserer Serie machen wir erfahrbar, warum es dringend mehr anerkannte, professionelle Patient:innenvertretungen braucht. Wir greifen das Thema in aller Tiefe auf. Zeigen Beispiele, blicken in andere Länder, entlarven die Einwände, sprechen über Vorteile und schlagen vor, wie ein Paradigmenwechsel funktionieren könnte.

Mit  dieser Serie verbinden wir zwei Leidenschaften. Wir sind ein Magazin, arbeiten journalistisch und fühlen uns ausgewogener Berichterstattung verpflichtet. Wir sind aber auch Teil von euch, unserer Patient:innencommunity, und wollen mehr Mitsprache. Wir nehmen uns nichts Geringeres vor, als beides zu erreichen.

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