Wie schärfst du das Bewusstsein für Nierenkrebs, Karin?
Wie ein scharfer Chili bringt Karin Kastrati Würze in die Krebsversorgung und sorgt dafür, dass Patient:innen gut betreut sind. Angespornt von Krebserfahrungen in der Familie und ihrem Wissensdurst engagiert sie sich seit ihrer Entdeckung des „Nierenkrebs-Netzwerk Deutschland e.V.“ mit Feuer für Patient:innen.
Scharf, schärfer, Karins Leidenschaft. Nach ihrem Studium der Ernährungswissenschaften stürzt sich Karin feurig in die Welt der Öffentlichkeitsarbeit und unterstützt Firmen im Bereich Gesundheit und Ernährung. Mit der Geburt ihres Kindes wagt sie den Sprung in die Selbstständigkeit, bis sie plötzlich mit einer neuen Situation konfrontiert ist.
Ein Familienmitglied erkrankt an Nierenkrebs und breitet sich aus. Das ist für Karin das Go-Kommando, um zu recherchieren. Dabei stößt sie auf den Verein „Nierenkrebs-Netzwerk Deutschland e.V.“, der zufälligerweise nach Kommunikationsunterstützung sucht. Seit 2008 mischt Karin nun dort mit und ist mittlerweile Geschäftsführerin.
Aber Karin bleibt auch der Ernährung treu und setzt sich in verschiedenen Gremien für eine bessere Ernährungsversorgung von Krebspatient:innen ein.
Über die Serie
Wie setzen sich Patient Advocates für die Belange von Patient:innen ein? Im Rahmen unserer Serie „Mit uns statt über uns“ interviewen wir jeden Monat Patient:innenenvertreter:innen aus aller Welt über ihre Arbeit für Betroffene, ihren Einsatz für mehr Mitsprache – und darüber, was sie täglich anspornt, weiterzumachen.
Warum bist du Patient:innenvertreterin geworden?
Bei Nierenkrebs handelt es sich um eine seltene Krebsart, über die in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt ist. Viele Betroffene haben vorher noch nie davon gehört und wissen nicht, wie er behandelt wird. Hier gibt es also noch viel Aufklärung zu leisten. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten.
Als ich bei der Patient:innenorganisation gelandet bin, wurden all meine Fragen beantwortet. Das hat mir meine Angst genommen. Ich bin der Meinung, gut informierte Patient:innen können das, was vor ihnen liegt, wesentlich besser meistern.
Wie änderst du das System?
Das “Nierenkrebs-Netzwerk Deutschland e.V.” ist ein relativ kleiner Verein, trotzdem haben wir ein vielfältiges Informations- und Unterstützungsangebot für Patient:innen. Neben allgemeinen Informationen und Gruppentreffen off- und online, gibt es auf unserer Webseite die Möglichkeit, sich gegenseitig auszutauschen und in unserer Nebenwirkungsdatenbank Tipps von Patient:innen für Patient:innen zu lesen.
Ich bin immer wieder stolz auf das, was wir mit unserem kleinen Team in den vergangenen Jahren alles geschafft haben.
Zusätzlich übernehme ich noch vielfältige Patient-Advocacy-Aufgaben: Ich engagiere mich in der Arbeitsgemeinschaft „Prävention und Integrative Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft (PRiO)“ und bin Teil des Patient:innenbeirats des Westdeutschen Tumorzentrums in Essen.
Auf europäischer Ebene bin ich Teil von “WECAN”, dem Netzwerk europäischer Patient:innenorganisationen, unterstütze die „International Kidney Cancer Coalition“ und sitze im Patient-Advisory-Komitee der „European Cancer Organisation“.
Welche Rolle spielt Patient Advocacy in deinem Land?
Auch in Deutschland wird das Thema Patient Advocacy immer wichtiger. Einerseits geht es darum, die einzelnen Patient:innen zu stärken und auf dem Weg der Erkrankung zu unterstützen. Andererseits geht es darum, das System so anzupassen, dass alle Patient:innen profitieren. Ihre Stimme muss gehört werden.
In den vergangenen Jahren ist hier bereits viel passiert. Patient:innenvertreter:innen werden ernster genommen als noch vor einigen Jahren und haben oftmals einen Platz „am Tisch“. Vor allem im Bereich der frühen Einbindung von Patient:innenvertreter:innen in klinische Studien sehen wir gerade einen Wandel.
Dieser kommt jedoch nicht ohne Herausforderungen: Es ist ganz klar zu sehen, dass wir hierzulande zu wenige gut ausgebildete Patient:innenvertreter:innen haben, die auf allen Ebenen der Gesundheitsversorgung mitdiskutieren können – dies gilt es mit guten Schulungen zu ändern.
Auch beim Thema Vergütung der Tätigkeiten von Patient:innenvertreter:innen sind wir noch lange nicht da, wo wir hinsollten. Die Arbeit der Patient:innen sollte ebenso vergütet werden wie die der anderen Expert:innen. Es kann nicht sein, dass hier immer noch auf Ehrenamtlichkeit gesetzt wird.
Stell dir vor: Du hast dein Ziel erreicht! Wie sieht die Welt jetzt aus?
Wenn alles wahr werden würde, wofür ich mich einsetze, wäre die Welt von Krebspatient:innen eine bessere. Durch eine gute Prävention wären viele Krebsfälle vermeidbar.
Tritt dann aber doch mal Krebs auf, wird dieser durch eine frühe und regelmäßige Früherkennung immer in einem frühen und meist heilbaren Stadium entdeckt.
Erkrankte Patient:innen werden von ihrem Behandlungsteam gut über die Erkrankung und alle Therapiemöglichkeiten aufgeklärt. Sie werden mit all ihren Anliegen ernst genommen und treffen eine gemeinsame Entscheidung für einen Behandlungsweg. Oh, das wäre schön.
Quellen und Links:
- Kurvenkratzer-Lexikon: Was ist ein Patient Advocate?
- Beim Nierenkrebs-Netzwerk Deutschland e.V. hilft Karin Patient:innen mit Nierenkrebs.
- In der AG Prävention und Integrative Onkologie setzt sich Karin für die Sicht der Patient:innen in der Onkologie ein.
- Das Netzwerk WECAN hilft Patient:innenorganisationen in ganz Europa sich miteinander auszutauschen.
Titelbild: Privat
Über die Serie
Stell dir vor, du hast kein Wahlrecht. Du lebst zwar in einem modernen Staat, doch es gibt niemanden, der oder die deine Interessen vertritt. Sobald du bei Entscheidungen mitreden willst, heißt es: Sorry, das geht nicht. Du bist ja kein:e Expert:in. So ähnlich könnte man den aktuellen Zustand der Patient:innenvertretung beschreiben. Okay, das Gesundheitssystem ist natürlich keine Diktatur. Tatsache ist aber, dass Patient:innen in vielen Ländern bei wesentlichen Entscheidungen kaum mitbestimmen können. Genau darum geht es in “Mit uns statt über uns”. In unserer Serie machen wir erfahrbar, warum es dringend mehr anerkannte, professionelle Patient:innenvertretungen braucht. Wir greifen das Thema in aller Tiefe auf. Zeigen Beispiele, blicken in andere Länder, entlarven die Einwände, sprechen über Vorteile und schlagen vor, wie ein Paradigmenwechsel funktionieren könnte.
Mit dieser Serie verbinden wir zwei Leidenschaften. Wir sind ein Magazin, arbeiten journalistisch und fühlen uns ausgewogener Berichterstattung verpflichtet. Wir sind aber auch Teil von euch, unserer Patient:innencommunity, und wollen mehr Mitsprache. Wir nehmen uns nichts Geringeres vor, als beides zu erreichen.