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Patient Advocate des Monats
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Wie setzt du dich für Kinder mit Krebs ein, Delphine?

Wirtschaftsanwältin, Unternehmensberaterin, Expertin für erneuerbare Energien: Delphine Heenens Karriere verlief eigentlich in klaren Bahnen. Dann bekam ihr Sohn Krebs. Heute leitet die Belgierin eine erfolgreiche Patient:innenorganisation. Und will nichts Geringeres als Kinderkrebs besiegen.

Delphine Heenens Leben veränderte sich, als ihr krebskranker Sohn einen Rückfall erlitt. Damals hatte sie ein wichtiges Aha-Erlebnis: “Ich war absolut erstaunt zu erfahren, dass es kaum Innovationen für Kinder mit Krebs gab. Neue Behandlungen und Medikamente fehlten, und die Überlebensrate hatte sich im Laufe der Jahre nicht verbessert.”

Das war im Jahr 2017. Für die Belgierin aus Ixelles, einer Gemeinde nahe Brüssel, war diese Erkenntnis ein Weckruf: Sie kündigte ihren Job und gründete eine Kinderkrebsstiftung, KickCancer. Ihre Mission: “Jedes Kind mit Krebs heilen.”

Wie will Delphine ihr Ziel erreichen, und was treibt sie an? Das liest du im Kurvenkratzer-Interview.

Über die Serie

Wie setzen Patient Advocates sich für die Belange von Patient:innen ein? Im Rahmen unserer Serie „Mit uns statt über uns“ interviewen wir jeden Monat Patient:innenenvertreter:innen aus aller Welt über ihre Arbeit für Betroffene, ihren Einsatz für mehr Mitsprache – und darüber, was sie täglich anspornt, weiterzumachen.

Warum bist du Patient:innenvertreterin geworden?

Es begann mit einer sehr persönlichen Geschichte: Als Mutter, die gegen den Mangel an Innovationen kämpfen wollte, mit dem ich während der Behandlung meines Sohnes konfrontiert war.

Heute verstehe ich meine Rolle als Patient:innenvertreterin ganzheitlich. Es ist mein Vollzeitjob, mich mit allen Facetten rund um Kinderkrebs zu beschäftigen und mit allen beteiligten Parteien in Kontakt zu treten – von Onkolog:innen über Familien bis hin zur akademischen Welt, Politiker:innen oder Medien.

Früher hätte ich mir nie vorstellen können, mich einmal so sehr darauf zu konzentrieren, das Feld der pädiatrischen Krebsforschung zu kartieren. Mit dem Ziel, die Lücken Schritt für Schritt zu schließen. KickCancer und ich tun alles, was wir können. Für alle Familien, die von Kinderkrebs betroffen sind oder sein werden.

Ich möchte die Stimme vieler sein, sei es im Europäischen Parlament oder auf Konferenzen.
Delphine Heenen
KickCancer

Welche Rolle spielt Patient Advocacy in deinem Land?

Die Interessensvertretung für Kinderkrebs spielt sich vor allem auf europäischer Ebene ab. Eine weitere wichtige Tatsache ist, dass jede Art von Kinderkrebs genau genommen in die Kategorie der seltenen Erkrankungen fällt. Deshalb müssen wir den Fortschritt und die Innovation vor allem international vorantreiben. Auch der Beitrag belgischer Patient:innen erfolgt daher größtenteils auf europäischer Ebene. Dort sollten auch die entsprechenden Forschungsprojekte stattfinden.

Belgische Patient:innen können aber dabei helfen, die Versorgung für zukünftige junge Patient:innen zu verbessern. Jedes Jahr veranstaltet KickCancer ein Training für Patient:innen und ihre Eltern, die Expertenpatient:innen werden möchten. Sie lernen, ihre Erfahrungen auf übergeordneter Ebene zu betrachten. Und, wie sie die Bedürfnisse von Patient:innen in Forschungsprojekten einbringen.

Auch lernen sie, wie sie als Ansprechpartner:innen für andere Patient:innen fungieren können, im Rahmen von Peer-to-Peer-Unterstützung.

Ein Käfer rollt einen riesigen Mistball vor sich her.
Die Welt von Kinderkrebs befreien: Dieses Megaprojekt hat sich Delphine zur Aufgabe gemacht. Im Interview erzählt sie, wie sie diese Sisyphus-Arbeit bewältigt - und dabei optimistisch bleibt. (Foto: Topi Pigula/Pixabay)

Als Patient:innenorganisation setzt sich KickCancer für eine bessere Regulierung ein, auf europäischer wie auf nationaler Ebene. Wir freuen uns besonders über den Erfolg eines unserer nationalen Advocacy-Projekte, das wir gemeinsam mit anderen Organisationen umgesetzt haben: Seit Januar 2024 werden in Belgien Off-Label-Medikamente, für die es bisher keine Kostenvergütung gab, nun erstattet.

Dies ist eine sehr konkrete und positive Lösung für ein Problem, das etwa ein Viertel der belgischen pädiatrischen Krebspatient:innen betrifft.

Wie änderst du das System?

Für mich ist es wie ein Puzzle mit vielen Teilen, die alle dazu beitragen, Patient:innen zu stärken und besser einzubeziehen.

KickCancer hat ein Patient-Advocacy-Komitee mit dem Ziel, junge Patient:innen und ihre Eltern strukturell zu Wort kommen zu lassen. Damit sie einen direkten Einfluss auf die Qualität und die Ausrichtung von Forschungsprojekten haben, genauso wie auf den Versorgungsweg für junge Krebspatient:innen und ihre Familien.

Wir verschicken Newsletter, die speziell auf Patient:innen ausgerichtet sind und in denen wir relevante Informationen zur Verfügung stellen. In diesen E-Mails informieren wir sie über unsere Advocacy-Aktivitäten, über Forschung, unsere Projekte und unsere jährliche Patient:innenkonferenz, bei der wir immer ein spezifisches Thema auf die Tagesordnung setzen – etwa die bisherige Nichterstattung von Off-Label-Medikamenten.

Eines der patient:innenzentrierten Projekte, die wir 2023 umgesetzt haben, ist das „My Companion Support Kit“. Dabei handelt es sich um ein praktisches Tool, das wir zusammen mit Expertenpatient:innen und Fachleuten aus den größten pädiatrischen Onkologiezentren Belgiens entwickelt haben.

Dafür sammelten sie alle Informationen, die sie während der Behandlung gern erhalten hätten. So bekommen Familien nun von Anfang an alle relevanten Informationen, die es ihnen ermöglichen, den Krebssturm zu bewältigen. “My Companion” wird seit Dezember 2023 an jede Familie in jeder belgischen pädiatrischen Onkologieabteilung verteilt. Wir sind sehr stolz auf dieses Projekt.

Ein Sturm peitscht eine Welle über die Hafenkante.
Wenn der Krebssturm über das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen peitscht, ist guter Rat spärlich. Das möchte Delphine ändern. (Foto: George de Sipris/Pexels)

Seit 2021 organisieren wir außerdem jedes Jahr gemeinsam mit dem Belgischen Zentrum für Expertenpatient:innen ein professionelles Expertenpatient:innen-Training. Dort lernen Teilnehmer:innen, wie sie in Diskussionen mit Forschenden, Pharmaunternehmen oder Behörden den Standpunkt der Patient:innen sinnvoll vertreten können.

Das Training ermöglicht es ihnen, die Stimme der Patient:innen zu sein und eine zentrale Rolle in regulatorischen Diskussionen über pädiatrische Krebserkrankungen zu spielen, genauso wie in klinischen Arbeitsgruppen oder als Ansprechpartner:innen für Peer-to-Peer-Unterstützung.

Stell dir vor: Du hast deine Ziele erreicht! Wie sieht die Welt jetzt aus?

Das wird der Fall sein, wenn jedes Kind mit Krebs geheilt wird, sich vollständig erholen kann und die verfügbaren Behandlungen weder akute Auswirkungen noch Langzeitfolgen haben. Das heißt: Die Patient:innen haben keine Lücken in ihrem schulischen Werdegang oder im Karriereweg. Und sie leiden nicht unter den Folgen toxischer Behandlungen – die derzeit schwere Folgen wie Blindheit, Amputationen oder sekundäre Krebserkrankungen nach sich ziehen.

Wenn das passiert, wird die Welt ein viel hellerer, hoffnungsvollerer und besserer Ort sein. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, aber ich bin optimistisch und freue mich darauf, die Auswirkungen aller Maßnahmen zu sehen, die wir und andere Patient:innenorganisationen setzen.

Weiterführende Links:

Titelfoto: Lydie Nesvadba

Über die Serie

Stell dir vor, du hast kein Wahlrecht. Du lebst zwar in einem modernen Staat, doch es gibt niemanden, der oder die deine Interessen vertritt. Sobald du bei Entscheidungen mitreden willst, heißt es: Sorry, das geht nicht. Du bist ja kein:e Expert:in. So ähnlich könnte man den aktuellen Zustand der Patient:innenvertretung beschreiben. Okay, das Gesundheitssystem ist natürlich keine Diktatur. Tatsache ist aber, dass Patient:innen in vielen Ländern bei wesentlichen Entscheidungen kaum mitbestimmen können. Genau darum geht es in “Mit uns statt über uns”. In unserer Serie machen wir erfahrbar, warum es dringend mehr anerkannte, professionelle Patient:innenvertretungen braucht. Wir greifen das Thema in aller Tiefe auf. Zeigen Beispiele, blicken in andere Länder, entlarven die Einwände, sprechen über Vorteile und schlagen vor, wie ein Paradigmenwechsel funktionieren könnte.

Mit  dieser Serie verbinden wir zwei Leidenschaften. Wir sind ein Magazin, arbeiten journalistisch und fühlen uns ausgewogener Berichterstattung verpflichtet. Wir sind aber auch Teil von euch, unserer Patient:innencommunity, und wollen mehr Mitsprache. Wir nehmen uns nichts Geringeres vor, als beides zu erreichen.

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