Wie wurde Krebs für dich zur Armutsfalle, Franziska Fischer?
Universität, Auslandsjob – Krebsdiagnose. So liest sich die Kurzfassung von Franziska Fischers Werdegang. Die Krankheit ist für die Lehrerin und Kurvenkratzer-Followerin aber nicht nur eine körperliche und seelische Belastung, sondern auch eine riesige finanzielle Herausforderung. Wie sie damit umgeht.
Gerade nahm ihre Karriere Fahrt auf, da kam die Krebsdiagnose. Bereits zum zweiten Mal: Schon 2020 hatte Franziska Fischer Brustkrebs. Knapp drei Jahre später, Anfang 2023, dann die erneute Diagnose. Metastasierter Brustkrebs. Scheiße.
Eine lebensgefährliche Krankheit kommt natürlich nie gelegen, dieses Mal war der Zeitpunkt aber besonders ungünstig. Franziska war gerade in Georgien an einer deutschen Schule angestellt. Nach dortigem Arbeitsrecht. Und das erlaubt es dem Arbeitgeber, Angestellte nach acht Wochen Krankheit zu entlassen. In Deutschland hatte Franziska aufgrund ihres Auslandsjobs jedoch kaum finanzielle Ansprüche.
Im Kurvenkratzer-Talk berichtet sie, wie sie die Armutsfalle Krebs meistert.
Stimmen aus der Community: Krebs als Armutsfalle
Wie gehen Krebsbetroffene mit der doppelten Belastung aus Erkrankung und Geldproblemen um? In unserer neuen Miniserie beantworten Mitglieder der Kurvenkratzer-Community diese Frage – und berichten, was sie beim Meistern dieser Herausforderung gelernt haben.
Wie hat die Krebsdiagnose deine finanzielle Situation beeinflusst?
Durch meine metastasierte Brustkrebserkrankung im Januar 2023 wurde ich nach zweimonatigem Krankenstand erst einmal arbeitslos. Da ich nach meinem Referendariat direkt als angestellte Lehrkraft ins Ausland gegangen war, hatte ich in Deutschland nicht in die Rentenkasse oder ähnliches eingezahlt. Ich hatte somit kein Anrecht auf Krankengeld oder Arbeitslosengeld und fiel direkt ins Bürgergeld.
Ich konnte zum Glück erst einmal bei meinen Eltern unterkommen. Sonst wäre es schwierig geworden, so kurzfristig und als kranke, arbeitslose Person eine Wohnung zu finden.
Ich war finanziell bereits sehr angeschlagen. Zwar wurde mir der Bürgergeldhöchstsatz von 502 Euro pro Monat anerkannt, jedoch war es ein langwieriger Prozess, bis mir das Geld zum ersten Mal ausbezahlt wurde. Währenddessen musste ich meine Versicherungen weiterbezahlen und auch für die Fahrtkosten zu Arztbesuchen aufkommen. Ohne die finanzielle Stütze meiner Eltern wäre das unmöglich gewesen.
Ich hatte zum Glück zu Beginn meines Referendariats eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Diese wurde mir aber erst nach sechs Monaten Krankheit im September 2023 ausbezahlt.
Hier erhalte ich nun monatlich einen Betrag ausbezahlt, der mich zwar finanziell unterstützt, von dem allein ich aber nicht leben kann. Der Betrag der Versicherung reicht nicht zum Leben aus, ist aber zu hoch, um weiterhin für Bürgergeld berechtigt zu sein. Auch eine Erwerbsminderungsrente, welche mir vom Jobcenter nahegelegt wurde, kann ich nicht beantragen, da ich noch nicht lang genug in die Rentenkasse einbezahlt habe.
Deshalb arbeite ich seit September in Teilzeit an einer Grundschule, jedoch gegen die Empfehlung meiner Onkologin. Eigentlich sollte ich mich schonen. Gerade die Arbeit mit kleinen Kindern birgt ein hohes Infektionsrisiko, besonders im Herbst und Winter. Doch meine finanzielle Lage lässt das nicht zu. Die Unsicherheit ist auch weiterhin eine große Belastung für mich.
Wie gehst du mit dieser Herausforderung um?
Für mich ist es sehr schwer, mit dieser Herausforderung umzugehen. Es ist für mich schon schlimm genug, dass ich mit 33 Jahren krank bin, starke Medikamente nehmen muss und viele Dinge nicht mehr tun kann, die eigentlich in meinem Alter ganz selbstverständlich sind.
Zusätzlich zu dieser großen Last auch noch finanzielle Sorgen zu haben, hat meine Situation um ein Vielfaches verschlimmert. Ich bekomme auch nirgends so wirklich Auskunft, da ich in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall bin. Ich musste neben meiner gerade anlaufenden Therapie viel Zeit, Kraft und Durchhaltevermögen aufbringen, um mich durch den Dschungel an Anträgen zu kämpfen, Behördengänge mit unsensiblem Personal zu meistern und mich zu informieren.
Für mich war es eine große Hilfe, dass ich von meiner Familie und meinen Freund:innen sowohl in finanzieller als auch mentaler Hinsicht aufgefangen wurde. Sie hielten mir im letzten halben Jahr den Rücken frei, unterstützten mich in vielen Bereichen und gaben mir die Kraft, das alles zu meistern. Ohne die vielen lieben Menschen in meinem Umfeld hätte ich das alles nicht geschafft.
Was hast du gelernt und kannst du an andere Betroffene weitergeben?
Ich habe gelernt, dass es in solchen Ausnahmesituationen superwichtig ist, sich Hilfe zu holen und sich dafür auch nicht zu schämen. Diese Hilfe beginnt im sozialen Umfeld, egal ob als emotionale Unterstützung, beim Vereinbaren von Terminen, Recherche im Internet, oder eben auch in Form eines finanziellen Supports.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die einem nahe stehen, sehr gerne helfen wollen, aber nicht immer wissen wie. Hier hat es mir geholfen, klar zu benennen, wo genau ich Hilfe benötige. Außerdem habe ich mir auch Hilfe bei Krebsberatungsstellen geholt, die viele wertvolle Tipps haben und mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Es ist ebenfalls wichtig, seine Rechte zu kennen, informiert zu sein und für sich selbst einzustehen. Zwar kostet es neben der Therapie viel Kraft, hilft aber sehr, im Behördendschungel und bei den eigenen Finanzen nicht den Überblick zu verlieren. Und wenn dir das selbst mal zu viel wird, gibt es bestimmt eine liebe Person, die sich gemeinsam mit dir darum kümmert.
Ein letzter wichtiger Punkt ist meiner Meinung nach, dass wir viel mehr über unsere Finanzen reden müssen, egal ob als kranker oder gesunder Mensch. Oft ist Geld ein Tabuthema, aber gerade als junger kranker Mensch spielt es eine große Rolle.
Weiterführende Links
- Die Deutsche Krebshilfe hat einen Härtefonds eingerichtet. Dort können Betroffene kurzfristig Hilfe beantragen, wenn sie in finanzielle Turbulenzen geraten.
- Die Österreichische Krebshilfe ist in der Alpenrepublik wichtige Anlaufstelle für Betroffene.
Titelbild: Privat
Über die Serie
Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.
Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.