Zuletzt gelacht ist (noch lang) nicht totgelacht
Um Sterben und Tod zu verarbeiten, hat sich die Menschheit eine unfassbare Menge an Umschreibungen einfallen lassen. Schauen wir uns doch ihre Herkunft an und finden heraus, was sie bedeuten.
-
“Ins Gras beißen”
Hier kommt jetzt die Ziege ins Spiel. Also rein metaphorisch, denn sie beißt jeden Tag ins Gras. Bei der Herkunft dieser Redewendung scheiden sich die Geister:
- Ob der antike Dichter Homer überhaupt existiert hat, ist nicht so ganz klar. Was aber klar ist: Wenn der Held in seinem ersten fiktionalen Werk des Abendlandes fällt, wird es damit beschrieben, dass er in den Staub beißt. Bei den Römern wurde es dann ein “in die Erde beißen”, was dann seinen Weg ins Deutsche fand. Eine ältere Redewendung über den Tod wirst du kaum finden.
- Manchmal, wenn Leute spontan abgekratzt sind und eine Notkommunion gehalten werden musste, hat man die:den Erstarrte:n statt der Hostie einfach etwas Gras oder Erde ins Maul gepfeffert. Ein recht unbefriedigender Ersatz eigentlich.
Der kleine verbale Unterschied zwischen Tod und Sterben
Der Tod ist furchtbar abstrakt, keiner wird je hundertprozentig wissen, was uns auf der anderen Seite erwartet. Deswegen gestaltet es sich auch viel schwieriger, für diesen geheimnisvollen Zustand Umschreibungen zu finden, als für den Prozess des Sterbens. Das Sterben ist ein schön dynamischer Vorgang, der von Leuten miterlebt werden kann, die dazu inspiriert werden, kreative Halbsätze zu erfinden, die diese skurrilen Szenen beschreiben. Wir haben übrigens jemanden interviewt, der uns an seinem Sterbensprozess teilhaben ließ.
-
“Abkratzen”
Auch dieses nette kleine Verb hat eine interessante Herkunft. Damals, zur Zeit von Monarchen, Thronsälen und Verbeugungen, tätigte man vor dem Adel den sogenannten “Kratzfuß”. Eine respektvolle Verbeugung, bei der man seinen Fuß scharrend nach hinten zog. Klingt so, als hätte es ein wenig dämlich ausgesehen. Aber sei’s drum – ein wenig Ironie obendrauf und ein schönes Synonym fürs Sterben ward geboren.
-
“Über den Jordan gehen”
Viele dieser Redewendungen entstammen, wer hätte das gedacht, dem ewigen Bestseller: der Bibel. So auch dieser. Sie bezieht sich auf den Exodus der Israeliten (featuring Moses), die vierzig Jahre durch die Wüste irrten, auf der Suche nach dem Heiligen Land, das irgendwo hinter dem Fluss Jordan lag. Später hat man den Jordan dann symbolisch gedeutet – als Eintritt in das Himmelsreich.
-
“Den Weg allen Fleisches gehen”
Bibel-Time, Teil zwei. Zitat Jehova aka brennender Dornenbusch zu Moses: “Alles Fleisches Ende ist vor mich gekommen.” Oder zu Noah, als Jahwe meinte, er habe das Ende allen Fleisches beschlossen, und dann die Erde in ein planetengroßes Plantschbecken verwandelte.
-
“Vor die Hunde gehen”
Wir schreiben das 17. Jahrhundert. Jäger jagen unnachgiebig Wild mit ihren Hundemeuten. Das schwächste Wild fällt den Hunden zum Opfer. Blut, Eingeweide. Viel bildlicher als diese Redewendung wird es nicht mehr.
-
Die Personifizierung des Todes
- “Dem Tod in die Augen sehen”
- “Der Tod schoss ihm:ihr in die Augen”
- “Der Tod hat angepocht”
Wer kennt nicht die fantasievollen Darstellungen des Todes als Sensenmann? Ein unsympathisches Gerippe mit schwarzem Umhang, Sanduhr und Sense, das uns Menschen dahinmähen soll. Der Ursprung dieser Personifizierung? Die kollektive Verarbeitung der Pestepidemie durch die Künstler dieser Zeit, die sich wohl durch das biblische Buch Hiob inspirieren haben lassen. Die Vergänglichkeit des Menschen wird darin mit Gräsern oder Blumen gleichgesetzt. Und der Tod kommt, um das Leben, oder die Seele eines reifen Menschen, zu ernten. So kam der Sensenmann wohl zu seinem markanten Instrument.
Auf der nächsten Seite wird es noch skurriler. Bitte einmal im Sarg umdrehen.
Über die Serie
Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.
Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.