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Das Gesundheitswesen schreibt Tagebuch
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Das Gesundheitswesen ist zurück! Besser als je zuvor?

Das Gesundheitswesen hat sich erfolgreich rehabilitiert und kehrt inspiriert an die Arbeit zurück. Dabei konfrontiert es seine Kolleg:innen mit Aussichten auf ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem. Der Anfang von etwas Neuem?

Was ich diesmal lerne: 

  • Ich bin auskuriert und habe nun ein neues Ziel: Aufklären! 
  • Nicht jede:r ist schon bereit für den Wandel im Gesundheitssystem. 
  • Ich will die volle Dosis Zukunft! Und suche mir Expert:innen aus dem Gesundheitssystem, mit denen ich darüber reden kann. 
  • Vielleicht sollte ich einen Podcast machen? 
  • Ich bin endlich rauchfrei! 

Wow, nach drei Wochen im Rehazentrum Tannenspitz fühle ich mich tatsächlich wie neu. Keine einzige Zigarette habe ich angefasst. Irgendwann ist mein Stress einfach dem Flow der Tage gewichen. Kein Gedanke ging mehr verloren an die komplizierte Gesundheitswelt da draußen.

 Was bisher geschah:   

Ich, das Gesundheitswesen, warüberlastet und wurde mit Burnout diagnostiziert. Die Psychotherapeutin riet mir, auf Spurensuche nach meinen Stressoren zu gehen. 

Und ich habe sie alle auf einer wilden Gefühlsachterbahn ausfindig gemacht. Lies die ganze Serie! 

Bis eines Tages, gegen Ende meiner Zeit dort, eine Physiotherapeutin ein Kompliment in meine Richtung aussprach: Ich sei topfit. Sie meinte, es wirke so, als hätte ich ein ganz bestimmtes Ziel. Denn so schnell würden nur die wenigsten vom Burnout “zurückbouncen”. Ihre Worte, nicht meine.  

Ich erkannte, dass sie Recht hatte. Meine Aufgabe war es, meine Stressoren zu finden. Das habe ich. Nun steht eine neue Aufgabe im Raum. 

Gleich viele Aufgaben wie Probleme 

Also “bounce” ich zurück auf die dunkelgrüne Couch meiner Psychotherapeutin und erzähle ihr von meiner letzten Erkenntnis. “Ich erfinde mich neu.” Sie nickt, mustert und rümpft subtil die Sorgenfalten. “Das ist gut. Aber findest du nicht, dass das nach vielen Aufgaben klingt, nach… großer Verantwortung?”  

Ich gehe in mich. “Ja, das schon, – aber ich bin nun mal das Gesundheitswesen. Die Verantwortung stört mich nicht. Es war viel eher die Verschlossenheit gegenüber dem Fortschritt, die mich schwerfällig gemacht hat.”  

Und mit diesen Worten springe ich auf, gebe ihr das letzte Honorar und mache ich mich an die Arbeit. Wiedereingliederung 2.0, Baby! 

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Ich springe auf, lasse das Honorar auf den Tisch flattern und ziehe los, als hätte ich den Turbo gezündet. Wiedereingliederung 2.0, Baby! (Illustration: Lena Kalinka)

Wiedereingegliedert? Ja, aber… 

Zu sagen, die Wiedereingliederung hätte funktioniert, wäre eine glatte Untertreibung. Gekonnt die WIETZ (wenn du bisher noch nicht wusstest, dass das ‘Wiedereingliederungsteilzeit“ heißt, dann lies hier nach) übersprungen, kehre ich voller Tatendrang an den Arbeitsplatz zurück. Wieder gibt es Kaffee, Kuchen, den kollegialen Smalltalk, und die eine Tante, die nach wie vor denkt, dass meine krankheitsbedingte Auszeit einem Urlaub gleichzusetzen ist. Aber das macht mir nichts mehr aus – und so setze ich ungefragt zu einer Rede an. 

“Wisst ihr, die letzten Wochen habe ich echt gelitten.“ 

Die Runde wirkt verunsichert. Das geht weit über den üblichen Smalltalk hinaus. 

Ich musste mir eingestehen, dass ich – das Gesundheitswesen – überarbeitet war.

Die Kollegin, die mein Burnout für Urlaub hält, rollt mit den Augen. 

Warum war ich überarbeitet? 

Stille. Alle im Raum scheinen eigentlich überarbeitet. 

“Weil ich in der Vergangenheit gelebt habe. Weil ich dachte, das System ist schon okay, so wie es ist. So viel Energie ist in mir verloren gegangen, nur, um mich gegen den Strom der Zeit zu stellen. Und dann habe ich dort hingeschaut, wo’s wehtut. Und das sollten wir alle tun!” 

In meinem Augenwinkel nickt jemand zustimmend. 

“Ihr habt doch alle lustige Tracking-Uhren an den Handgelenken, oder? Wir können die Daten nutzen, die sie sammeln. Aber wir brauchen Systeme, die daraus Muster ableiten. Zur Vorsorge – damit es gar nicht erst zur Krankheit kommt. Telemedizin, Leute. Praxen ohne Ärzt:innen, Gesundheitszentren mit Allgemeinmediziner:innen als Basis, eine elektronische Patient:innenakte, die verdammt noch mal funktioniert.”  

“Jawoll!”, schreit Ergin, der als Pathologe sehr davon profitieren würde. Ich rede unbeirrt weiter. Jetzt habe ich sie. 

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Smalltalk bei Kaffee und Kuchen? Nicht mit mir! Zeit für eine ungefragte Rede über das Gesundheitssystem der Zukunft. (Illustration: Lena Kalinka)

“Stellt euch das vor – eine gesundheitskompetente Bevölkerung. Wir müssen die Leute aufklären. Es hat ja nur keiner Vertrauen in das Neue, weil es niemand verständlich erklärt. Mir wurde es erklärt. Ich hatte das Glück, Expert:innen zu treffen. Und ich weiß noch längst nicht alles.“ 

Auf der nächsten Seite geht’s weiter mit der spannenden Diskussion!

Über die Serie

Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.

In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.

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