Die zehn ultimativen Erkenntnisse des Gesundheitswesens
Das Gesundheitswesen reflektiert, was es in den Gesprächen mit Expert:innen gelernt hat. Das Ergebnis ist eine To-Do-Liste, wie das System zukunftsfähig gemacht werden kann.
Und weiter geht’s mit Erkenntnissen:
Erkenntnis #4: Das ganze Gesundheitssystem muss von Patient:innen aus gedacht werden!
Ich weiß noch, wie ich mich den ganzen Tag gefragt hatte, wie zum Teufel die Gesellschaft von Sick- zu Healthcare kommt – also weg von diesem ineffizienten Reparaturdenken, das sich in die Medizin geschlichen hat.
Eine Darmspiegelung brachte mich dann in jenes schicksalsvolle Wartezimmer, in dem ich jemanden fand, der auf diese Frage Antwort wusste: Jens Ulrich Rüffer – Experte für Ärzt:innen-Patient:innenkommunikation – hat meinen verzweifelten Smalltalk-Versuch in ein inspirierendes Gespräch über Vorbeugung und Früherkennung verwandelt.
Und mich erkennen lassen, dass Patient:innen die wichtigste Ressource sind. Würde man der Bevölkerung mehr Gesundheitswissen beibringen, würde dies das Gesundheitssystem sehr entlasten.
Hier lang für das informativste Warteraumgespräch über Prävention und Früherkennung, das du je lesen wirst.
To-do:
- Gesundheitskompetenz fördern!
- Mehr Budget für Prävention.
- Gesundheitspolitik sollte immer von den Patient:innen aus gedacht werden.
- Prävention bedeutet langfristig Kosteneinsparung.
Zum ersten Mal schöpfte ich Hoffnung. Jens inspirierte mich – endlich jemand mit guten Ideen. Das war der Moment, in dem ich aktiv angefangen habe, etwas zu unternehmen und mich zu informieren.
Erkenntnis #5: Chronisch Kranke sind armutsgefährdet!
Ich wollte mir ja eigentlich nur einen Kaktus zulegen. Dann verklickerte mir eine Krebsbetroffene im Blumenladen, dass es nicht so ganz einfach ist mit dem Geld und dem Krebs. Auch die Gespräche mit Jürgen Walther vom Universitätsklinikum Heidelberg und Gerd Nettekoven von der Deutschen Krebshilfe gaben Aufschluss – von der überfordernden Bürokratie und den beachtlichen finanziellen Einbußen, die so eine langwierige Krankheit mit sich bringen kann.
Wieso die Politik nichts macht? Naja, die Mühlen mahlen langsam. Es gibt kaum Daten zu diesem Thema und ohne die entsprechenden Beweise geht sowieso nichts. Aber zumindest weiß ich dank Gerd und Jürgen jetzt genau, was zu tun ist!
Warum Armut so ein großes Problem bei chronischen Krankheiten ist, und wie sich das lösen lässt, verrät dieser Tagebucheintrag.
To-do:
- Bedarfsscreening einführen! Das bedeutet, Patient:innen zu fragen, wo sie besonders Unterstützung brauchen.
- Bürokratische Belastung abschaffen. Krebspatient:innen können diesen zusätzlichen Stress nicht gut gebrauchen.
- Neuentwurf des Krankengelds. Das derzeitige System ist veraltet und auf akute Krankheiten ausgelegt. Heutzutage haben die meisten Menschen aber eher chronische Krankheiten.
- Daten sammeln zum Zusammenhang zwischen chronischen Krankheiten und Armutsgefährdung.
Nach dieser Tour de Force der Informationsbeschaffung war ich mir sicher, dass es einen Ausweg gibt. Armutsgefährdung bekämpfen, für chronisch Kranke einstehen – das gab mir Glauben an den Wandel. Kurzum: Ich habe mich besser gefühlt. Und so dachte ich, es wäre vielleicht wieder an der Zeit, es mit Arbeiten zu probieren. Junge, lag ich falsch…
Erkenntnis #6: Die Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag ist mangelhaft geregelt!
Nach einer Woche hatte ich bereits aufgegeben. Ein WIETZ soll es gewesen sein. Ich verstand’s aber nicht. Und so kam es, dass ich wütend recherchierte, und ein Hamburger Modell kennenlernte.
Und so erfuhr ich von stufenweiser Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag. Unter ärztlicher Anleitung wird die Belastungsgrenze von Wiedergenesenen langsam ausgelotet. Aha, okay. In der Theorie hörte sich das ganz gut an, aber meine Erfahrung war eine andere.
Meine alte Freundin Martina Hagspiel bestätigte meine Befürchtungen. Diese Arbeitsmodelle sind nicht mehr zeitgemäß, weil sie starr und unflexibel sind. Man ist nicht vorbereitet auf die geringe Konzentrationsfähigkeit und niedrige Belastbarkeit, die viele nach mehreren Monaten Krankenstand nun mal haben.
Wie mein erster Wiedereingliederungsversuch gelaufen ist, berichtet dieser Eintrag. Immerhin habe ich einiges daraus gelernt – auch dank Martina Hagspiel.
To-do:
- Neue, flexiblere Wiedereingliederungsmodelle einführen. New Work, Baby!
- Mehr Rücksicht auf individuelle Lebensrealitäten nehmen.
Blätter um! Oder willst du verpassen, wie ich, das Gesundheitswesen, wieder gesund werde?
Über die Serie
Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.
In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.