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So trauert die Welt.
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Ein Blick über den Sargrand – Trauerrituale rund um den Globus

Die Welt ist bunt, der Tod nicht für jede:n das Ende, und Trauern nicht immer schwarz. Blickt man über den Sargrand, fällt relativ schnell auf, dass der Trubel rund um den Tod in vielen Kulturen eine lebensbejahende Angelegenheit ist. 

Tibet: buddhistisch 

Der ewige Kreislauf 

Auf dem Dach der Welt arbeitet man mit dem, was man hat: Platz. Unter freiem Himmel, irgendwo auf dem endlosen Plateau, werden die Körper ehemaliger Menschen auseinandergenommen und in die Weite geschmissen. Aasfresser wie Geier machen sich über die Überreste her und beteiligen sich somit am unromantischen Kreislauf des Lebens.  

Die übrig gebliebenen Knochen werden zermahlen und mit geröstetem Gerstenmehl vermischt. Diesen guten Misch werfen die Tibeter:innen dann in die Luft, damit die “Dakini” (tibetische Engel) daran speisen können. Mjam. 

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Die Geier in Tibet sind gut gefüttert - mit Menschenfleisch (Erklärung auf Englisch). (Video: YouTube)

Naher/Mittlerer Osten: muslimisch 

Im Islam wird zwar nicht gerade gefeiert, lautes Weinen und Klagen ist aber trotzdem nicht gern gesehen, weil es sonst so wirkt, als würde man an der Entscheidung Gottes zweifeln, den Menschen zu sich zu nehmen. Generell geht es eher diskret zu.  

Im Tod sind alle gleich, wissen die Muslime. Deswegen wird der:die Verstorbene noch am gleichen Tag beigesetzt – in einem schlichten Grab. Statt eines Sarges verwendet man ein Leichentuch. Der Körper wird natürlich nach Mekka ausgerichtet. Beim Trauern verhält es sich wie im öffentlichen Leben: Die Männer dürfen draußen trauern, während die Frauen zuhause zurechtkommen.

Schiiten und Sunniten sind übrigens keineswegs einerlei. So auch nicht beim Trauerritual. Die Schiiten gedenken jedes Jahr ihrer Toten im heiligen Trauermonat “Muharram” für ganze zehn Tage, während die Sunniten ihren Trauerprozess so kurz wie möglich halten. 

Isreal/Europa/Nordamerika: jüdisch 

Die Schiv’a 

Um die Weltreligionen vollständig abzudecken, beschäftigen wir uns natürlich auch mit dem Judentum.  

Bei der Schiv’a (hebräisch für sieben) geht alles relativ diskret vonstatten und die Leiche findet sich innerhalb von 24 Stunden im Grab wieder. Danach trauert die Familie sieben Tage lang und empfängt Besucher:innen, sodass sie nicht allein damit fertig werden muss. Das Ritual der  Schiv’a beginnt damit, ein mit Asche bestreutes Hühnerei zu essen (Ob das schmeckt?). Außerdem dürfen die Trauernden während dieser Zeit nicht arbeiten, keine Lederschuhe tragen und sich generell nicht umziehen.  

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Ein tolles Beispiel dafür, wie die Community den Trauernden in einer schwierigen Zeit helfen kann (Erklärung auf Englisch). (Video: YouTube)

Und das war’s noch nicht, denn auch normale Stühle sind in der Schiv’a ein No-Go. Entweder, man kauert am Boden, oder man sitzt auf niedrigen Sesseln. Wenn Besuch vorbeikommt, ist es ihm:ihr untersagt, das Gespräch zu beginnen. So können die Trauernden selbst bestimmen, wann sie ihre Gefühle in Worte fassen wollen, statt vermeintlich tröstende Worte aufgedrängt zu bekommen. Voll angenehm eigentlich. 

Navajo-Stamm 

Nun, als Abschluss ein Beispiel für eine Kultur, die Trauern gar nicht cool findet. Die Native Americans, heimisch in den US-Staaten Arizona, New Mexico und Utah, trauern kurzweilige vier Tage um ihre Toten. Danach ist es leider verpönt, auch nur eine Prise Trauer auszudrücken. Darüber sprechen ist auch eher ein Unding. Der Grund dafür ist die weitverbreitete Angst vor der Macht der Toten.

„Denn was heißt Sterben anderes, als nackt im Wind zu stehen und in der Sonne zu schmelzen! Und was heißt nicht mehr zu atmen anderes, als den Atem von seinen rastlosen Gezeiten zu befreien, damit er emporsteigt und sich entfaltet und ungehindert Gott suchen kann?“
Khalil Gibran

Die Farbe der Trauer ist…bunt! 

Jeppa, das war sie:unsere ausufernde Reise über den trauernden Erdball, knapp am Jenseits entlang. Schon heftig, wie anders Trauerrituale sein können. Da werden wir schon stutzig. Gerade ein erfülltes Leben gehört gefeiert. Auch, wenn es ohne die Person passiert, um deren Leben es geht. Vielleicht schauen wir uns was ab und essen die Asche unserer Verwandten mit gekochten Bananen. Zu extrem? Okay, vielleicht einfach eine Parade mit Big Band. Zu laut? Ach, du brave Europäer:in. Dann zumindest ein kurvenkratzerwürdiger Grabsteinspruch mit der vollen Breitseite an schwarzem Humor. Wo wir wieder bei der Farbe des Trauerns in unseren Gefilden wären. 

Warum dann nicht gleich näher damit beschäftigen? Im nächsten Artikel geht’s also zu den Trauerritualen in Mitteleuropa. Schließlich sind auch unsere Traditionen über Jahrhunderte hinweg entstanden und können doch einiges an Kreativität vorweisen.  Allerlei Neuartiges ist auch dabei – oder hast du schon einmal  davon gehört, dass man in Polen alle Spiegel verdeckt, damit die Seele des:der Toten sich nicht darin verfängt? Eben. Lass dich überraschen!  

Über die Serie

Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.

Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.

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