Heilende Naturtour mit einem Krebs-Grizzly
Peter Gajdorusz hat mehrere Schicksalsschläge abbekommen: Prostatakrebs, Trennung, Tod. In Zeiten intensiver Strömung besinnt er sich zurück zu seiner ersten Liebe – der Natur. Unser Redakteur David begleitet ihn zu seinen “Lieblingsplatzerln”.
Frühpension ist nicht gleich Frühpension
Das Wetter gibt sich unbeständig, es fängt wieder an zu regnen und wir treten den Heimweg an. Dieser Apriltag scheint fast symbolisch für die Höhen und Tiefen in Peters Leben. Bevor wir gehen, reißt er die Augen auf: Ein mundanes Stück Holz. “Ich liebe Schwemmholz über alles.” Ich muss schmunzeln. Im nächsten Moment zeigt er mir schon Bilder von seiner Schwemmholzkunst.
Inspiriert hat ihn eine Frau aus Triest, die ihre Stadt mit angemaltem Schwemmholz nachbaut. Peter hingegen will die blaue Kirche von Dürnstein nachahmen. Die ersten Resultate sind auch äußerst gelungen.
Das Schwemmholz ist nur ein Symptom seiner neuen Orientierung, still sitzen kann der gute Peter nämlich (glücklicherweise) nicht. Aus dem Frühpensionsvakuum heraus entsteht sein Blog “Stronggrizzly”, in dem er Gefühle und Informationen preisgibt und insbesondere Männern helfen will, die ebenso Prostatakrebs und Strahlentherapie vor sich haben.
Ohne die Schulmedizin je aus den Augen zu verlieren, beschäftigt er sich zusätzlich mit alternativen Heilmethoden. Er informiert sich eben, erkennt die Möglichkeiten, wenn sie sich zeigen, und ruft alle Welt an, wenn er was braucht. “Ich bin halt ein Checker. Im heutigen Gesundheitswesen musst du dir vieles selbst organisieren.”
Dann wären da noch die Videos – die YouTube-Version seiner Naturführer-Persona. Wenn er es schafft, die Leute so für die Natur zu begeistern wie mich auf dieser kleinen Wanderung, dann wird er noch einige damit erreichen. “Eigentlich hab‘ ich jetzt eh wieder einen Job – den Menschen die Natur über einen YouTube-Kanal näher zu bringen, Krebskranken und der Kinderkrebsforschung zu helfen”, fasst er für sich selbst zusammen. “Nein, Peter”, denke ich, “du hast mehrere Jobs”.
Zurück in die Zukunft
Selbst eine Frau ist auf einem SUP-Board in sein Leben gepaddelt. Nach der letzten Trennung hatte er gar nicht nach einer Beziehung gesucht, ist eher während langen Fahrten zur Krebstherapie nach Innsbruck oder Wien in sich gegangen. Doch die gemeinsamen Interessen haben sie auf natürliche Weise zusammengeführt. Sie liebt ihn so, wie er ist, und gibt ihm großen Halt in der Therapiebewältigung. “Seit ich Krebs habe, sind mir die wunderbarsten Menschen begegnet.”
Wenn ich eines von Sinneswandel-Porträts gelernt habe, dann, dass das Leben gerade denen hilft, die offen an sich arbeiten und trotz allem dankbar und positiv sind. Peter ist zuversichtlich, dass der Krebs früher oder später gänzlich verschwindet. Immerhin, die Metastasen scheinen alle widerstandlos abzuklingen.
Klicke hier, um alle Sinneswandel-Porträts auf einen Blick zu haben. Dort erzählen Krebspatient:innen von ihren Geschichten und Bewältigungsmethoden.
Wir fahren abermals durch die reingewaschene Wachau und unterhalten uns über unsere Lebensträume, von denen es mehr als genug gibt. Die ganze Zeit über kann ich nicht anders als zu denken, dass Krebs den guten alten Peter wieder auf die richtige Bahn geführt hat. Und diese Bahn ist unasphaltiert und führt geradewegs in die heilende Natur.
Wie viele von uns – manche bewusst, manche unbewusst – ist er dort auf der Suche nach seiner Berufung. Und wer weiß, vielleicht hat er sie ja schon gefunden?
Zum Weiterlesen:
- Auf Peters Blog teilt er Infos zu Therapieformen, Prostatakrebs und seinen Gefühlen während dieser Reise.
- Hier noch ein Blog zu all seinen naturbezogenen Aktivitäten.
- Die Kinderkrebsforschung ist Peters großes Anliegen – hier kannst du spenden.
- Peters YouTube-Kanal, auf dem er die Natur näherbringt.
Titelbild: David Splitt
Über die Serie
Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.
Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.