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Pflegen als Lebensinhalt
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Hilfe, ich habe das Helfersyndrom

Schon mal gefragt, wo Hilfe endet und Bevormundung beginnt? Du hast das Gefühl, der Pflegealltag wird zu deiner Identität? So sehr, dass du den zu Pflegenden den Platz zum Atmen nimmst? Dann aufgepasst: Es folgt eine Checkliste mit „Symptomen“ des Helfersyndroms.

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Du bist hier richtig, wenn… 

  • du aktuell eine (krebskranke) Person pflegst oder einen Pflegeberuf ausübst, 
  • dich in deiner Rolle als Pflegende:r verlierst,
  • wissen möchtest, wie du mehr chillen kannst, ohne dir ständige Angst um deine Angehörigen zu machen.

Kann man „zu viel“ helfen? Kann man zu selbstlos, zu großzügig, zu hilfsbereit sein? Tatsächlich lautet die Antwort hier: aber sowas von. Denn der Grat zwischen Hilfe anbieten und bevormunden ist schmäler als dein Geldbeutel am Monatsende.  

Wenn du eine (krebskranke) Person in deinem Umfeld pflegst und merkst, dass du dich in dieser Position verlierst, bist du hier genau richtig. Wir haben alle „Helfersyndrom-Symptome“ zusammengesammelt und bieten Lösungen, wie du als pflegende Person wieder etwas mehr Distanz bekommst.  

Das Syndrom des Helfens erklärt 

Bevor wir den Ursachen des Helfersyndroms auf die Spur kommen, sollten wir uns fragen: Warum helfen Menschen eigentlich? Forschende haben dafür mehrere schicke Theorien. Einige glauben, Altruismus – also die „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit und durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise“ – ist im Gehirn fest verankert – wahrscheinlich direkt neben dem Knopf für „sehr nett sein“.

Andere meinen, dass unsere Umgebung und der soziale Einfluss beim Aufwachsen eine große Rolle spielen. 

Hand greift nach Spiegelbild Hand im Wasser
Warum helfen wir eigentlich? Ist Hilfsbereitschaft tief im Gehirn verankert – oder eher ein Produkt des sozialen Umfelds? (Foto: Unsplash/Serrah Galos)

Empathie und Hilfsbereitschaft sollen bei vielen Kindern nach dem gleichen Muster entstehen. So fand man heraus, dass viele hilfsbereite Kinder oft Bestätigung brauchen. Wenn sie dafür nicht genug Lob bekommen, könnten sie später mit übertriebener Hilfsbereitschaft nach Aufmerksamkeit suchen – und ZACK, da haben wir das Helfersyndrom! 

Von einem Helfersyndrom spricht man, wenn eine Person einer anderen übermäßig hilft und sich selbst – sowie möglicherweise dem oder der Empfänger:in – dadurch mehr schadet als nutzt. Ein Persönlichkeitsmerkmal, das auch häufig in sozialen Berufen vorkommt. Bei Lehrer:innen, Ärzt:innen, Sozialarbeiter:innen, aber auch bei Privatpersonen und pflegenden Angehörigen. 

Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer hat das Konzept des Helfersyndroms erstmals im Jahr 1977 beschrieben. Er ging davon aus, dass Menschen mit einem Helfersyndrom in ihrer Kindheit nicht die Unterstützung, Liebe und Akzeptanz erhalten haben, die sie gebraucht hätten. Die Folge? Ein geringes Selbstwertgefühl.  

Sie haben in der Kindheit ein Verhaltensmuster erlernt, bei dem sie sich überwiegend als Helfer:innen anbieten. Warum? Richtiiig: Um so Dankbarkeit, Anerkennung und Zuneigung zu bekommen.  

kleines rosa Herz auf Handfläche mit Aufschrift Feelings
Helfen gegen gute Gefühle – ein wesentlicher Aspekt des Helfersyndroms. (Unsplash/Joseph Frank)

Dieses Syndrom ist wie ein gut gemeinter Ratschlag, den niemand hören will. Wie ein Staubsauger, der alles aufsaugt, nur nicht den Staub. Es beschreibt die Tendenz, ständig helfen zu wollen, auch wenn die Hilfsbedürftigen es in diesem Ausmaß gar nicht brauchen.  

Mehr Symptomatik als Symptom 

Eine definierte psychische Krankheit ist das Helfersyndrom als solche nicht. Dementsprechend schwer ist es auch, konkrete Symptome festzumachen. Aber es gibt Anzeichen und Auffälligkeiten dafür. Na? Gehörst du auch zu den überfleißigen Helferlein?  

1. Die übermäßige Fürsorglichkeit in Person 

Pflegende zeigen oft übermäßiges Engagement, kümmern sich um die kleinsten Wünsche der zu Pflegenden und sind höchstsensibel, wenn es um die Bedürfnisse anderer geht. Ja, auch dann, wenn sie eigentlich selbst gar nicht in der Lage sind, diese zu erfüllen. 

2. Begnadetes Ja-Sagen 

Personen mit einem starken Helfersyndrom fällt es oft schwer, „Nein“ zu den Bitten anderer zu sagen. „Ja“ geht eben viel leichter von der Zunge: keine Enttäuschungen und freudige dankbare Gesichter im Gegenzug.  

3. Abgrenzung? Ein Fremdwort! 

Menschen mit Helfersyndrom haben oft Schwierigkeiten, persönliche Grenzen zu setzen. Abgrenzung? Noch nie davon gehört. Das führt dazu, dass die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt und die Freizeit dafür geopfert wird. 

Das war’s noch nicht. Mehr Anzeichen für das Helfersyndrom findest du auf der nächsten Seite.  

Über die Serie

Du bist Angehörige:r, Freund:in oder Bekannte:r einer Person mit Krebs? Dann gratulieren wir dir herzlich – denn jetzt dreht sich alles mal um DICH! Heute bist DU das Kind an einem Tisch voller Erwachsenen. Mittelpunkt Numero uno und das Augenmerk unserer neuen Serie. Denn Pflegende sind oft die heimlichen Held:innen. Wir geben ihnen eine Bühne, lassen sie zu Wort kommen und teilen ihre Geschichten: von Sorgen, Überforderung, Tabus, Reality-Checks – bis hin zu den kleinen und großen Erfolgen in der Pflege.  

Aber wo endet Hilfe, wo beginnt Bevormundung? Wie schaffst du es, dich selbst nicht zu verlieren? Diese Serie ist dein Rettungsring im Chaos des Pflegealltags – für dich und alle anderen, die sonst meist unsichtbar bleiben. Jetzt werden Rollen getauscht. 

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