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Totenversorgung deluxe
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Ich bin tot. Was nun?

Was zwischen Tod und Beerdigung mit dem Körper passiert, ist ein Geheimnis, in das nur die Bestatter:innen eingeweiht sind. Bis eine neugierige Leiche endlich genau wissen wollte, was mit ihr geschieht.  

Währenddessen spricht die Ärztin zu meiner Frau:

“Je früher Sie das Bestattungsunternehmen verständigen, desto besser. Mein Beileid. So ein Tod ist mir noch nie untergekommen. Wirklich tragisch.”

Meine Frau  wirft einen flüchtigen Blick auf meine Leiche mit den Tampons in der Nase, unterdrückt einen Heulkrampf und eilt abermals zum Hörer. Komisch, denke ich mir, mir ist nie aufgefallen, dass wir noch Festnetz haben.

“Dir sind viele Dinge nicht aufgefallen, mein Sohn. Übrigens, kleiner Death-Hack:  Manche Bestattungsunternehmen bieten an, den ganzen Papierkram wie die Todesanzeige zu übernehmen.”

“Wastenichsachst?”, erwidere ich so sarkastisch, wie ich kann. “Huch. Was sind das für bläuliche Flecken auf meiner Haut? Wo kommen die denn her?”

Totenflecken. Die bilden sich 20 bis 30 Minuten nach dem Tod, weil kein Blut mehr in die Gefäße gepumpt wird. Deswegen sinkt es nach unten und setzt sich in der Haut ab.”

Meine Frau winselt währenddessen ins Telefon:

“…ja, ja genau, wir wollen eine hygienische Totenversorgung. Ja, höchst skurril, ich weiß… Danke Ihnen!”

“Hygienische Totenversorgung?”

“Komm. Ich zeige es dir.”

Es dauert nicht lange bis zwei Jungs vom Bestatter vor der Tür erscheinen und meinen Leichnam auf einer Trage aus dem Haus und in einen geräumigen Leichenwagen transportieren.

Leichenwasgen Silber vor Haus
Der Leichenwagen von heute sieht aus, als wäre ein Kombi schwanger. (Foto: Unsplash/Martina Baron)

Exkurs: Was, wenn man nicht daheim stirbt?

Auf dem Weg begibt sich der Tod langsam in Redelaune.

“Natürlich stirbt nicht jede:r in den eigenen vier Wänden, so wie du. Willst du wissen, was passiert, wenn man woanders stirbt?”

“Eigentlich nicht”.

“Ich erzähle es dir trotzdem.”

Im Falle, dass eine Person im Krankenhaus oder Pflegeheim stirbt, ist ein:e Ärzt:in höchstwahrscheinlich vor Ort. Die Institution selbst gibt die Anzeige auf und kontaktiert die Angehörigen, die auch die Kleidung mitbringen sollten, die der:die Verstorbene bei der Beerdigung tragen soll. Die Leiche wird mit dem Sarg vom zuständigen Bestattungsunternehmen  abgeholt.

Außerdem ist noch zu klären, was mit Schmuckgegenständen passieren soll, welche Kosten noch entstehen und wann die Räumlichkeiten geräumt sein sollten. Der Mietvertrag mit dem Pflegeheim wird mit dem Tod aufgehoben. Die nicht verbrauchte Kaution wird zurückgezahlt.

Sollte es dazu kommen, dass jemand unvorhergesehen an einem öffentlichen Ort stirbt, und klar ist, was die Ursache ist, wird die Leiche erstmal in die lokale Leichenhalle des Friedhofs oder Krematoriums gebracht, während die Angehörigen von Polizei oder Rettung verständigt werden.

Bei unklarem oder fremdverschuldetem Tod wird die Leiche in das nächste gerichtsmedizinische Institut oder Krankenhaus zur Obduktion gebracht.

Auch wenn in diesem Fall die Freigabe der Leiche ein paar Tage dauern kann, sollten die Angehörigen das Bestattungsunternehmen  sofort kontaktieren.

Schonmal vorweg: Sterben im Ausland bringt einiges an Bürokratie mit sich und kann zudem mehrere tausend Euros verschlingen. Denn wenn jemand in der Ferne das Zeitliche gesegnet hat, muss er:sie im Heimatland beigesetzt werden.

Für die Überführung braucht die Leiche dann auch einen entsprechenden Pass. Um sich das Ganze zu sparen, gibt es nur eine Möglichkeit: den:die Verstorbene:n im Ausland einäschern lassen.

Wie die Leiche schön wird

1. Hygienische Totenversorgung

Wir kommen beim Bestattungsunternehmen  an. Zwei Männer bringen mich in das Souterrain – einen speziellen Versorgungsraum. Sie legen meinen reglosen, nackten Körper auf einen Seziertisch. Zwei Metallbalken erhöhen meinen Körper.

“Wozu sind die denn gut?”

“Damit Flüssigkeiten beim Waschen besser ablaufen können.”

“Was, ich werde gewaschen?”

“In der Tat. Und dein Arschloch wird mit Watte gestopft.”

“Wie bitte?!”

“Das ist alles Teil der hygienischen Totenversorgung. Nicht jede:r Bestatter:in  bietet den Service an, weil nicht jede:r Versorgungsräume hat.“

“Aber wozu das Ganze?”

“Damit du bei der Bestattung oder Aufbahrung auch präsentierfähig aussiehst, mein Sohn. Manchmal aber – zum Beispiel nach einem Unfall, oder wenn der Körper länger aufgebahrt wird – reicht das Prozedere nicht und die Bestatter:innen  müssen thanatopraktisch behandeln. Das bedeutet im Grunde, dass der beschädigte Körper oberflächlich restauriert wird, sodass er mit Würde verabschiedet werden kann. Schau, sie fangen an.”

Die Bestattungsjungs massieren meine Gelenke, strecken und beugen meine Beine.

Ich blicke fragend.

“Sie brechen deine Leichenstarre.”

“Ich wünschte, ich hätte zu Lebzeiten so eine Massage bekommen.”

“Vor der Behandlung nehmen sie dir alles ab, was du so am oder im Körper trägst –  Pflaster, Schmuck, Verbände, Katheter, Herzschrittmacher. Du scheinst aber nur Tattoos zu haben. Ich finde, die sollten sie dir auch abnehmen. Sie sind furchtbar geschmacklos.”

“Heeey. Ich bin in den 80ern aufgewachsen und damals waren Totenköpfe ziemlich metal.”

Einer der Bestattungsburschen setzt sich eine Gasmaske auf. Er scheint ein wenig empfindlicher auf den Verwesungsgeruch zu sein.

“Eure schüchterne Obsession mit dem Tod amüsiert mich. Sieh! Jetzt geht es an deine Körperöffnungen.” Der weise alte Mann grinst schadenfreudig.

Einer der Männer sprüht Mund, Nasenlöcher, Augen und ja, auch den Arsch meiner Welt, mit Desinfektionsspray ein. Danach seifen sie mich gründlich ein und waschen das Ganze mit kaltem Wasser ab.

Gesicht Mann geschlossene Augen in Badewasser
Hygienische Totenversorgung ist wie ein postmortales Thermenwochenende. (Foto: Unsplash/Hisu Lee)

“Hättest du noch Wunden oder ähnliches, würden sie die jetzt noch zukleben oder zusammennähen. Jetzt rasieren sie dich und schneiden dir die Nägel.“

“Stimmt es eigentlich, dass Haare und Nägel nach dem Tod noch weiterwachsen?”

“Nicht wirklich. Es ist so, dass die Gesichtshaut schrumpft und somit Barthaare zum Vorschein kommen. Also nicht die Haare und Nägel wachsen, sondern der Körper wird kleiner.”

“Faszinierend.”

“Nun shampoonieren sie deine Haare ein und tragen Massagecreme auf, damit dein Körper nicht so schnell austrocknet. Apropos Feuchtigkeit. Dazu ist auch die Watte da. Damit keine Flüssigkeiten mehr austreten, wird sie in jede Körperöffnung gestopft und anschließend noch mit feuchtigkeitsbindendem Pulver versehen.”

Im letzten Kapitel werden Bestatter zu Chirurgen. Und die Todesursache unseres Hauptcharakters wird endlich enthüllt.

Über die Serie

Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.

Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.

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