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Totenversorgung deluxe
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Ich bin tot. Was nun?

Was zwischen Tod und Beerdigung mit dem Körper passiert, ist ein Geheimnis, in das nur die Bestatter:innen eingeweiht sind. Bis eine neugierige Leiche endlich genau wissen wollte, was mit ihr geschieht.  

2. Totenchirurgie

Und mit dem Verschließen geht es auch gleich weiter. Die Bestattungsburschen zücken Nadel und Zwirn und piksen meine Leiche damit in den Unterkiefer. Ich zucke vor Schmerz, den ich eigentlich gar nicht mehr fühlen sollte.

“Autsch. Muss das denn sein?”

“Ja, das ist eine sogenannte Ligatur, chirurgische Routine. Sie nähen deinen Unterkiefer mit der Nasenscheidewand zusammen. So sind Ober- und Unterkiefer aufeinander fixiert und der Mund klappt nicht im falschen Moment auf.

Selbiges mit den Augen. Die sollten auch zu bleiben, wenn die Trauergesellschaft Abschied nimmt. Deswegen verschließt man sie, indem man mit Noppen versehene Plastikkappen auf die Augäpfel setzt. Das dient auch dazu, dass die Augenlider nicht einsinken, was sonst ein typisches Todessymptom ist.”

Auschnitt Augenpartie grün
Die Plastikkappen sind wie Kontaktlinsen, die den Toten die Augen zukleben. (Foto: Pexels/Ron Lach)

3. Hübsch einkleiden

Die Jungs von der Bestattung nehmen sich eine Pause und tragen die Leiche in die Kühlkammer. Auf der Temperaturanzeige steht “–2°C”. Eine halbe Stunde vergeht, bis ich zurückgetragen werde. Dann kommt plötzlich meine Frau mit meinem Lieblingsanzug herein.

Der Tod meldet sich nach langem Schweigen zu Wort:

“Bis in die 50er war es üblich, dass die Familie das Herrichten der Leiche übernimmt. Heutzutage erlaubt es das ein- oder andere Bestattungsinstitut, dass Angehörige die Leiche ankleiden. Manchen hilft es eben beim Abschied nehmen. So wie deiner Frau, anscheinend.”

Ich höre den Tod gar nicht mehr. Stattdessen versuche ich meiner trauernden Frau durchs Haar zu streichen, während sie meiner Leiche die Schuhe anzieht. Es bleibt beim Versuch, denn meine geisterhaften Finger finden keinen Halt. “Es tut mir so leid”, schluchze ich.

frau liegt auf gelben blumen
Gut versorgt ist halb beerdigt. Gerade im Falle einer Aufbahrung wollen die Angehörigen oft, dass die Leiche besonders schön hergerichtet wird. (Foto: Unsplash/Jennifer Marquez)

4. Schminken und ja nicht stinken

Dann kommt einer der Jungs wieder. Komischerweise hat er Schminkzeug dabei.

“Ach, das gehört dazu. Nur wenn sie zu viel auftragen, kann das bei Männern schnell mal grotesk aussehen.”

Der andere kommt mit dem Sarg hereingerollt. Am hinteren Teil festgemacht ist noch immer das Etikett mit der Produktbeschreibung: “Truhensarg aus Eiche”.

Meine Frau geht aus dem Raum, sagt leise “Danke”. Ich schaue ihr sehnsüchtig hinterher, während mein Körper sachte in einen Leichensack gepackt wird und dann in den Sarg, bei dem sie wohl nicht gespart hat.

“Nur noch ein wenig Streu, damit der Verwesungsgeruch so gut es geht überdeckt wird. Gut. Jetzt weißt du, was mit deinem Körper passiert, nachdem du stirbst. Zufrieden? Dann lass uns gehen.”

“Nein!”

“Doch. Bevor ich es mir anders überlege und dich als Geist zwischen den Welten schmoren lasse.”

“Ich will wissen, wie ich gestorben bin.”

“Ach ja, ähm… Bist du sicher?

“So schlimm kann es ja doch nicht sein”.

Der Tod zögert.

“…also, naja, deine Frau hat sich beschwert, dass du immer so laut schnarchst. Und da hast du dir ihre Tampons in die Nase gesteckt und bist im Schlaf erstickt.”

Mir klappt der Mund auf.

“Bist wohl kein Mundatmer. Was, mein Sohn?”

Links und Quellen:

Titelbild: Unsplash/Febe Vanermen

Über die Serie

Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.

Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.

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