Profiling für den Lungenkrebs
Besser mit Maß und Ziel. Wenn möglich, sollte Krebs zielgerichtet behandelt werden. Ein Plädoyer, seinen Tumor testen zu lassen, am Beispiel Lungenkrebs.
Marjo Forsblom war zunächst nicht sonderlich besorgt, sie hatte ja nur etwas Sodbrennen. „Aber dann kam der Husten und blieb über Wochen“, sagt sie. Erst erhielt sie ein Medikament gegen Reflux, bei ihrem nächsten Arztbesuch wurde eine Röntgenaufnahme der Lunge gemacht und sie nahm Antibiotika – doch die halfen nicht.
Noch immer hörte der Husten nicht auf, sie hatte Schwierigkeiten zu sprechen, der Bluttest war aber unauffällig. Die einzige Auffälligkeit war ein kleiner weißer Fleck im Röntgenbild, der auch durch die Antibiotika nicht verschwand. Marjo wurde also ins CT geschoben – und erhielt die Diagnose Lungenkrebs, Stadium 4. „Das war etwa zwei Monate, nachdem ich zu husten begonnen hatte.“
Marjo Forsblom engagiert sich als Patient:innenvertreterin bei LuCE Lung Cancer Europe. Die Finnin erhielt im August 2020 ihre Lungenkrebsdiagnose, ließ ihren Tumor genomisch testen und wird zielgerichtet behandelt.
Mittlerweile ist ihre Diagnose schon über zwei Jahre her und Marjo wird zielgerichtet behandelt. „Bei uns in Finnland ist eine tumorbiologische Testung, die Biomarker nachweisen kann, Standard, so wie in vielen anderen europäischen Ländern auch.“ Das Ergebnis bei ihr war eine spezielle Unterform von Lungenkrebs, konkret ALK-positiv nicht-kleinzellig, der eine bestimmte genetische Veränderung in den Tumorzellen aufweist.
Eine gute Nachricht! Denn diese Treibermutation kann mit einer zielgerichteten Therapie behandelt werden, auf die Marjo gut anspricht. „Die Nebenwirkungen halten sich in Grenzen. Meine Haare sind nicht ausgefallen und ich konnte auch weiterarbeiten, wenn auch nicht in Vollzeit“, ist sie froh. Heute engagiert sie sich bei LuCE Lung Cancer Europe, sammelt Fachinformationen zu Lungenkrebs und übersetzt diese in eine einfache Sprache, damit auch andere Patient:innen von neuen Entwicklungen erfahren.
Game Changer genomische Testung
„Die genomische Testung ist ein wahrer Game Changer in der Krebstherapie“, sagt Shahrokh Shariat vom Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien. „Ich bin davon überzeugt, dass wir erst am Beginn einer unglaublichen Reise stehen.“ Bei Tumoren, die eine Mutation aufweisen, würde die Standardtherapie oft nicht gut funktionieren.
Falls vorhanden, sollten Patient:innen die zielgerichtete Behandlung erhalten, die oft besser verträglich und wirkungsvoller sei. Die Frage, welchen Benefit welche Therapie für eine:n Betroffene:n habe, sei individuell zu beantworten. „Jede Patientin und jeder Patient sollte sich erkundigen, ob eine Testung für sie oder ihn sinnvoll ist.“
Personalisiert ist Gold-Standard
„Die personalisierte Therapie ist der Gold-Standard und ein Produkt jahrzehntelanger Forschung“, sagt Karin Schelch vom Zentrum für Krebsforschung der MedUni Wien. Die Molekularbiologin setzte sich viele Jahre mit Rippenfelltumor auseinander, der von Asbest ausgelöst wird.
Nun erforscht sie die Merkmale von kleinzelligem Lungenkrebs, einer besonders aggressiven, eher seltenen Form, die etwa 15 Prozent der Lungenkrebspatient:innen betrifft. Im Gegensatz zu Brustkrebs oder anderen Formen von Lungenkrebs gibt es hier nur die Standardtherapie. Die Erforschung innovativer, zielgerichteter Therapien steckt noch in den Kinderschuhen.
Shahrokh Shariat leitet die Universitätsklinik für Urologie und ist Teil des Leitungsteams des Comprehensive Cancer Centers (CCC).
Das CCC vernetzt alle Berufsgruppen, um Krebspatient:innen umfassend zu behandeln und zu betreuen, innovative Forschung voranzutreiben und Lehre und Weiterbildung zu fördern – letztere etwa mit der Cancer School, die sich an interessierte Laien wendet
Was der Blick auf die Proteine alles zutage fördert und was es mit dem Gatsch in der Petrischale auf sich hat, erfährst du auf der nächsten Seite.
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