Prostatakrebs-Mythen: Was Männer wirklich wissen sollten
Prostatakrebs? Da kursieren so viele Mythen, dass man fast lachen könnte – wenn es nicht so ernst wäre. Mit Magdalena Zibulenski knöpfen wir uns die schrägsten Behauptungen vor und räumen mit Pseudowissen auf.
Und weiter geht’s mit dem dritten Mythos:
Mythos 3: Prostatakrebs betrifft nur ältere Männer
Nein, das stimmt nicht. Mein jüngster Patient war 42 Jahre alt. Bei mir ist alt ab 75. Der Großteil meiner Patienten ist zwischen 50 und 65. Vielleicht zehn bis zwanzig Prozent sind 70 oder älter, der Rest ist jünger.
Das liegt daran, dass immer mehr Männer zur Vorsorgeuntersuchung gehen und der Krebs früher erkannt wird. Und deswegen werden die Patienten immer jünger.
Mythos 4: Es gibt kaum Unterstützung für Männer mit Prostatakrebs
Es gibt Hilfe. Man(n) muss sie “nur” finden. Selbsthilfegruppen sind extrem wichtig, damit Männer sprechen und sich austauschen können. Gleichzeitig gibt es aber zu wenig hoch professionelle Hilfe und es ist schwierig, diese zu finden. Viele Menschen mit Prostatakrebs sind 70 oder älter. In dem Alter ist man meist nicht so fit im Internet und tut sich schwer, Informationen und Anlaufstellen zu finden.
Daher ist das Sprechen darüber so wichtig, was aber ja bekanntlich auch ein Problem ist.
Ich persönlich bin der Meinung, dass man sehr offen und direkt an das Thema rangehen muss. Deswegen komme ich bei den Männern auch so gut an, weil ich mir kein Blatt vor den Mund nehme.
Bei mir in der Physiotherapie geht es nicht um die erektile Dysfunktion, sondern ums „Schnackseln“ (österreichischer Begriff für Sex). Geht es oder geht es nicht? Steht er oder steht er nicht? Wenn die ersten Erektionen wiederkommen, dann reden wir von Frühlingsgefühlen. Und wenn es tief winterlich ist, ist man nicht so glücklich. Umso größer ist die Freude natürlich, wenn es hochsommerlich wird.
Ich glaube tatsächlich aus der Praxis, dass die direkte Ansprache hilft. Man sollte einfach mal in Männerdomäne gehen, sich provokant hinstellen und sagen: „Ist euch bewusst, dass jeder neunte von euch Prostatakrebspatient ist und jeder zweite im Laufe seines Lebens mit Krebs konfrontiert sein wird?“
Nachdem so viele andere Bemühungen und Versuche einfach nicht wahrgenommen werden, muss man vielleicht tatsächlich mal mit der Brechstange ran und Bewusstsein schaffen. Ich sage immer: „Orsch z’sammzwick‘n und einebeißen.* Nicht den Kopf in den Sand stecken“ (*österreichisches Sprichwort für: „Zähne zusammenbeißen und durch“).
Mythos 5: Prostatakrebs ist ein Tabuthema in unserer Gesellschaft
Das stimmt leider absolut. Ich habe Patienten, die sagen, sie hätten lieber einen Herzinfarkt, weil sie dann zumindest darüber sprechen könnten. Niemand spricht gerne darüber, dass er inkontinent ist oder dass er Erektionsprobleme hat.
Das zieht sich durch alle Lebensbereiche. Aber Erektionsprobleme gibt es nicht nur beim Prostatakrebs. Der Schwellkörper des Mannes ist das kleinste blutende Gefäß im menschlichen Körper. Studien zeigen, dass bis zu zwei Jahre vor einem Herzinfarkt Erektionsprobleme auftreten.
Das Problem ist einfach, dass in unserer Gesellschaft Männer Stärke zeigen müssen. Männer dürfen nicht über Emotionen sprechen oder zeigen, dass es ihnen nicht gut geht. Bei Prostatakrebs schwingt dann ein Gefühl der Entmännlichung mit. Viele haben das Gefühl, sie seien keine Männer mehr, dass sie ‚kastriert‘ worden sind.
Das stimmt so ja nicht, aber es ist in den Köpfen verankert. Dieser Mythos ist also ein Riesenproblem.
An einem Strang ziehen und ziehen und ziehen
Egal ob selbst betroffen, angehörig oder einfach nur interessiert an dem Thema, es ist superwichtig, diese Mythen aufzubrechen. Vielleicht kannst du Magdalenas Ratschlag folgen und dich in der Männerrunde breitbeinig hinstellen und drauflosrattern. Oder du hast eine andere Art und Weise, wie du mit deinem Prostatakrebs umgehst.
Vielleicht öffnest du dich in sozialen Medien oder bringst deine Kollegen dazu, selbst zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen. Vielleicht schließt du Wetten ab, wer sich am öftesten die Prostata abtasten lässt.
Wichtig ist: Egal wie du über Krebs sprichst. Hauptsache du tust es. Hilf uns, Prostatakrebsmythen zu bekämpfen und veraltete Vorstellungen von Männlichkeit einfach mal als das zu sehen, was sie sind: unnötig.
Mit einem besonderen Fokus auf die Behandlung von Brust-, Prostata- und Blasenkrebs setzt sich Magdalena Zibulenski leidenschaftlich dafür ein, das Schweigen rund um diese Themen zu brechen. Ihre Mission ist es, den Mangel an Aufklärung über Krebserkrankungen zu überwinden, um die Lebensqualität der Betroffenen durch frühzeitige Diagnostik und ganzheitliche Betreuung nachhaltig zu verbessern.
“Wissen ist Macht” – davon ist Magdalena Zibulenski überzeugt. Sie glaubt fest daran, dass gut informierte Patient:innen bessere Entscheidungen treffen, was die Therapietreue erhöht und letztlich den Behandlungserfolg maßgeblich fördert.
Quellen und Links:
- Auf Magdalenas Website kannst du mehr über ihre Leistungen als Physiotherapeutin erfahren.
- Auf ihrem Instagram-Account klärt Magdalena über Prostatakrebs auf und teilt Ausschnitte aus ihrem Alltag.
- In unserem Lexikon kannst du grundlegende Informationen zu Prostatakrebs nachlesen.
Titelfoto: Unsplash/Neonbrand
- Seite 1
- Seite 2
Über die Serie
Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.
Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.