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Das Gesundheitswesen hat viel vor
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Psychische Gesundheit und KI – Dreamteam der Zukunft?

Jede:r Dritte ist von psychischen Erkrankungen betroffen. Aber bis psychische Hilfe kommt, dauert es meist zu lang. Ausgerechnet KI kann dieses Problem lösen. Wie? Darüber haben wir mit der Expertin Iryna Gurevych geredet.

Du solltest diesen Artikel lesen, wenn du wissen willst: 

  • Wie Künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen kann, psychische Krankheiten zu behandeln. 
  • Wie KI Psychotherapeut:innen bei der Arbeit unterstützen kann. 
  • Was man noch tun muss, um KI an Psychotherapie anzupassen. 
  • Was passiert, wenn KI verkackt. 
  • Wie eine ideale Zukunft mit KI in der Psychotherapie aussieht.  

Redet man von Zukunft, redet man früher oder später auch von Künstlicher Intelligenz. Doch Bildgeneratoren oder Sprachmodelle wie ChatGPT sind bloß ein Vorgeschmack auf die vielfältigen Fähigkeiten dieser formlosen, datenfressenden Lernmaschine. Es gibt Bereiche, die durchwegs von KI profitieren, anstatt sich wie Journalist:innen oder Webdesigner:innen um ihre Jobs zu sorgen – die Psychotherapie zum Beispiel!  

Was ist Künstliche Intelligenz? 

Künstliche Intelligenz bezeichnet Technologien, die menschliche Fähigkeiten wie Sehen, Hören, Analysieren, Entscheiden und Handeln ergänzen und stärken. 

Mehr denn je ist psychische Gesundheit ein Thema, das unsere Gesellschaft rüttelt. In Deutschland sind jedes Jahr rund 28 % der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen – fast 18 Millionen Personen. Zahlen, die schreien.  

Aber leider nicht laut genug. Denn nur jede:r Fünfte nimmt Kontakt zu psychologischer Hilfe auf. Da stimmt doch was nicht. Vielleicht ist der Weg zu Psychotherapeut:innen mit zu viel Aufwand verbunden, den viele in dieser Verfassung nicht stemmen können. 

Wir hätten da übrigens einen Artikel parat, der dir dabei hilft, Depressionen zu erkennen und mit ihnen umzugehen. 

Sofa steht an Wand mit Schriftzug Everyone has a story und aufgeklappten Büchern
Psychische Erkrankungen betreffen viele, doch nur wenige suchen Hilfe. (Foto: Unsplash/Maegan Martin)

Reise in die Zukunft   

Nach der ersten Staffel dieser Serie, in der das Gesundheitswesen ein Burn-out erlitt und sich auf Ursachenforschung begab, schnallen wir uns jetzt die Raketenstiefel an und fliegen in die Zukunft. Wir stellen Lösungsansätze vor, die unser Gesundheitssystem fit für die Zukunft machen.   

Der Fakt, dass jede fünfte Person Hilfe benötigt, führt auch dazu, dass die Wartezeit auf ein psychologisches Erstgespräch tendenziell laaaaaaaang ist. Dabei bräuchten viele so schnell wie möglich so etwas wie psychologische Erstversorgung.  

Man könnte doch die Zeit nutzen, um Informationen zu sammeln und eine erste Diagnose zu tätigen, oder nicht? Du denkst es dir sicherlich schon: Genau hier kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel. Und wer in Deutschland KI sagt, stößt relativ schnell auf Iryna Gurevych 

Wir haben die Expertin gefragt, wie emotionsbefreite Computerintelligenz uns psychisch gesund halten kann. 

Iryna Gurevych (Foto: TU Darmstadt)
Iryna Gurevych (Foto: TU Darmstadt)

Iryna Gurevych ist Vorreiterin auf dem Gebiet der Computerlinguistik und seit 2009 Professorin an der Technischen Universität Darmstadt, die Forschung an der Schnittstelle zwischen Künstlicher Intelligenz und Psychotherapie betreibt.

Schon als KI noch ferne Zukunftsmusik war, beschäftigte sie sich mit lernenden Maschinen und der Verbesserung von Suchmaschinen. Im Podcast “Gesundheitsrebell:innen” spricht sie über KI und psychische Gesundheit.

 

Was macht KI in der Psychotherapie? 

Also, fangen wir doch bei der offensichtlichsten Frage an: Wie kann künstliche Intelligenz dabei helfen, psychische Krankheiten zu behandeln? Laut Iryna gibt es da einige Möglichkeiten. 

Prävention 

Fakt ist: Viele psychische Erkrankungen werden viel zu spät diagnostiziert. Doch je früher man anfängt diese Symptome zu behandeln, desto größer sind die Chancen auf den Therapieerfolg. Und genau deswegen befindet es Iryna für wichtig, dass KI bereits subtile Zeichen deuten kann: “KI könnte uns helfen, frühe Warnsignale zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, bevor es zu spät ist und die Krankheit eigentlich schon ausgebrochen ist.” 

Als Beispiel für ein Symptom erwähnt sie das Sprachverhalten. “Die Sprache ist der Spiegel der Seele”, philosophiert die Professorin. “An ihr kann man vieles ablesen. Wir wissen beispielsweise, dass depressive Patient:innen langsamer oder leiser sprechen.” 

Eine einfache Form die Psyche zu entlasten und Krankheiten vorzubeugen ist übrigens das Wandern.  

viele Plakate nebeneinander im Comic Style Frau weint + das Wort WAIT
Therapeut:innen-Termin in weiter Ferne? Probiere in der Zwischenzeit doch mal das Wandern aus – soll gut für Körper und Seele sein. (Foto: Unsplash/Nathan Dumlao)

Diagnostik 

Wenn psychische Probleme jedoch schon eingetreten sind, unterstützt KI bei der Diagnose. 

Das bedeutet, dass gewisse Sprach- und Verhaltensmuster durch die KI erkannt und eingeordnet werden könnten, um aufgrund dessen, bestimmte Therapieformen zu empfehlen. 

Die Therapie präzise gestalten 

Apropos einordnen. “Je genauer man klassifizieren kann, desto präziser kann man auch behandeln”, so Gurevych. Ähnlich wie beim Krebs – in Wahrheit ein Überbegriff, der zehntausende verschiedene Krankheiten umfasst – würde auch die Psychotherapie vom exakten Einordnen komplexer Krankheitsbilder profitieren. “Wir wissen über psychische Krankheiten bisher recht wenig und können sie auch deshalb nicht so effektiv behandeln.”  

Fügt man jedoch Künstliche Intelligenz der Formel hinzu, erhält man ein digitales Helferlein, das mit jedem weiteren Datensatz lernt, Muster zu erkennen, die es in der Folge zu Kategorien zusammenfasst. Und je diverser und größer die Datensätze, mit denen die KI gefüttert wird, desto spezifischer kann sie Krankheitsbilder einordnen 

Das hilft auch der Forschung, die so komplexe psychische Krankheiten immer besser versteht. 

Wie die KI als digitales Helferlein agieren kann und wo der Haken an der ganzen Sache liegt, erfährst du auf der nächsten Seite.

Über die Serie

Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.

In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.

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