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Radioonko- wie bitte?
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Was bei der Strahlentherapie auf dich zukommt

Um die Bestrahlung als Krebstherapie winden sich viele Mythen. Worauf musst du dich einstellen? Welche Nebenwirkungen und Gefahren gibt es? Welche Sorgen sind berechtigt? Wir klären auf.

Seite 2/3: Welche Nebenwirkungen hat die Strahlentherapie?

Spezielle Varianten: Cyberknife und Gamma Knife 

Besondere Therapietechniken mit Linearbeschleunigern sind die nichtinvasiven Operationsformen Cyberknife und Gamma Knife (bei Gehirntumoren oder -metastasen). Diese Geräte eignen sich besonders zur stereotaktischen Einzeitbestrahlung, das heißt, es ist im Gegensatz zur „fraktionierten Bestrahlung“ nur eine Bestrahlungssitzung nötig.

Bei dieser „Radiochirurgie“ (auch Einzeit-Stereotaxie genannt) sind die Geräte mit einer roboterbasierten Echtzeitnachführung ausgestattet. Das lässt sogar die exakte Bestrahlung kleinster Lungentumoren zu. Das Cyberknife bestrahlt mit Photonen. Für das Gamma Knife werden hochdosierte Gammastrahlen verwendet.

Ionentherapie und Brachytherapie

Eine besonders vielversprechende Behandlungsform stellt die Ionentherapie dar. Tumoren werden dabei mit positiv geladenen Teilchen (Protonen oder Kohlenstoffionen) bestrahlt. Im Gegensatz zur Bestrahlung mit Photonen hat dies den Vorteil, dass die Energie der Strahlung genau im Zielgebiet abgegeben wird und daher gesundes Gewebe geschont wird. Eingesetzt wird sie für Tumoren, die auf herkömmlichem Weg nur schwer oder gar nicht zu therapieren sind, etwa wenn der Tumor sehr nahe an kritischen oder empfindlichen Strukturen liegt.

Neben den aufgezählten Bestrahlungsmethoden „von außen“ wird mit der Brachytherapie „von innen“, mit nahe am Tumor im Körper positionierten Strahlungsquellen behandelt (mit Nadeln oder speziellen Applikatoren in Organen). Implantierte Strahlungsquellen wie bei Prostatakrebs sind nur eine Möglichkeit der Brachytherapie. Häufiger wird ein „Afterloadingverfahren“ (HDR oder LDR) eingesetzt, auch in Kombination mit Teletherapie (zum Beispiel als Boostbestrahlung bei Brustkrebs), oder Anwendungen wie die postoperative Scheidenstumpfbestrahlung bei Gebärmutterkrebs.

Die früher zum Einsatz gelangten Telekobaltgeräte, die als Strahlenquelle radioaktive Gammastrahlen nutzten, werden heute nur noch selten eingesetzt. Moderne Linearbeschleuniger sind schonender für die Haut, deren Strahlen dringen tiefer ein, sie haben einen verbesserten Strahlenschutz und es müssen keine alten Radionuklide entsorgt werden. In Österreich werden keine derartigen Geräte mehr verwendet.

Nebenwirkungen und Spätfolgen der Bestrahlung

Strahlentherapie ist schmerzfrei. Sind durch den Tumor starke Schmerzen entstanden, werden sie durch die Strahlen üblicherweise gelindert. Somit ist die Bestrahlung zugleich eine Schmerztherapie. Welche Nebenwirkungen zu erwarten sind, kommt auf die Art des Tumors, dessen Lage im Körper (abhängig davon, welche Organe und Strukturen im Bestrahlungsbereich liegen), das Volumen des bestrahlten Gebiets und auf die verabreichte Dosis an.

Die Bestrahlung von Extremitäten ist neben einer Rötung der durchstrahlten Haut sowie eines verminderten Lymphabflusses großteils nebenwirkungsfrei. Anders verhält es sich, wenn strahlensensible Organe oder Lymphsysteme im Strahlengang liegen. Deine Radioonkologin oder dein Radioonkologe weiß im konkreten Fall Bescheid. Bitte erkundige dich dort nach den individuell zu erwartenden Nebenwirkungen.

Bei der Bestrahlung von außen kann es heute nur noch zu Hautreizungen kommen, wenn das Zielgebiet nahe der Hautoberfläche liegt. Auch hier hängt die Wahrscheinlichkeit von der bestrahlten Körperstelle und den individuellen Vorbedingungen ab. Wird der Kopf bestrahlt, sind an der Strahleneintrittsstelle Haarausfälle häufig.

Frau mit Tattoo auf der Schulter: „Je est un autre“, französisch für: Ich bin eine andere.
„Je est un autre“ – ich bin eine andere. Achte während und nach der Bestrahlung auf deine Hautpflege. Frage das Personal in der Radioonkologie, was du am besten tun kannst. Foto: Unsplash/Amplitude

Wie lange wirkt eine Strahlentherapie nach?

Falls Haut oder Schleimhäute von Nebenwirkungen betroffen sind, klingen die Beschwerden meist nach zwei bis drei Wochen ab. Ob und in welchem Ausmaß Spätfolgen auftreten, ist nicht pauschal zu beantworten. Art und Größe des Tumors, Bestrahlungstechnik, Intensität der Bestrahlung, Position und Ausdehnung der bestrahlten Körperstelle, das Alter der bestrahlten Person sowie etwaige frühere Bestrahlungen und Operationen beeinflussen das Risiko. 

Die Strahlen können langfristig zu Fehlern im Erbgut gesunder Zellen führen. Der menschliche Körper ist darauf vorbereitet, solche Schäden zu reparieren. Zweittumoren aufgrund einer Strahlentherapie bilden sich sehr langsam (Jahre bis Jahrzehnte). Somit ist die Gefahr von Folgekrebserkrankungen bei ehemals erkrankten Kindern und Jugendlichen statistisch etwas erhöht.

Jede Krebstherapie kann mit fortschreitender Dauer zu Erschöpfungserscheinungen führen. Diese werden Fatigue (ausgesprochen: „Fatieg“) genannt und sind durch außerordentliche körperliche und geistige Müdigkeit sowie Erschöpfung geprägt, die sich auch durch ausreichend Schlaf nicht beheben lässt. Die Ursachen dafür sind teils körperlich, aber auch die psychische Belastung muss beachtet werden. Die Symptome überschneiden sich mit jenen einer Depression, was die genaue Diagnose schwierig gestaltet.

Sich mit dem Krebs zu beschäftigen und die Erkrankung zu verarbeiten fällt manchen Menschen leichter, und benötigt bei anderen mehr Aufmerksamkeit. Du darfst dich jedenfalls traurig, müde, wütend, verärgert oder auch einfach nur erschöpft fühlen. Niemand erwartet von dir, während der Therapie Wundertaten zu vollbringen. Eine psychoonkologische Begleitung hilft, mit Belastungen umzugehen. Lies mehr dazu im zweiten Beitrag unserer Checklisten-Serie.

Ablauf einer radioonkologischen Therapie

Der Therapieablauf unterscheidet sich je nach Bestrahlungsart. In jedem Fall beginnt die Behandlung mit einem Planungsgespräch mit einer Radioonkologin oder einem Radioonkologen. Wird mit einem Linearbeschleuniger behandelt, folgt eine Simulationssitzung. Dabei wird die Lagerung für die kommenden Bestrahlungen bestimmt und eventuell notwendige Lagerungshilfen wie Matten oder Masken angefertigt. Mittels Röntgen- oder CT-Aufnahmen wird die exakte Lage des Tumors (oder der Tumoren) ermittelt und daraus ein Bestrahlungsplan errechnet.

Um bei den nachfolgenden Bestrahlungssitzungen eine genaue Positionierung und exakte Bestrahlung zu garantieren, werden auf der Haut Markierungen angebracht (etwa mit wasserfestem Stift). Vor jeder Sitzung wird das Gerät an diesen Markierungen ausgerichtet. Zur Kontrolle können Durchleuchtungsaufnahmen angefertigt werden. Die Bestrahlung selbst dauert üblicherweise nur wenige Minuten. Um Nebenwirkungen zu reduzieren, wird die Strahlendosis oft auf mehrere Sitzungen verteilt, wochentags für ein paar Wochen („fraktionierte Bestrahlung“).

Zwei Frauen liegen zum Picknick auf einer Decke im Gras.
Die Strahlentherapie ist üblicherweise eine Behandlungsform, die nicht besonders viel Zeit beansprucht. Nutze deine Tage ganz bewusst, um Schönes zu erleben. Foto: Unsplash/Anastasiia Rozumna

Auf der nächsten Seite erfährst du, wie es nach der Strahlentherapie weitergeht – und natürlich gibt es dort auch unsere Checkliste: „Die stressfreie Bestrahlung“.

Über die Serie

Eine Krebsdiagnose schlägt wie ein riesiger Meteorit in das Leben von Betroffenen und Angehörigen ein. Wer damit konfrontiert wird, weiß im ersten Moment nicht, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Das ist komplett normal. Bisher schien alles so toll in geradlinigen Bahnen zu verlaufen. Nun sind vom einen auf den anderen Tag die Prioritäten total verschoben.

Kurvenkratzer reicht dir mit dieser Checklisten-Serie Tipps für die Bewältigung des Schocks. Wir haben praxiserprobte Hilfestellungen für die häufigsten Situationen während einer Krebserkrankung für dich auf Lager – vom medizinischen Gespräch bei der Diagnosestellung bis zum Reha-Aufenthalt in der Nachsorgephase. Und wir geben Impulse, wie dir ein achtsamer Umgang mit der Erkrankung gelingt.

Bitte beachte: Krebs ist höchst individuell. Die auf diesen Seiten enthaltenen Informationen stellen keine verbindliche und vollumfängliche medizinische Auskunft dar. Bitte berate dich betreffend deiner Therapieentscheidung jedenfalls mit deiner Ärztin oder deinem Arzt. Kurvenkratzer übernimmt keine Haftung für Fehlbehandlungen.

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