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Krebs und Reisen - Birgits Sinneswandel
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Wie man trotz Krebs um die Welt reist

Birgit ist eine vielgeprüfte Bewältigerin, die von einer Weltreise träumt. Doch einige Gründe halten sie davon ab, diesen Traum zu verwirklichen. Allen voran Krebs, die Pandemie, und ein 60-Stunden Job beim Theater. Es folgt der Beweis, dass der Glaube an die eigenen Träume der ultimative Kraftspender ist.

Gegen Ende der Akuttherapie fühlt sich Birgit allmählich besser und die Leukozyten geben sich wieder tüchtig der Arbeit hin. Ein Testlauf für die längere Reise führt Birgit und Cristo mitten in der Pandemie nach Island, einem Land, das für seine freakige Natur und äußerst bescheidene Bevölkerungsdichte bekannt ist (300.000 Menschen auf einer Fläche größer als Österreich). Birgit ist nicht besonders belastbar, aber die Erfahrung macht den Traum von der Weltreise greifbarer. Langsam aber sicher vollzieht sich auch ein innerer Perspektivenwechsel.   

Sie beschäftigt sich viel mit der Kraft ihrer Gedanken und Emotionen, ist unendlich fasziniert davon, wie das Seelenleben das Immun- und Hormonsystem beeinflusst. Bewusst entscheidet sie sich dafür, weniger Zeit ans elendige Sorgenmachen zu verschwenden und beobachtet, wie Menschen, die ihr Wunschleben auf die Reihe kriegen, denken, fühlen und handeln. Inspiriert trainiert sie jeden Tag die selbe positive Haltung und gerät ganz allmählich vom Träumen ins Handeln. 

Birgit beim MRT
"Diese Angst, den in den letzten Jahren noch nicht realisierten Lebenstraum einer Weltreise vielleicht gar nicht mehr erleben zu können, hat alle Kraft in mir freigesetzt, mir zumindest diesen letzten Traum noch zu erfüllen." (Foto: Birgit)

Reise! 

Zwischen der Entscheidung, die Welt zu bereisen, und dem ersehnten Abflug vergehen zwei Jahre voller Ungewissheit. Und eines Tages, Hals über Kopf, geht es los – unerwarteterweise in die Dominikanische Republik.  

Denn die Pandemie wütet nach wie vor, und die USA lassen niemanden direkt aus Europa einreisen. Also “fristen” Birgit und Cristo ihr temporäres Exil in der Karibik, wo sie ihre letzten Arbeitsprojekte abschließen, bevor sie zwei Wochen später ohne weitere Probleme endlich amerikanischen Boden betreten. Am lang ersehnten 15. September 2021, wie seit unzähligen Monaten geplant.  

Ein Jahr lang sind sie unterwegs, auf drei verschiedenen Kontinenten, in Wüsten, Urwäldern und Millionenstädten. Birgit ist für jeden Tag dankbar und kann kaum fassen, dass sie die Weltreise nun tatsächlich erleben darf. Und das ein ganzes Jahr lang. Doch Reisen mit Krebs ist alles andere als ein Selbstläufer. 

Birgit & Cristo vor der Skyline von New York
Birgit und Cristo am ersten langersehnten Reisetag. New York, New York! (Foto: Birgit)

Krebs & Reisen 

Die große, unvermeidbare Frage, die sich spätestens jetzt stellt: Kann man mit oder nach Krebs reisen? Birgits kurze Antwort: Ja! Die lange Antwort: Je nach Stadium, und vielleicht mit Einschränkungen, wenn man willig ist, Lösungen für ein ganzes Alphabet von Problemen zu finden, dann ja.  

Nächste Frage. Wie ist es, mit Krebs zu reisen? Der Fakt, dass Birgit auf Medikamente und ggf. auf medizinische Versorgung angewiesen ist, wirft schon vorab Länder wie Chile, Peru oder Namibia von der Liste. Teil der Antihormontherapie ist das regelmäßige Spritzen eines Implantats, um dauerhaft im künstlichen Wechsel gehalten zu werden, weswegen Birgit darauf achten muss, alle vier Wochen in einer medizinischen gut aufgestellten Großstadt aufzuschlagen. 

Abgesehen davon, ist Birgits Reisestil erheblich beeinflusst: Selbstverständlich kann sie nicht mehr wie eine lebensfrohe 20-jährige Backpackerin von Ort zu Ort hechten. Das bedeutet: Keine 17-stündigen Busreisen, keine anstrengenden Wanderungen und Ausflüge. Stattdessen möglichst direkte Flüge ohne großes Umsteigen.  

Slow Travel ist angesagt. Bei Roadtrips verbringen Birgit und Cristo nicht nur einen Tag an einem Ort, sondern zwei oder drei. Trotzdem fällt es Birgit oft schwer zu akzeptieren, dass sie wegen Fatigue mit Müh und Not erst am Nachmittag aus dem Haus kommt.  

Zitat: “Unser Planet ist so unfassbar schön und abwechslungsreich, die Tierwelt so unglaublich. Ich muss diese Vielfältigkeit mit allen Sinnen aufsaugen. Ich habe eine große Sehnsucht danach. Mich macht das total glücklich, diese besonderen Orte und Tiere zu sehen.”
Birgit

Die nächste Seite featured Birgits YouTube-Channel und wie sie ihr Mindset nachhaltig ins Positive gewandelt hat.

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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