Assistierter Suizid: Beihilfe zum Sterben erklärt
Sterbehilfe ist zwar legal, aber das heißt nicht, dass sie sorgfältig geregelt ist. Viele Begrifflichkeiten, viel Verwirrung. Wir erklären dir, wie der assistierte Suizid in Deutschland und Österreich rechtlich funktioniert.
Wie kommt man in Österreich zur Sterbeverfügung und was versteht man unter „passiver Sterbehilfe“? Das klären wir auf dieser Seite:
Der Weg zur Sterbeverfügung
Hat man eine schwere oder unheilbare Krankheit, muss man in Österreich einen ganzen Prozess durchmachen, um zur Sterbeverfügung zu kommen. Denn: Sterbewünsche treten meist in Krisenzeiten auf und können temporärer Natur sein. Dementsprechend gibt es einige Schutzmechanismen, um die Beständigkeit dieses Wunsches zu prüfen.
Hier versucht man auch, Alternativen zur Sterbehilfe zu finden, sei es in der Behandlung oder durch psychotherapeutische, bzw. suizidpräventive Beratung. Das ist wichtig, weil der Person so nochmals die Möglichkeit gegeben wird, sich konkret mit dem Sterbewunsch auseinanderzusetzen.
Zweifelt der Arzt oder die Ärztin an der Fähigkeit zur informierten Entscheidung, wird ein:e Psychiater:in herangezogen, um die Situation um die sterbewillige Person nochmals zu beurteilen.
Liegt tatsächlich eine psychische Krankheit vor, kann der oder die Sterbewillige nicht als entscheidungsfähig eingestuft werden.
In der Suizidforschung ist das nämlich der ungefähre Zeitraum, den es braucht, um Krisenphasen zu überwinden. Sollten Personen allerdings nur eine sehr geringe Zeit (etwa wenige Wochen) zu leben haben, verkürzt sich die Frist auf zwei Wochen.
Das setzt natürlich voraus, dass die Person nach wie vor zurechnungsfähig und gewillt ist, selbstbestimmt zu sterben.
Im Vorhinein wird die sterbewillige Person ganz genau auf den richtigen Umgang mit dem Präparat hingewiesen. Das Präparat kann nur in jener Dosis ausgehändigt werden, die in der Sterbeverfügung festgelegt ist. Die Dosierung wird im Zuge des ärztlichen Gesprächs bestimmt.
Wurde das Präparat nicht benutzt und taucht in der Verlassenschaft der verstorbenen Person auf, muss es unbedingt der Apotheke zurückgegeben werden.
Die Sterbeverfügung ist ein Jahr gültig, aber dessen Ablaufen hindert die sterbewillige Person nicht, das Präparat weiterhin aufzubewahren. Es gibt auch keine gesetzliche Verpflichtung, das Präparat zurückzugeben, aber es sollte unbedingt vor unbefugter Einnahme gesichert werden. Jedoch ist zu beachten, dass die Haltbarkeit des Präparats zur oralen Einnahme nur einen Monat beträgt.
In einer Patientenverfügung kann ein Mensch schriftlich festhalten, dass er oder sie in einer kritischen, aussichtslosen Situation am Lebensende keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünscht – etwa Wiederbelebungsmaßnahmen, künstliche Beatmung oder Ernährung. Dabei handelt es sich um passive Sterbehilfe, besser bezeichnet als „Sterben zulassen“, zu der wir in Kürze kommen.
Ist die Person dann nämlich nicht nur aussichtslos krank, sondern auch dauerhaft bewusstlos, müssen sich die Ärzt:innen an die Verfügung halten – und, soweit vermerkt, straffrei den oder die Patient:in sterben lassen.
Passive Sterbehilfe
Bewegen wir uns nun in legalere Gefilde. Was genau „passiv“ bei Sterbehilfe bedeutet? Hier eine Veranschaulichung: Eine Ärzt:in stellt fest, dass es für Patient:in X keine Aussicht auf Besserung mehr gibt. Der Krebs hat in alle Winkel gestreut, es hilft höchstens noch ein Wunder. X wünscht keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr und möchte nicht an belastenden Symptomen leiden. Noch dazu ist X bei vollem Bewusstsein und psychisch gesund.
In diesem Fall hätten die Ärzt:innen nach sorgfältiger Überprüfung keinen Grund, den Sterbewunsch nicht zuzulassen. Jetzt ist nur noch die Frage: Wie darf dem oder der Patient:in beim Sterben geholfen werden? Es gäbe, je nach Situation, drei Möglichkeiten.
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Sterben zulassen
Wünscht es der oder die Patient:in, werden alle lebenserhaltenden Maßnahmen, wie künstliche Ernährung oder Beatmung, beendet. Auch ein Behandlungsabbruch, der zum Tod führt, zählt dazu.
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Sterbebegleitung/Comfort Terminal Care
Hierzu zählen alle Therapien, die am Lebensende das Leiden verringern, aber auch möglicherweise verkürzen. Wie z. B. bestimmte schmerzlindernde Medikamente, die im Endstadium einer schweren Krebserkrankung verabreicht werden. All das und noch viel mehr ist übrigens Teil der Hospizarbeit.
Ausführliche Informationen über eine Begleitung im Rahmen der Hospiz findest du in unserem Artikel, wo wir mit einer Hospizdame über ihre Erfahrungen in der Sterbebegleitung gesprochen haben.
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Assistierter Suizid
Hierin besteht der eigentliche Grenzgang. Denn es ist erlaubt, tödliche Mittel bereitzustellen, sofern das in der Verfügung vermerkt ist. Aaaaber man darf der todeswilligen Person das Mittel nicht verabreichen.
Hinzu kommt, dass man in Deutschland das Mittel zwar beantragen kann, es aber nur in wirklichen Extremfällen gewährt wird.
Auf der nächsten Seite beschäftigen wir uns mit Vereinen, die sich mit dem Thema beschäftigen, der Situation in der Schweiz und mit der ethischen Frage um den Freitod.
Über die Serie
Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.
Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.