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Krebs und Isolation
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Von Iso-Haft zu Iso-Kraft: Theresas Weg

Akute Leukämie, Lebensgefahr, Isolierstation. Was macht das mit dir? Sehr viel – die Autorin Theresa Othegraf weiß das aus eigener Erfahrung. So wurde sie damit fertig.

Zugabe

Doch auch nach ihrer Entlassung muss sie sich isolieren. Zu Hause. Wochenlang. “Das war mit vielen Ängsten verbunden.” Im Krankenhaus musste sie nur klingeln, und jemand kam. Jetzt ist sie ganz allein. Latex-Handschuhe, Mundschutz, desinfizieren, zerkochtes Essen. 18 Tabletten pro Tag. Die ständige Erschöpfung. Sie hat das Gefühl, nie wieder 500 Meter am Stück laufen zu können. In dieser Zeit lernt Theresa, Geduld mit sich selbst zu haben. “Die Geduld, dass es heute nicht geht und auch nicht in einer Woche, aber vielleicht in drei Wochen.” 

Dann, endlich, darf sie mit einer Freundin in ein Café gehen. Ihren ersehnten Cappuccino darf sie aber immer noch nicht trinken. Auf der Kaffeemaschine könnten Keime sein. Stattdessen: Getränk aus der Flasche, Strohhalm, die Flaschenöffnung desinfiziert. “Auch das ist eine Form der Isolation.” 

Ich lernte, Geduld zu haben. Die Geduld, dass es heute nicht geht und auch nicht in einer Woche, aber vielleicht in drei Wochen.
Theresa Othegraf
Theresa Othegraf macht ein Foto von sich selbst im Spiegel, mit ihrem Mobiltelefon.
Klick! Selfie à la Theresa. (Foto: Theresa Othegraf)

Die große Frage

Draußen vor ihrem Fenster ist wieder eine Sirene zu hören. Wahrscheinlich Polizei. Klingt wie Tatort. Das Gespräch ist fast zu Ende, ich muss bald los, einen Zug erwischen. Doch ich will noch etwas wissen:  

Theresa, hat sich in deinem Leben etwas verändert? “Sehr viel. Es ist nichts mehr wie vorher.” Sie erzählt: Über ihre Fatigue – “meine Batterien laden sich einfach nicht mehr auf”. Ihre verminderte Leistungsfähigkeit. Welche Folgen das für ihren Job hat – sie muss sich eine neue Teilzeitstelle suchen und verdient entsprechend weniger.  

Nach dem Überleben kommt auch die Frage nach dem Sinn: Hat die Krankheit etwas zu bedeuten? Was stelle ich mit meiner Zeit an, wie will ich weiterleben? “Das war die Phase, in der das Schreiben, das In-Worte-Fassen sehr wichtig wurde.” Inzwischen hat Theresa zwei Bücher über ihre Erfahrungen geschrieben. 

Scheißtag? Okay!

Letzte Frage an Theresa: “Diesen Artikel werden Menschen lesen, die in einer ähnlichen Situation sind wie du es warst. Gibt es irgendwas, was du mitgeben kannst?” 

Sie überlegt. Dann sagt sie: “Positiv sein, aber nicht schönreden. Auf jeden Fall negative Gefühle zulassen. Wenn es dir einfach schlecht geht, du die Welt doof findest und eigentlich keinen Bock mehr hast, dann ist es an dem Tag einfach mal so. Klar: Man soll sich auch an den kleinen Dingen freuen. Aber nicht das Gefühl haben: ‘Ich habe versagt’, wenn dir das mal nicht gelingt. Dann geht es dir halt mal schlecht!” 

Danke, Theresa.  

Jetzt bist du dran!

Du musstest dich aufgrund deiner Krebserkrankung isolieren? Du willst erzählen, wie du damit fertig wurdest?

Hier ist deine Chance! Nimm wie Theresa ein kurzes Video auf, erzähl, was deine Coping-Strategie war. Poste das Video mit dem Hashtag #Sinneswandel.

Vergiss‘ nicht, uns zu verlinken!

Du willst mehr über Theresa wissen?

Titelbild: Theresa Othegraf

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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