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Wanderköchin mit Herz
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„Wenn du überleben willst, musst du etwas essen.“

Veränderung ist nur dann möglich, wenn du bereit bist, ein Risiko einzugehen. Birgit Indra hatte den Mut dazu. Modedesignerin, Maßschneiderin, Store Managerin, Restaurantleiterin und jetzt Wanderköchin mit Herz. Wir haben mit der taffen Vöslauerin über heftig deftige Küche, das spezielle Kochen für Krebspatient*innen und Online-Kulinarik gesprochen.

Seite 2/3: Kochen für Krebspatient*innen

Wie gehst du vor, wenn du für Krebspatient*innen kochst?

Ich fahre zu ihnen hin und koche bei ihnen frisch. Das habe ich auch im Sommer zwischen den Lockdowns so gemacht.

 

Wenn man als Patient*in nach einer Chemo anders schmeckt oder viel Gewicht verliert: hast du Tipps, was hilft?

Das ist fast täglich anders. Manchmal sind es Tage, wo sie nur etwas Breiiges oder Flüssiges zu sich nehmen können. Dann heißt es „Jessas na*, ja ned breiig, ich brauch was zum Beißen“. Das hängt von der Tagesverfassung und dem Zeitpunkt der Chemo ab. Bei meiner Freundin, die ich jetzt seit vier Jahren bekoche, ist das ganz oft unterschiedlich. Mittlerweile ist sie gegen alle Erwartung krebsfrei – da muss ich gleich aufs Holz klopfen (klopft auf den Tisch). Trotzdem ist das mit ihrem Geschmackssinn schwierig. Wir besprechen im Vorhinein immer was ich zum Kochen mitnehmen soll und manchmal fahre ich hin und sie kann sich nicht vorstellen irgendetwas zu essen. Das endet oft darin, dass ich nur einen Brokkoli koche oder wir zum Schluss gemeinsam ein Joghurt löffeln.

 

*„Jessas na“: über ein Ereignis erstaunt sein vgl. „um Gottes Willen“ oder „Jesus Maria!“

„Goji Beeren? Oida, wir haben Rosinen in Österreich!“
Birgit Indra

Du bietest auch Kurse für Angehörige an. Wie löst du das mit der aktuellen Situation?

Ich halte die Workshops derzeit via Zoom ab. Wie im Sommer plötzlich Corona nicht mehr existiert hat, was natürlich Blödsinn war, wie man jetzt sieht, habe ich versucht, Kochkurse zu organisieren. Das ist mir dann aber nicht mehr gelungen und jetzt ist dieses Thema natürlich etwas eingeschlafen, da ja Krebspatient*innen zu einer hohen Risikogruppe zählen. Momentan ist gerade Pause, aber es wird wieder beginnen. Dieses Hinfahren und für sie kochen, sich gemeinsam hinsetzen und essen kann eine Motivation für Angehörige, aber natürlich auch für Betroffene sein. Dass man auch wirklich etwas isst, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist. Diese Erfahrung möchte ich gerne weitergeben, und zwar in Form von Koch-Wokshops und in Form eines Buches, das gerade im Entstehen ist.

Interviews Wanderkoechin Mit Kochloeffel Fotocredit Carolina Strasnik
Das Herz ist ihr Markenzeichen. Sowohl von innen, als auch von außen. Fotocredit: Carolina Strasnik

Was ist dir beim Kochen für andere besonders wichtig?

Frisch kochen ist mir ganz wichtig. Es gibt Caterer, die das Essen vorkochen, hinbringen und es dort entweder warm gehalten oder aufgewärmt wird. Ich mache das nicht, sondern ich fahre zu den Kund*innen hin und koche bei ihnen frisch vor Ort. Und das mache ich immer so.

 

Von veganen, vegetarischen bis hin zu traditionellen Fleischgerichten bietest du alles an. Mit welchen Zutaten kochst du am liebsten?

Also ich glaube ganz fest an „organic“, also biologisch. Fast noch wichtiger ist mir saisonal und lokal, aber perfekt wäre natürlich eine Kombination aus allem. Man bekommt dadurch so eine Vielfalt in den Speiseplan. Erdbeeren im Winter haben mich noch nie interessiert, die schmecken im Prinzip auch nach nichts. Ich könnte eigentlich ausschließlich von Tomaten leben. Irgendwas muss da drinnen sein, was mein Körper ganz fest braucht und trotzdem esse ich im Winter wenige davon. Oder wenn ich an den Trend mit Trockenbeeren denke. Gojibeeren? Oida*, wir haben Rosinen in Österreich, die sind genauso gesund! (lacht) Wir haben hier so eine Vielfalt an Obst und Gemüse, man muss sich nicht nur von Gojibeeren, Avocado und Ananas ernähren. Ich liebe Kohlrabi, Kraut, eingelegtes Gemüse, Spinat und Brokkoli. Ich glaube, es geht einfach um den Schwerpunkt, also lokal, saisonal, nicht jeden Tag Fleisch und wenn, dann biologisch. Wenn man ein bisschen mehr in sich hineinfühlen würde, würde man schon merken, was einem gut tut. Die Krebspatient*innen wissen das am allerbesten.

*Oida = Alter bzw. schau dir einfach dieses Video an: “How to say a thousand things with a single word: Oida” , besser könnten wir es nicht erklären

„Ich bin eine heftige Brotesserin.“
Wanderköchin mit Herz

Österreichisch-traditionell, mediterran oder doch chinesische Küche? Was kochst du am liebsten?

Das ist sehr jahreszeitenabhängig. Ich liebe den Winter, den Herbst. Ich würde gar nicht gern wo leben wollen, wo es immer 20-25 Grad hat und es das ganze Jahr über dieselben Früchte gibt. Ich habe dann automatisch mehr Guster* auf Schweinsbraten oder fette, deftige Sachen und koche das auch gerne. Im Sommer denke ich nicht mal daran. Und meine Kunden tendieren auch dazu. Die österreichische Küche ist schon eher heftig deftig. Man hat zwar jahrelang gesagt: „Hallo, Butter? Des geht jo goaned!* Das ungesündeste, was man sich antun kann.“ Es kommt aber immer auf die Qualität an. Eine Bio-Butter vom Bauern ist in Maßen nicht ungesund. In der wärmeren Jahreszeit habe ich eher Lust auf orientalisch mediterran. Chinesisch könnte ich immer essen.

Was ich aber sagen kann: Ich habe jahrelang gedacht, dass vegane Küche fad, langweilig und eintönig ist. Und des is a Bledsinn.* Man muss aufpassen, dass man genug Kohlenhydrate, Proteine, Eisen etc. zu sich nimmt, aber das hat man gelernt. Bis auf Süßspeisen. Veganer Kuchen? Na, da iss i liaba kan Kuchen.* Ansonsten geht mir nichts ab, das ist köstlich, vielfältig und unbestritten gesund.

 

*„Guster“ = Appetit | „Des geht jo goaned!“ = Das geht gar nicht. | „Und des is a Bledsinn“  = Das ist ein Blödsinn. |„Na, da iss i liaba kan Kuchen“ = Da esse ich lieber keinen Kuchen.

Über die Serie

Stark sein? Runterschlucken? Das Schicksal ertragen? Wir von Kurvenkratzer bekommen latenten Brechreiz, wenn wir derartige Sprüche hören. Und warum flüstern wir, wenn wir über Krebs reden? Ja, Krebs ist in unserer Gesellschaft leider noch immer ein Tabu. Studien zufolge trifft aber jeden zweiten Menschen im Laufe seines Lebens eine Krebserkrankung. Krebs ist also alles andere als eine gesellschaftliche Nische.

In unseren Interviews sprechen wir mit Menschen, die Krebs am eigenen Leib erfahren haben oder nahe Betroffene sind. Wir reden mit ihnen über den Schock, den Schmerz, Hilfe zur Selbsthilfe, Humor und Sexualität, sowie darüber, wie es gelingt, Mut und Hoffnung zu finden. Damit möchten wir dich motivieren: Wenn du das Gefühl hast, über deine Erkrankung sprechen zu wollen, dann tu es. Du bist nicht allein.

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