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Bewusster leben im Hier und Jetzt
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Wie der Tod zum Freund fürs Leben wird

Aus der Ferne wie aus der Nähe wirkt der Tod bedrohlich. Doch tatsächlich kann er dir helfen, das Leben mehr zu schätzen. Wir zeigen dir, wie das Ende als Motivation für das Jetzt dienen kann. 

Wie der Tod Leben einhaucht 

Und das bringt uns auch schon zum nächsten Punkt. Warum es eine verdammt gute Idee ist, dich auf ein Rendezvous mit dem Sensenmann einzulassen. Das könnte dein Leben nämlich nachhaltig zum Positiven verändern. Folgendermaßen: 

Perspektivwandel 

Der Tod ist der ultimative Perspektivenwandler. Er hilft dir, triviale Dinge als das zu erkennen, was sie sind. Und dich der Tatsache zu stellen, dass vieles von dem, worüber du dir Sorgen machst, gar nicht so wichtig ist. Wozu über Dinge ärgern, die außerhalb deiner Kontrolle liegen?  

Und auf einmal nimmst du einen Schritt zurück und schaust still dem Fluss der Zeit beim Vorbeiziehen zu. Kostbare Momente und Kapitel deines Lebens kommen und gehen. Und manchmal hilft es, innezuhalten und sich zu erinnern, dass nichts für immer ist.  

Frage dich, wie viel schon passiert ist und wie viel noch kommen mag. Und dann stell dir die erstaunliche Tatsache vor, dass irgendwann gar nichts mehr kommt. Wenn du mehr zu positiven Denkweisen wissen willst, kann es nicht schaden, in der Artikelserie zu positiver Psychologie vorbeizuschauen. 

Wendeltreppe von unten rosa Wand
Oft ist Schönheit wirklich nur eine Frage der Perspektive. (Foto: Pexels/jplenio)

Entscheidungsfreude 

Die Erinnerung daran, dass du bald tot sein wirst, kann ein wichtiges Werkzeug sein, um die großen Entscheidungen im Leben zu treffen. Denn fast alles – äußere Erwartungen, Stolz, Angst vor Peinlichkeit oder Versagen – verschwindet im Angesicht des Todes und lässt nur das zurück, was wirklich wichtig ist 

Diese Methode hilft also ganz gut dabei, dich vor manipulierenden Einflüssen abzuschirmen, sodass du befreit eine Wahl treffen kannst, die dir (und niemandem sonst) entspricht. Außerdem entgehst du der Falle zu denken, du hättest etwas zu verlieren, wenn du aufbrichst, um deine Träume zu erfüllen.  

Keine Sinnfreiheit mehr 

Gehen wir mal vom positivsten aller Standpunkte aus: Jeder Mensch hat eine Berufung. Eine Aufgabe, die, wenn sie erkannt und ausgeführt wird, dazu führt, dass dieser Mensch eine leckere Portion Sinn im Tun und Sein vorfindet. So weiß dieser Mensch auch in den Momenten des Leidens genau, warum er:sie macht, was er: sie macht.  

In unseren Sinneswandel-Porträts (die du unbedingt lesen solltest) geht es praktisch um nichts anderes. Krebspatient:innen, die mit dem Tod konfrontiert keine andere Wahl haben, als die unverblümte Wahrheit darüber zu erkennen, ob sie am richtigen Ort im Leben sind oder nicht 

Meist gibt es schon vor der Erkrankung Anzeichen einer Berufung, aber er:sie hat sich im Laufe der Zeit von dem Druck der Gesellschaft oder Selbstzweifeln unterkriegen lassen.  

Keinerlei Vorwurf unsererseits. Es ist ziemlich leicht, in den Zwängen des Hamsterrades zu vergessen, dass so etwas wie Sinn überhaupt besteht. Aber der Tod hat die wunderbare Fähigkeit, daran zu erinnern, dass der Sinn eine intrinsische Angelegenheit ist. Es liegt an dir, den Dingen ihre Bedeutung zu geben. 

viele Lampen blau rosa schwarzer Hintergrund
“Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.” - Friedrich Nietzsche. (Foto: Unsplash/Marek Piwnicki)

Vergebung als Belebung 

Nicht falsch verstehen: Vergebung heißt nicht, unverantwortliches und verletzendes Verhalten zu dulden. Es ist auch kein selbstgerechtes Hinhalten der anderen Wange. Vielmehr ist es das Hintersichlassen alter Scharmützel, was dir hilft, die Gegenwart frei vom Müll der Vergangenheit zu erleben.  

Die Hospizarbeiterin Maria Lederbauer hat uns in diesem Interview verraten, dass viele Sterbende es bereuen, den Streit mit bestimmten Leuten nicht beigelegt und vergeben zu haben. 

Materialismus adé 

Kennst du diese Comics mit nur einem Bild? Unser liebster ist von Eric Lewis. Darauf zu sehen ist ein alter Mann auf dem Sterbebett, der sagt: “Ich hätte mehr Scheiß kaufen sollen.” Klarerweise ist das ein Witz und du ein:e ziemliche:r Materialist:in, wenn du den Sarkasmus nicht erkannt hast. 

Aber keine Sorge: Wenn der Tod erst eine Rolle spielt, verlagern sich deine Werte typischerweise von materiellem Erfolg hin zu intrinsischen Werten und Zielen wie Liebe, Intimität, innerer Frieden, bestimmte Erlebnisse – eben Dinge, die an sich keinen Cent kosten.  

Schuppen von innen chaotisch
Das Spermium, aus dem du entstanden bist, hat sich nicht gegenüber Millionen anderer durchgesetzt, damit du Zeug anhäufen kannst. (Foto: Pixabay/levelord)

…und die Angst verfliegt 

Menschen, die ein bedeutsames Leben gelebt haben, sind, wenn ihre Zeit gekommen ist, meist damit einverstanden, abzutreten. Wenn du schon etwas erreicht hast, geliebt hast, Kinder in die Welt gesetzt hast, oder zumindest erledigt hast, was dir noch wichtig war, dann ist der Tod gar nicht mehr so furchteinflößend. 

Auf der nächsten Seite wollen wir Möglichkeiten finden, uns daran zu erinnern, dass jeder Tag kostbar ist.

Über die Serie

Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.

Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.

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