Wie Maschinen Medizin menschlicher machen
Hightech trifft Hausarzt-Flair: Daten und KI machen Medizin so individuell wie nie. Gerade Krebsbetroffene dürfen den Fortschritt hautnah erleben. Doch wo Chancen sind, lauern auch Herausforderungen. Expertin Barbara Prainsack verrät, wie personalisierte Medizin die Zukunft gestaltet.
Am Ende des Artikels weißt du:
- Wie individuell Medizin werden kann
- Was den Fortschritt antreibt
- Warum gerade Krebstherapien massiv profitieren
- Was zum Henker „Präzisionsmedizin“ ist
- Wo die Chancen und Risiken liegen
Jeder Mensch ist anders. Manche finden Heavy Metal entspannend, andere finden Kuschelrock aufregend. Anders ausgedrückt: Was einer Person passt, könnte bei einer anderen gar nicht funktionieren. Das trifft auch auf Behandlungsmethoden, Medikamente und persönliche Betreuung zu.
Dementsprechend sollte auch medizinische Behandlung voll auf deine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden, ooooder?
Klingt nobel, aber die Realität schaut manchmal anders aus. Nicht immer haben Ärzt:innen die Zeit oder Kompetenz – und manchmal sind sie selbst überlastet. Wenn du also höchstpersönliche Betreuung willst, musst du Geld in die Hand nehmen. Aber ist das nicht unfair? So werden im medizinischen Kontext doch nur jene als Individuum behandelt, die es sich leisten können.
Glücklicherweise kommt schon eine Lösung über den Horizont getuckert. Sie nennt sich “personalisierte Medizin”. Ihr Motor ist KI und ihr Sprit sind Daten.
Aber wie sollen ausgerechnet seelenlose Informationsverarbeitungsprogramme unsere Medizin wieder menschlicher machen?
Der Lebenslauf von Barbara Prainsack ist ein wahres Potpourri: Sie ist nicht nur Politologin an der Uni Wien, sondern berät auch die EU-Kommission zu Ethik im Zusammenhang mit neuen Technologien. Ihre Rolle als Vizepräsidentin der österreichischen Plattform für Personalisierte Medizin und das Buch, das sie über selbiges Thema geschrieben hat, sind der definitive Grund, warum sie uns im Gesundheitsrebell:innen-Podcast beehrt.
Wie persönlich kann Medizin werden?
„Jede Medizin ist im Grunde personalisiert. Alles beginnt damit, dass zwischen Kindern und Erwachsenen oder nach Geschlechtern unterschieden wird“, stellt Barbara gleich zu Beginn fest. “Zusätzlich zu dem Wissen, das Ärzt:innen über ihre Patient:innen bereits haben, passen sie die Behandlung an, je nachdem, ob es sich um eine 25-jährige Frau oder einen älteren Mann handelt.“
So weit, so normal. Aber moderne personalisierte Medizin geht weit über ärztliche Intuition und die klassische Krankengeschichte hinaus.
Dank digitaler Technologien – Stichwort „KI“ – werden Behandlungen immer präziser. So präzise, dass sie genau auf deine genetische Ausstattung, deinen Lebensstil und sogar deine Umgebung zugeschnitten werden können.
“Künstliche Intelligenz und Big Data haben der personalisierten Medizin, oder auch der Präzisionsmedizin, einen neuen Boost gegeben”, skizziert Barbara die gegenwärtigen Entwicklungen.
Cool. Und was ist nun „Präzisionsmedizin“?
Präzisionsmedizin = personalisierte Medizin auf Steroiden
So nennt sich die individuellste Ausprägung der personalisierten Medizin, bei der verschiedenste Datensätze einfließen. „Das geht schon in Richtung digitaler Zwilling“, erläutert Prainsack.
Wait. Von diesem Zwilling haben wir doch schonmal gehört? Genau! Im letzten Podcast. Hier kannst du gemütlich nachhören.
Kurzer Rückblick: Ein digitaler Zwilling ist eine virtuelle Kopie eines oder einer Patient:in, die es u.a. ermöglicht, Behandlungen wie chirurgische Eingriffe vorab zu simulieren. Völlig neue Möglichkeiten also. Mit dieser Herangehensweise kann man Therapien mit hoher Treffsicherheit planen – und dabei sogar vorhersagen, wie ein oder eine Patient:in auf bestimmte Behandlungen reagieren wird. Die bis dato höchste Spielklasse der personalisierten Medizin.
Und all das dank Daten. Braucht es uns Menschen da überhaupt noch?
Maschinen machen Medizin menschlicher
Der Motor hinter dem rasanten Fortschritt sind große Datenmengen. „Viele Dinge können Menschen besser als Maschinen“, gesteht Prainsack dem unperfekten Homo Sapiens zu und meint damit insgeheim wohl auch, dass gute Ärzt:innen niemals vollständig von digitalen Doktoren ersetzt werden könnten.
Aber bei bestimmten Dingen ziehen wir Fleischanzugträger doch den Kürzeren: „Maschinen können große Datenmengen analysieren, wie es für Menschen schlichtweg unmöglich wäre.“ Allem voran können sie Muster erkennen, als gäbe es kein Morgen – und ohne jemals zu ermüden.
In der Praxis heißt das: KI analysiert genetische Daten, kombiniert diese mit klinischen Informationen und beantwortet dann Fragen wie: Welche Patient:innen erholen sich nach einem Eingriff besonders schnell? Was haben die gemeinsam? Und wer weiß: Vielleicht springt am Ende des Tages sogar eine neue Erkenntnis raus.
Dieser Artikel verrät dir die vielfältigen Vorzüge von Gesundheitsdaten auf einen Blick.
In puncto Medikamentenentwicklung ist die datenliebende KI schon länger wichtig. Statt jahrelang im Labor zu forschen, durchforstet sie riesige Datenmengen in kürzester Zeit nach vielversprechenden Wirkstoffen.
Barbara fasst zusammen: „Die künstliche Intelligenz spielt schon in den alltäglichsten Formen der Interaktion eine Rolle – von der Konsultation über Videoschaltung bis hin zu sehr komplexen Formen der medizinischen Praxis und auch der Forschung.”
Apropos eine Rolle spielen: Das tut personalisierte Medizin nämlich vor allem in der Krebstherapie!
Warum besonders Krebstherapien von der Personalisierung profitieren, erfährst du auf der nächsten Seite.
- Seite 1
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Über die Serie
Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.
In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.