Die zehn ultimativen Erkenntnisse des Gesundheitswesens
Das Gesundheitswesen reflektiert, was es in den Gesprächen mit Expert:innen gelernt hat. Das Ergebnis ist eine To-Do-Liste, wie das System zukunftsfähig gemacht werden kann.
Das erlebe ich dieses Mal:
- Ich beginne ein Burnout-Rehabilitationsprogramm.
- Ich reflektiere über die Lehren der letzten Monate.
- Und schreibe eine zukunftsreife To-do-Liste.
Liebes Tagebuch,
mein Antrag beim Rehazentrum Tannenspitz war erfolgreich. Eine gewisse Aufbruchsstimmung überkam mich, als ich mich von meinem Kaktus und dem Bonsai verabschiedet habe. Jetzt sitze ich im Zug und reflektiere über die letzten Wochen und Monate. Was zum Teufel ist eigentlich passiert? Wie bin ich hierher gekommen?
Was bisher geschah:
Ich, das Gesundheitswesen, bin überlastet und wurde mit Burnout diagnostiziert. Die Psychotherapeutin riet mir, auf Spurensuche nach meinen Stressoren zu gehen.
Und ich habe sie alle auf einer wilden Gefühlsachterbahn ausfindig gemacht. Lies die ganze Serie!
Ich war so verspannt damals, am Anfang meiner Reise. Ich hatte null Vertrauen in mich selbst. Ich meine, was ist die Daseinsberechtigung eines Gesundheitswesens, das nicht gesund ist? In der Manie des ständigen Funktionierenmüssens habe ich keinen Raum für Wandel zugelassen, meine Haltung war starr und meine Ansichten sowieso.
Ich solle mich auf die Suche nach meinen Stressoren machen, hat meine Therapeutin dann gemeint. Ein goldrichtiger Tipp, wie sich herausstellen sollte.
Nach und nach habe ich mich immer mehr getraut, den Finger in die Wunde zu legen. So viele Baustellen. Es wäre noch überfordernder gewesen, hätte es da nicht die vielen vorwärtsdenkenden Expert:innen gegeben, die mich mit ihrer Hoffnung auf eine bessere Zukunft regelrecht angesteckt haben.
Zu zehn Erkenntnissen haben sie mich inspiriert:
Erkenntnis #1: Mehr Rechte für die Pflege!
Als allererstes ist mir die Fachpflegerin Martina Spalt begegnet. Sie hat mir gezeigt, dass die Pflegekrise real ist.
Und das hat einerseits mit Personalmangel zu tun. Aus ökonomischen Gründen wird bei den Pfleger:innen gespart, während die Pensionierungswelle über das Land schwappt. Und so kommt es, dass jene, die da sind, überlastet und frustriert sind, auch weil Ausfälle kaum kompensiert werden können.
Andererseits haben spezialisierte Pflegekräfte, wie Cancer Nurses noch keine rechtliche Verankerung im Gesundheitssystem. Viele gut ausgebildete Leute, die ihre Kompetenz kaum ausleben können. Laut dem Gesundheitsminister soll sich wenigstens das nun ändern. Immerhin.
Details zur Pflegekrise findest du in meinem ersten Tagebucheintrag.
To-do:
- Es braucht bessere Arbeitsbedingungen.
- Das Team durchmischen! Gerade in der Pflege ist langjährige Erfahrung wichtig. Das heißt, man müsste neue Pfleger:innen anwerben, während die erfahrenen gehalten werden.
- Mehr Rechte für Pflegefachkräfte!
Erkenntnis #2: Den Föderalismus abschaffen!
Den Föderalismus habe ich bis heute nicht kapiert, obwohl der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka mir den einwandfrei erklärt hat. Was ich nicht verstehe, ist die unnötige Verkomplizierung, die mit dem Föderalismus einhergeht – besonders in Österreich.
Dort verfügen Bundesländer nur über eine sehr begrenzte Eigenständigkeit. So kommt es, dass man bestimmte Medikamente nur in bestimmten Krankenhäusern bekommt und in anderen nicht.
Außerdem entstehen Kommunikationsbarrieren zwischen Allgemeinmediziner:innen und Fachärzt:innen, und der Strukturplan ist sowieso gaga. Es kommt vor, dass Krankenhäuser zehn Kilometer voneinander entfernt gebaut werden, weil sie nur den Patient:innen in den jeweiligen Ländern dienen können.
Um den Föderalismus und seine Tücken zu verstehen, lies am besten meinen Tagebucheintrag mit Thomas Czypionka.
To-do:
- Ganz einfach: Die Gesundheitsstruktur zentrieren, damit nicht jedes Bundesland eigensinnig agiert.
- Über eine Quelle verrechnen, sodass die Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Institutionen einfacher wird.
- Sich am Beispiel Dänemark orientieren:
- Superspitäler mit hochspezialisierten Leistungen einführen – wie etwa ein nationales Krebszentrum.
- “Hospitals at Home” – Telemedizin weiter ausbauen.
- Krankenhäuser mit Berücksichtigung auf die gesamte Bevölkerung bauen.
Erkenntnis #3: Jedes Puzzlestück ist wichtig!
Nach der Föderalismusgeschichte ging es mental bergab für mich. Da habe ich die Reißleine gezogen und mich beim wachsamen Ohr einer Psychotherapeutin ausgesprochen. In meiner ausufernden Überforderung riet sie mir, klein anzufangen. Hilflos irrte ich dann im größten Klinikum Europas herum, und stieß auf einen Bettenfahrer namens Benjamin. Der zeigte mir seinen Alltag und ließ mich erkennen, dass dieser Beruf, den ich für banal und einfach hielt, eigentlich extrem wichtig für das Ökosystem Krankenhaus ist.
Ohne den Patient:innentransport funktioniert nichts. Und so fand ich auf dem Dach des Grazer Landesklinikums meine Richtung wieder. Ich wusste: Ich will zurück zum Start – herausfinden, was getan wird, um Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen.
Folge mir und dem Bettenfahrer Benjamin durch das größte Klinikum Europas!
Auf Seite 2 geht es um Armutsgefährdung, Gesundheitskompetenz und Wiedereingliederung. Worte, die nicht mehr sperrig klingen, sobald du verstehst, was alles damit möglich ist.
Über die Serie
Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.
In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.