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Krebs x Natur
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Heilende Naturtour mit einem Krebs-Grizzly

Peter Gajdorusz hat mehrere Schicksalsschläge abbekommen: Prostatakrebs, Trennung, Tod. In Zeiten intensiver Strömung besinnt er sich zurück zu seiner ersten Liebe der Natur. Unser Redakteur David begleitet ihn zu seinen “Lieblingsplatzerln”.

Natur X Krebs Sinneswandel Portraet
Ein Steckbrief über Peter. (Foto: Kurvenkratzer)

Ich musste unbedingt aus der Stadt raus. Zu viel Betonlandschaft am Stück ist ungesund. Das Zugfenster wie ein Bildschirm. Die Donau rast vorbei. Ich bin diesen Zyklus gewohnt. Alle paar Wochen eine gute Dosis Grün und es geht wieder 

Denn im Gegensatz zur Stadt akzeptiert einen die Natur so, wie man ist. Platz zum Nachdenken, Platz zum Loslassen. So wie ich den Zugfensterbildschirm, als die Endstation naht. Krems. Mich erwartet dort jemand, der seinen Platz in der Natur mit mir teilen will. Jemand, der Krebs, Trennung und Angst mit der guten alten Donau bespricht.

Lies hier weiter, wenn du wissen willst, warum die Natur so gesund für Körper und Geist ist. 

Mein Freund, der Grizzly

Er nennt sich Grizzly. Andere nennen ihn Peter. Ich nenne ihn Grizzly-Peter. Seine Hündin Sooky bellt nervös vom Rücksitz, als er mich breit grinsend empfängt. Verständlich – sie ist 15 Monate alt, und ein Golden-Retriever-Königspudel-Mischling. Die sind bekanntlich recht sensibel. Aber sie gewöhnt sich schnell an mich. Und Peter und ich auch schnell an uns gegenseitig.

Er trägt am ganzen Körper grün-braune Kleidung und redet wie der Fluss selbst. Angenehmerweise nimmt er dabei keinerlei Blatt vor den Mund. Andere nennen es Oversharing, ich finde es einfach nur authentisch. So erfahre ich schon während der Autofahrt (das Auto ist übrigens auch dunkelgrün), dass der Grizzly-Peter die letzten Tage damit beschäftigt war, seinen neuen Campinganhänger einzurichten.

Seinen alten Camper hat er nämlich verkaufen müssen. Ich frage warum. “Der Krebs hat mich viel gekostet”, ist die knappe Antwort. Ach ja, deswegen bin ich schließlich hier.

Arm Tatoo Pfeile
Peter vertraut seinen Instinkten nicht nur beim Bogenschießen. (Foto: Kurvenkratzer)

Krebs und andere harte Nüsse

Angefangen hat es 2022, als ihn im Kroatienurlaub Covid erwischt hat. Urlaub zwangsläufig abgebrochen, war es aber auch nach drei Wochen nicht vorbei: “Ich hab echt gedacht, ich habe Long Covid. Ich konnte kaum die Stiegen raufgehen, ohne einen Schweißausbruch zu haben”.

Währenddessen fühlte sich der Prostatabereich wie eine harte Nuss an. Nach mehreren Besuchen bei dem Urologen seines Vertrauens in Innsbruck stellte sich heraus: PSA-Wert 4.700 (!!!). Der Normalwert liegt bei 3,5. “Der war wahrscheinlich durch Corona verfälscht”. Nichtsdestotrotz – der Hinweis war eindeutig: Prostatakrebs.

Der Urologe seines Vertrauens klopfte ihm ermutigend auf die Schulter: “He, Peter, komm. Keine Angst – das is‘ kein Problem.” “Irgendwie hat mich das beruhigt. Jetzt wusste ich zumindest, was es ist.” Die richtigen “Gnackwatschn” (österr. für „Kopfnuss“) sollten aber noch kommen. Am Tag vor der Biopsie, kurz vor Weihnachten, starb seine Mutter.

Als nächstes kam raus, dass der Krebs bereits gestreut hatte: In den Armen, Rippen und im Becken – was auch erklärte, warum sich Peter vor Schmerzen kaum die Schuhe binden konnte.

Mann mit Hund
Peter und Sooky kennen mittlerweile jeden Winkel der Wachau. Beinahe jeden Tag legen sie fünf bis 12 Kilometer zurück. (Foto: Kurvenkratzer)

Wir steigen aus, gehen bei stürmischem Wind unter grauen Wolken zur Donau hinab, um Sooky Auslauf zu geben. Mir fällt auf, dass ich während der gesamten Fahrt die Augenbrauen hochgezogen hatte. In der Tat, eine harte Nuss. Aber sie sollte noch härter werden.

Auf der nächsten Seite erzählt uns Peter, wie ihn die Trennung noch härter getroffen hat als der Krebs – und wie sich sein Leben danach gewandelt hat.

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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