Rehabili-lieber nicht
Das Gesundheitswesen hat es satt. Psychisch ist es am Ende – der gesundheitliche Rückfall war nur die Krönung. Eine Reha an der Ostsee scheint der letzte Ausweg zu sein, doch es entpuppt sich alles andere als einfach, reinzukommen.
Was ich diesmal lerne:
- Es gibt ein Wunsch-und-Wahlrecht bei der Rehaklinik.
- Reha ≠ Kur.
- Ein Rehaaufenthalt ist kein Zuckerschlecken, sondern harte Arbeit.
Liebes Tagebuch,
nach den vielen Kopfwehtabletten, die ich gestern geschluckt habe, und einer stolzen 13-Stunden-Nacht geht es mir heute besser. Psychisch sieht es in mir aber alles andere als goldig aus.
Ich kann nicht mehr. Nicht mal der Anblick meines Bonsai-Baums kann mich heute aufmuntern. Dieses Burnout zieht sich schon zu lange. Der gesundheitliche Rückfall war nur die verwurmte Kirsche auf der bereits sauren Sahne-Torte, wie ich sie einst meiner Mutter zum Geburtstag gebacken habe.
Was bisher geschah:
Ich, das Gesundheitswesen, bin überlastet und wurde mit Burnout diagnostiziert. Die Psychotherapeutin riet mir, auf Spurensuche nach meinen Stressoren zu gehen. Nachdem ich mich mit der Pflegekrise und dem Föderalismus auseinandergesetzt habe, wies mir ein Bettenfahrer den Weg. Da wurde mir klar, wie Wissen über die eigene Gesundheit zur Vorsorge beiträgt. Aber auch, welche Armutsfalle Krebs sein kann.
Zugleich wurde mir klar: Ich habe Mitstreiter:innen! Ich fühlte mich besser und wollte ins Berufsleben zurückkehren, doch erlitt ich einen Rückfall, weil die Wiedereingliederung nicht funktionierte. Dafür kenne ich jetzt die Vorteile der Digitalisierung. Die Herausforderungen der Versorgung chronisch Erkrankter am Land bereitet mir zwar noch Kopfzerbrechen, ich bin aber insgesamt optimistischer geworden. Bis die nächste Baustelle auftauchte: Medikamentenmangel. Schaffe ich es, mich zu bessern? Lies die ganze Serie!
Reha-ha-haaaaa
Wie soll es weitergehen? Jede Woche aufs Neue rät mir meine Therapeutin zu einer Reha. Ich habe sogar einen Antrag gestellt und die Rückmeldung bekommen, dass ich “nicht krank genug“ bin. Dabei habe ich meine Situation ja nur geringfügig besser dargestellt, als sie es eigentlich war. Pha. Wenn die mich nicht wollen, will ich sie auch nicht. Mürrisch setze ich mich mit meiner Tasse Kaffee an meinen Longtable und öffne meinen Laptop.
Uh, ist das etwa eine Klinik am Meer? Ich lande auf der Webseite eines großen Rentenversicherers und klicke mich durch. Wahnsinn, wie viele Spezialisierungen es da gibt.
Onkologische Erkrankungen. Ich bin da mit meinem Burn-out zwar fehl am Platz – aber meine Freundin Amari hat seit zwei Jahren Brustkrebs, ist mit ihren Therapien durch und hat bereits zwei Reha-Anträge gestellt. Ebenso ohne Erfolg.
„Reha-Zentrum Ückeritz | Klinik Ostseeblick“. Das hört sich ja idyllisch an. Ärztliche Direktorin der Klinik ist Frau Dr. med. Jana Barinoff. Ich habe sie vor Jahren auf einem Ärzt:innenkongress sprechen hören. Sie ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt auf gynäkologische Onkologie, Sexualmedizin und Psychoonkologie.
Ich wähle die Nummer und erreiche ihre Sekretärin, die mich an die Ärztin weiterleitet. Ich habe Glück – sie hat kurz Zeit. Ich erzähle vom Kongress und erkläre ihr, weshalb ich anrufe. Sie kann sich auch flüchtig an mich erinnern. Kurzerhand bietet sie mir an, für ein persönliches Gespräch nach Ückeritz zu reisen. Es geht also morgen Früh spontan an die Ostsee.
Warum ein Wochenende am Meer mir die Augen geöffnet und meinen Magen verschlossen hat, erfährst du auf der nächsten Seite.
Über die Serie
Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.
In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.