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Das Gesundheitswesen schreibt Tagebuch 
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Rehabili-lieber nicht  

Das Gesundheitswesen hat es satt. Psychisch ist es am Ende – der gesundheitliche Rückfall war nur die Krönung. Eine Reha an der Ostsee scheint der letzte Ausweg zu sein, doch es entpuppt sich alles andere als einfach, reinzukommen.

Sommer, Sonne, Reha 

Ich mache es kurz, der Tag war lang und es schleicht sich wieder ein leichtes Halskratzen ein. Um 7:00 Uhr morgens ging es heute los. Um die Zeit im Zug zu vertreiben, habe ich weiter zum Thema „Reha“ recherchiert. Hier meine Ergebnisse:   

Unter einer Reha versteht man die Wiederherstellung der psychischen und physischen Fähigkeiten von Patient:innen nach einer Erkrankung, Operation oder eines Traumas. Die Wiedereingliederung in den Alltag bzw. ins Arbeitsleben ist eines der Hauptziele. 

1. Eine Reha benötigt ein Team aus Ärzt:innen, Pfleger:innen, Therapeut:innen und Psycholog:innen.

Insgesamt gibt es rund 1.300 im ganzen Land. Auch private Unternehmen betreiben eigene Kliniken. Am häufigsten landen Patient:innen übrigens wegen psychosomatischen Erkrankungen wie Depressionen in Rehas. 

2. Es gibt verschiedene Rehabilitationskonzepte:

  • Stationäre Rehabilitation (in Rehabilitationskliniken)  
  • Teilstationäre Rehabilitation (in Tageskliniken)  
  • Ambulante Rehabilitation 

3. Phasen der Rehabilitation:

  • Akutbehandlung: Sofortige Therapie einer Krankheit auf der Intensivstation.  
  • Frührehabilitation: Rehabilitation kurz nach der akuten Phase einer Erkrankung – oft noch im Krankenhaus.  
  • Weiterführende Rehabilitation: Fortsetzung der Rehabilitation zur vollständigen Wiederherstellung der Fähigkeiten.  
  • Anschlussheilbehandlung: Rehabilitation, die spätestens 14 Tage nach Krankenhausentlassung beginnt. Ambulant, stationär oder teilstationär.  
  • Nachsorge: Weitere Diagnostik, Therapie und Prävention nach vorläufigem Abschluss einer Behandlung, bei komplexen Krankheiten mit Gefahr vor Wiedererkrankung.  
  • Berufliche/soziale Rehabilitation: Ziel ist die Rückkehr in den Arbeitsmarkt und soziale Integration.  
  • Langzeitbehandlung/-pflege: Medizinische Behandlung über einen längeren Zeitraum. 

Noch Meer Reha-Wissen  

Nach einer angenehmen Zugfahrt bin ich in Ückeritz angekommen. Es ist Jahre her, dass ich Meer gesehen und Salzwasserluft geschnüffelt habe. Bei einem langen Strandspaziergang habe ich Frau Barinoff dann zu ihrer Arbeit befragt.

Reha Strandspaziergang
Ein Spaziergang am Meer ist perfekt für ein gemütliches Pläuschchen. (Illustration: Lena Kalinka)

Die Klinik Ostseeblick in Ückeritz, ein Reha-Zentrum vom DRV-Bund, ist auf Patient:innen mit Brustkrebs und gynäkologischen Krebserkrankungen, aber auch auf Dermatologie und Dermato-Onkologie, spezialisiert. Auch Patient:innen mit der seltenen Erkrankung Lichen sclerosus kommen nach Ückeritz zur Rehabilitation. Die Klinik hat eine Kapazität von 193 Betten, 153 für gynäkologische Onkologie und 40 für dermatologische und dermato-onkologische Fälle.  

Für eine Reha gibt es drei große Faktoren: Bedürftigkeit, Fähigkeit und Motivation.
Dr. med. Jana Barinoff

„Auch die gesetzliche Rentenversicherung gewährt Versicherten eine Reha. Um diese zu erhalten, muss die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt bzw. gefährdet sein. Auch muss eine entsprechende Diagnose vorliegen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat klare Vorgaben, welche Diagnosen in einen Rehabilitationsprozess kommen. Das oberste Ziel ist dabei die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit“, erzählt mir die Ärztin. 

Liegt eine onkologische Diagnose bei Rentner:innen vor, gewährt die DRV auch hier eine Rehabilitation. Der Sinn dahinter? Menschen sollen möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden leben, ohne umfangreiche Pflegeleistungen in Anspruch nehmen zu müssen. 

Das hat sie mir auch erklärt:

„Die Anschlussrehabilitation ist eine besondere Form der medizinischen Rehabilitation. Sie folgt bei Bedarf insbesondere unmittelbar auf einen Krankenhausaufenthalt. Aber der Reihe nach: Sind alle formalen Voraussetzungen dafür erfüllt, ist der nächste Schritt relativ einfach. Der Sozialdienst der zuletzt behandelnden Klinik oder die zuständige Praxis (z. B. Praxis für Strahlentherapie) kümmert sich um die Formalitäten und leitet das Verfahren ein.

Früher nannte man das AHB, also ‚Anschlussheilbehandlung‘, heute sprechen wir von ‚Anschlussrehabilitation.

Im Kern bleibt das Konzept in diesem Fall gleich: eine nahtlose Überleitung von der Akutbehandlung in einem Krankenhaus in die Rehabilitation. Diese Art der Rehabilitation ist wichtig, um Nebenwirkungen oder Komplikationen einer kürzlich abgeschlossenen Therapie zu behandeln. Allerdings gibt es bei chronischen oder komplizierten Erkrankungen häufig keinen klaren Therapieabschluss. Da kann ein:e Mitarbeiter:in des Sozialdiensts die Situation klären.“

Der Sozialdienst der Klinik bzw. der behandelnden Praxis ist also für die Beantragung der Rehabilitation verantwortlich. Das wird vom Gesetzgeber festgelegt, wie ich weiters von der Ärztin erfahre.  

Dabei gibt es zeitliche Vorgaben für die Anschlussrehabilitation: Je nach Träger muss die Maßnahme innerhalb von sechs bis acht Wochen beginnen. Auch die Entfernung zwischen dem Wohnort des oder der Patient:in und der Rehaklinik ist geregelt und sollte 250 Kilometer nicht überschreiten. In der Praxis gibt es jedoch oft Abweichungen. Einige Träger sind flexibler, während andere strenger sind. „Wichtig ist eine reibungslose Kommunikation zwischen der zuständigen Klinik oder, Praxis und Patient:in, damit die notwendigen Schritte zügig eingeleitet werden können“, so Barinoff. 

„Die Patient:innen sollten wissen, wer ihr Rentenversicherungsträger ist. Auf der Webseite der DRV können beispielsweise alle notwendigen Formulare heruntergeladen und eine Reha-Klinik ausgewählt werden. Es gibt Hilfe, wenn Unsicherheit besteht. Sie können sich auf der Webseite informieren und dort direkt den Antrag stellen.

Die Patient:innen können auch das sogenannte Wunsch- und Wahlrecht ausüben und sollten sich vorher gut informieren, welche Reha-Kliniken für sie anhand ihrer Indikation in Frage kämen. Wenn der oder die Patient:in konkrete Wünsche äußert, die Klinik der Indikation entspricht und sie in naher Zukunft freie Kapazitäten hat, wird dem regelmäßig entsprochen.

Das Prozedere ist bei allen Trägern der Rentenversicherung gleich. Probleme gibt es meist, wenn die Rentenversicherung eine andere Klinik vorschlägt als gewünscht. Versicherte können dem widersprechen und begründen, warum sie in eine bestimmte Klinik möchten. Mit Bewilligung der Reha werden die Unterlagen auch in die entsprechende Reha-Klinik weitergeleitet.

Die Reha-Klinik legt den Termin fest. Gegebenenfalls kann dieser innerhalb des Bewilligungszeitraums verschoben werden.“

Im Gespräch habe ich auch erfahren, dass ein Reha-Antrag gut durchdacht und sorgfältig ausgefüllt werden muss. Man muss die bestehenden Funktionseinschränkungen deutlich machen, damit die Notwendigkeit der Reha erkennbar ist. „Besonders Brustkrebspatient:innen, die nach der Therapie weiterhin Medikamente nehmen müssen, sollten ihre Beschwerden konkret beschreiben.

Reha Austern
Bei Austern, Fisch und Co. kann man doch nichts falsch machen - oder? (Illustration: Lena Kalinka)

Mein Antrag ist also wirklich daran gescheitert, dass ich “leicht überfordert” geschrieben habe.  

„Die Bewilligung muss innerhalb von sechs Monaten umgesetzt werden. Wenn der Antrag korrekt ist, die Diagnose passt und die Klinik geeignet ist, sollte es jedoch keine Probleme geben“, so Barinoff abschließend. 

Im Anschluss aßen wir in einem kleinen Fischrestaurant direkt am Strand zu Abend. Es gab frische Austern und einen Dorsch – im Ganzen gebraten. Köstlich.  

Warum das mein letztes Mal Meerestier war, erzähle ich dir auf der nächsten Seite. 

Über die Serie

Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.

In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.

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