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Das Gesundheitswesen schreibt Tagebuch 
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Rehabili-lieber nicht  

Das Gesundheitswesen hat es satt. Psychisch ist es am Ende – der gesundheitliche Rückfall war nur die Krönung. Eine Reha an der Ostsee scheint der letzte Ausweg zu sein, doch es entpuppt sich alles andere als einfach, reinzukommen.

Während des Essens ging es in Runde 2 der Informationen. Frau Barinoff erzählte mir etwa, dass eine Reha standardmäßig drei Wochen dauert – und auf vier oder fünf Wochen, wenn notwendig, verlängert werden kann. Der Gesetzgeber gewährt alle vier Jahre Anspruch auf eine Reha. Wer lange krankgeschrieben war, kann auch von der Agentur für Arbeit zur Reha geschickt werden, um die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. 

Auch folgendes hat mich überrascht:

Kur vs. Reha 

Eine Kur dient der Vorsorge und allgemeinen Stärkung der Gesundheit. Leistungsträger hierfür sind die Krankenkassen. Eine Reha hingegen zielt darauf ab, nach einer Krankheit oder Verletzung die vollständige Genesung und Funktions- bzw. Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen und wird von der Rentenversicherung gewährt. 

Der übliche Ablauf in der Reha im Zentrum „Ostseeblick“ nach einer erfolgreichen Bewilligung sieht ungefähr so aus: 

  1. Aufnahme durch eine Reha-Assistenz 
  2. Weitere Fragen durch das Pflegepersonal auf der Station 
  3. Aufnahmeuntersuchung durch eine Ärztin oder einen Arzt 
  4. Erstellung eines individuellen Therapieplans mit einem Arzt oder einer Ärztin, um die Rehabilitationsziele festzulegen 
  5. Strukturierter Alltag mit Vorträgen, Trainingseinheiten, Akupunktursitzungen, Therapien unterschiedlicher Art, psychologischen Sitzungen sowie Pausen und Mahlzeiten 

Die Rolle von Selbsthilfegruppen 

Und wie sieht es mit Selbsthilfe aus? Barinoff: „Jede Woche begrüßen wir 60 neue Patient:innen, und ich erkläre ihnen immer wieder, wie wichtig Bewegung, Ernährung und psychische Gesundheit sind. Viele gewinnen durch den Austausch in der Gruppe neue Perspektiven und erkennen, dass sie nicht allein sind. Die positiven Erfahrungen anderer Patient:innen sind oft sehr hilfreich. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation, und es ist eines meiner Ziele, diese Arbeit weiter zu fördern. Deswegen werden auch die Selbsthilfegruppen von uns sehr intensiv empfohlen.   

Selbsthilfegruppen spielen also eine wichtige Rolle bei der Krankheitsverarbeitung, da die Akzeptanz der Krankheit oft durch den Austausch mit anderen Betroffenen besser erreicht werden kann.  Vielleicht habe ich der Reha jahrelang Unrecht getan. Ich werde es noch einmal versuchen. Gleich morgen Früh. 

Von Magensäuren und Antragsstellungen 

Die Austern von gestern habe ich nicht vertragen. 16 Mal musste ich mich letzte Nacht übergeben. Dementsprechend ging es mir heute.

Reha Armes Klo
Toiletten sind manchmal ganz schön arm dran! (Illustration: Lena Kalinka)

Bei einer wohltuenden Tasse Tee habe ich dann heute Morgen einen Rehabilitationsantrag gestellt. Man braucht folgende Informationen dafür: 

  • Versicherungsnummer: Auf der Renteninformation, Gehaltsabrechnung oder dem Versicherungsnummernnachweis zu finden 
  • Antragstellung durch eine dritte Person: Dazu wird eine Vollmacht oder Betreuungsurkunde sowie ein gültiges Personaldokument (Geburtsurkunde oder Stammbuch in bestätigter Kopie) benötigt   
  • Name und Anschrift der behandelnden Ärzt:innen 
  • Bankverbindung: IBAN/BIC  
  • Befundbericht/ärztliches Gutachten: Ob ein solcher/solches benötigt wird, muss vorab beim Rentenversicherungsträger erfragt werden  
  • Name und Anschrift der Krankenkasse  
  • Bei beruflicher Rehabilitation: Arbeitgeber:in, Name und Anschrift  

Ich habe mir das „Rehazentrum Tannenspitz“ ausgesucht. Zwar nicht die Ostsee, aber trotzdem ganz akzeptabel. Der zweite Antragsanlauf ist durch. Jetzt heißt es abwarten.   

Reha Wipfel
Gut informieren und flexibel sein, dann sollte es kein Problem sein, einen Rehaplatz zu bekommen. (Illustration: Lena Kalinka)

Jetzt wird rehabilitiert! 

Vor drei Wochen war ich an der Ostsee und heute habe ich eine Mail bekommen, dass mein Reha-Antrag bestätigt wurde. In einem Monat geht es los – sie hatten tatsächlich kurzfristig einen Platz frei!

Besser geht es mir nicht und die Warterei hat es nicht einfacher gemacht. Ich habe nach wie vor Bedenken, tägliche Pflichttermine zu besuchen, und noch schlimmer: Sport zu machen. Der Zuspruch von Frau Dr. Med. Jana Barinoff hat mir aber geholfen. Sie hat mir gezeigt, dass ich so nicht weitermachen kann. Ich brauche die Tipps von Expert:innen und einen Plan, für die Zeit nach der Reha. 

Das habe ich diesmal gelernt:  

  • Eine Reha ist nicht nur für ältere Menschen. 
  • Man sollte sich im Vorhinein gut informieren, welche Reha zur eigenen Diagnose passt.  
  • Nicht weinen, wenn man nicht die Wunsch-Reha bekommt. Rehaplatz ist Rehaplatz.   
  • Leider werden Anträge oft falsch weitergeleitet, was wertvolle Zeit kostet.  
  • Mit etwas Hilfe und Beratung ist eine Reha-Antragsstellung gar nicht mal so schwer.   
  • Ich esse nie wieder Austern.  

Links und Quellen:

Titelbild: Lena Kalinka

Über die Serie

Stell dir vor, das Gesundheitswesen ist ein echtes Wesen. Es atmet, isst, trinkt, verdaut, fühlt. Und wenn es lange überlastet ist, funktioniert es nicht mehr wie sonst. In dieser Serie passiert genau das: Das Gesundheitswesen erleidet ein Burnout und muss eine Auszeit nehmen. „Den Auslösern auf den Grund gehen“, wie die Psychologin sagt.

In 20 Tagebucheinträgen beschäftigt es sich mit sich selbst – und deckt nach und nach Probleme, Erfolge und Möglichkeiten auf. Dazu spricht das Gesundheitswesen mit allerlei Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz übers Bettenfahrern, die Pflegekrise oder Themen wie Föderalismus und Digitalisierung. Am Ende entsteht ein Gesamtbild der aktuellen Herausforderungen im System.

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