So sagst du es deinen Kindern
Das Gespräch mit den Kindern über die eigene Krebserkrankung ist sicherlich eines der schwierigsten. Worauf es ankommt, um als Familie weiter zusammenzuhalten, erklären wir in diesem Beitrag.
Seite 3/3: Wie lassen sich Ängste von Kindern im Umgang mit Krebs reduzieren?
Niemand hat Schuld an der Krebserkrankung
Unbedacht dahingesagte Phrasen wie „wenn du nicht brav bist, werde ich noch krank“ können eine fatale Wirkung haben, wenn es zu einer schweren Erkrankung wie Krebs kommt. Aber selbst bei sehr bewusst gewählter Sprache in der Familie kann es vorkommen, dass Kinder sich verantwortlich und „schuldig“ fühlen, wenn es einem Elternteil schlecht geht. Solche Glaubenssätze könnten lauten: „Weil ich schlimm war, weil ich Mama immer nerve, weil ich so ein böses Kind bin, …“
In jedem Fall musst du deinen Kindern vermitteln, dass sie keine Schuld an dem Krebs trifft. Du musst klarstellen, dass eine derartige Erkrankung nicht durch ein bestimmtes oder unterlassenes Verhalten des Kinds hervorgerufen, begünstigt oder verschlimmert werden kann. Das Gleiche gilt für die Genesung.
Wie wird das Kind reagieren, wenn ich erzähle, dass ich Krebs habe?
Kinder können auf verschiedenste Weise reagieren, wenn sie erfahren, dass ein Elternteil Krebs hat: verständnisvoll, besorgt, liebend, sorgend, ignorierend, still, verschließend, klammernd. „Ich habe Angst, mein Kind zu überfordern, wenn ich darüber spreche“, darf aber nie ein Grund sein, die Kinder nicht einzubinden.
Beobachte das Verhalten des Kinds und lasse ihm Zeit, die neue Situation zu begreifen und zu verarbeiten. Es ist in jedem Fall ratsam, Erzieher:innen beziehungsweise Lehrer:innen einzubinden. Rede mit ihnen und tausche dich mit ihnen aus, damit sie bei etwaigen Verhaltensänderungen des Kinds informiert sind. Wende dich im Zweifel an psychoonkologische oder psychosoziale Betreuungseinrichtungen.
Psychoonkologische Unterstützung orientiert sich an den speziellen Erfordernissen von an Krebs erkrankten Menschen. Dabei wird in einem sicheren Rahmen über deine Ängste und Sorgen gesprochen und ihr entwickelt gemeinsam maßgeschneiderte Bewältigungsstrategien. In unserem Beitrag „Ist die Diagnose gesichert? Gezielt informieren nach der Diagnose von Krebs in fünf Schritten“ liest du mehr darüber.
Sollen wir nach der Krebsdiagnose ganz normal weitermachen?
So zu tun, als wäre nichts passiert, käme einem Ignorieren und Verdrängen gleich. Das sollte im Fall einer Krebserkrankung niemals passieren, da die Auswirkungen eines nicht oder zu spät behandelten Tumors exponentiell steigen können – bis hin zu einem Stadium, in dem nicht mehr therapiert werden kann. Dennoch ist es für Kinder wichtig, den alten Alltag nicht komplett über Bord zu werfen. Behalte bestimmte Routinen bei oder schaffe neue für euch als Familie.
Außerdem braucht das Kind geeignete Rückzugsmöglichkeiten, damit es die aufkommenden Gefühle verarbeiten kann. Du solltest Nachschau halten, ob das Kind zurechtkommt, oder Hilfe von dir benötigt. Obwohl es für die Familie wichtig ist, auch in solch einer Krise weiterhin „lustige“ Aktivitäten zu haben, sollten diese nicht direkt nach einem schwierigen Gespräch als „Ablenkung“ geplant werden.
Mit Kindern über Krebs reden
- Ich muss dem Kind sagen, dass ich Krebs habe.
- Ich rede lieber früher als später darüber.
- Ich nenne Krebs beim Namen und sage nicht „Wehweh“ dazu.
- Ich stelle klar, dass Krebs nicht unbedingt heißt, sterben zu müs-sen.
- Ich bin ehrlich und lüge nicht über die Krankheit.
- Ich erzähle dem Kind altersgerecht, was es wissen muss.
- Ich erkläre dem Kind altersgerecht, was Krebs ist und wie Krebs entsteht.
- Ich versichere, dass niemand Schuld an der Erkrankung hat.
- Ich mache nicht normal weiter, aber behalte gewisse Routinen bei.
- Ich lasse mich auf alle möglichen Reaktionen des Kindes ein.
- Ich beziehe das wichtigste Umfeld des Kindes mit ein.
- Ich hole mir Unterstützung, sobald dies notwendig ist.
Bisher erschienene Interviews zum Thema
In unserer Serie „Reden wir über Krebs“ interviewen wir regelmäßig von Krebs betroffene Menschen und deren Angehörige. In den allermeisten Fällen ist die Familie dabei immer eines der Kernthemen.
So hat uns Vanessa Eichholz berichtet, wie es ihr als Jugendliche mit der Brustkrebserkrankung ihrer Mutter ergangen ist. Das hat sie bewegt, heute selbst jugendliche Angehörige zu unterstützen: „Als Kind konnte ich mir kein Leben danach vorstellen“.
Alexander Heckrodt erzählt uns von dem Hodgkin-Lymphom, an dem er erkrankt ist, und wie er mit seiner Frau und den beiden Töchtern darüber gesprochen hat: „Vater mit Lymphdrüsenkrebs – Tschüss Tumor, Moin Humor“.
Hier geht’s zu allen Kurvenkratzer-Checklisten
Quellen und Links:
- Kindgerechte Erklärvideos der Deutschen Krebshilfe
- Krebshilfe-Broschüre „Mama/Papa hat Krebs“ (PDF)
- Zauberbaum App unterstützt Eltern-Kind-Kommunikation bei Krebs
- Buchempfehlungen von Alexander Heckrodt (vanhecklundt.com)
- Buchtipps von „Hilfe für Kinder krebskranker Eltern e.V.“
- Flüsterpost e.V. Mainz – Unterstützung für Kinder krebskranker Eltern
- Pink Kids (Angehörigenorganisation)
Zum Weiterlesen:
- Do’s and Don’ts: Wie rede ich mit Kindern über Krebs
- Krebs kindgerecht erklärt: Die besten Kinderbücher zu Krebs
- Vater mit Lymphdrüsenkrebs – Tschüss Tumor, Moin Humor
- Vanessa Eichholz: Als Kind konnte ich mir kein Leben danach vorstellen
Titelfoto: Pixabay/Victoria Borodinova
(Veröffentlicht am 11. Februar 2021, aktualisiert am 19. Juli 2022)
Über die Serie
Eine Krebsdiagnose schlägt wie ein riesiger Meteorit in das Leben von Betroffenen und Angehörigen ein. Wer damit konfrontiert wird, weiß im ersten Moment nicht, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Das ist komplett normal. Bisher schien alles so toll in geradlinigen Bahnen zu verlaufen. Nun sind vom einen auf den anderen Tag die Prioritäten total verschoben.
Kurvenkratzer reicht dir mit dieser Checklisten-Serie Tipps für die Bewältigung des Schocks. Wir haben praxiserprobte Hilfestellungen für die häufigsten Situationen während einer Krebserkrankung für dich auf Lager – vom medizinischen Gespräch bei der Diagnosestellung bis zum Reha-Aufenthalt in der Nachsorgephase. Und wir geben Impulse, wie dir ein achtsamer Umgang mit der Erkrankung gelingt.
Bitte beachte: Krebs ist höchst individuell. Die auf diesen Seiten enthaltenen Informationen stellen keine verbindliche und vollumfängliche medizinische Auskunft dar. Bitte berate dich betreffend deiner Therapieentscheidung jedenfalls mit deiner Ärztin oder deinem Arzt. Kurvenkratzer übernimmt keine Haftung für Fehlbehandlungen.