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Krebs und Identität
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Vom Soldat zum Psychoonkologen – Der krasse Sinneswandel des Carsten Witte

Carsten Wittes Lebensweg ist kaum nachahmbar. Acht Jahre verpflichtet er sich dem Militär, ohne genau zu wissen, warum. Mit der Diagnose Knochenkrebs bahnt sich dann ein großer Wandel an. Ein Porträt über einen Menschen, bei dem Krebs einen positiven Platz, weit über die Erkrankung hinaus, eingenommen hat.

Dieses Vakuum hat Carsten nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere gefüllt, indem er 2014 Pionierarbeit geleistet und die Selbsthilfegruppe „Jung und Krebs“ aus dem Boden gestampft hat. In diesem Kontext, wo sich niemand mehr erklären muss, hieven sich junge Krebsbetroffene vom Fremdbestimmtsein in die Selbstbestimmung.  

Gemeinsam lebt, lacht, weint, trauert, feiert und sportelt man und inspiriert sich so gegenseitig bei der Krebsbewältigung. Die Beziehungen gehen auf Anhieb tief. Denn wenn Krebs das Thema ist, von dem man abspringt, ist Smalltalk untalkbar. Wie wichtig die Gruppe ist, zeigt sich schon allein dadurch, wie viele Menschen diesen Verein mittragen.  

Es ist bei Weitem nicht nur Carsten. Carstens Herzstück besteht mittlerweile aus über 30 Leuten und ist einer der aktivsten Selbsthilfegruppen in Deutschland, feiert Benefizfeste, organisiert zweimal im Monat Treffen und läuft begeistert Halbmarathon.

Identität #4: Speaker-Carsten 

Carsten verstellt sich nicht mehr, verbindet seine Rollen geschickt und drückt sich bewusst und ungehemmt aus. Folgerichtig hat er seine Stärke als Speaker erkannt. Er hält Vorträge, steht für die Patient:innensicht ein und hüpft hier und da in interdisziplinären Expertenrunden herum.

Ungeachtet der hochqualifizierten Experten:innenschaft reißt er auch dort seine Witze. Immerhin ist Carsten immer noch Carsten. Also lieber Húmor als Tumor.

Carsten bei einer Podiumsdiskussion mit drei anderen Expert:innen und einem Moderator
Carsten bei einer Podiumsdiskussion, insgeheim schon den nächsten Witz vorbereitend. (Foto: Michael Schwettmann)

Krasser Lebensweg, Carsten!

Krebs hat den freien Platz in Carstens Leben weit über die Erkrankung hinweg eingenommen. Vom Unteroffizier zum Patienten zum Selbsthilfepionier, Psychoonkologen, Patient Advocate: Ein origineller Weg, so viel steht fest.

Er vermittelt Lebensfreude, Bewusstsein und kompromisslose Authentizität, fungiert anstrengungslos als Role Model für junge Krebspatient:innen all over Freiburg and se Wörld. Schlussendlich, langfristig gesehen und vor Akzeptanz strotzend, ist er dankbar für jegliche Erfahrungen, die er gemacht hat. Mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit dieser ganzen Krebssache. Denn es hat ihn zu dem Menschen geformt, der er jetzt ist. Und das ist ein ziemlich krasser Mensch.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Carsten Witte

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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